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Gaudete: Der dritte Sonntag im Advent

Gaudete: Der dritte Sonntag im Advent

Heute ist der dritte Sonntag im Advent. Dies ist der Tag, an dem wir auf unserem Weg der Besinnung und des Wartens innehalten und uns in Erinnerung rufen, DASS WEIHNACHTEN WIRKLICH NAH IST!

Zwar ist er noch nicht offiziell da, und doch: So wie ein Kind im Mutterleib ohne Zweifel da ist (fragen Sie gern jede Schwangere), auch wenn man es noch nicht sieht, so ist auch Christus in uns, und sind voll Freude über dieses Wissen.

Das spanische Wort für Weihnachten ist “Navidad” – wir sagen “Feliz Navidad”, was wörtlich “Glücklicher Geburtstag” bedeutet. Und so zünden wir die dritte Kerze für den Gaudete-Sonntag an.

(Gaudete ist Lateinisch und bedeutet “Freut euch!”. Zum heutigen Text füge ist einen Link zu einer meiner Lieblingsaufführungen von “Gaudete” an, einem lateinischen Adventslied, das hier von Michael McGlynn und Anuna sehr bewegend arrangiert und vorgetragen wurde.)

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Auszug aus dem noch namenlosen Outlander-Buch 10, (c) Diana Gabaldon & Barbara Schnell

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„Was denkst du gerade?“, fragte ich. „Ich weiß, dass es mit William zu tun hat.“

„Oh, aye?“ Er sah mich an, einen Mundwinkel nach oben verzogen. „Und wie sehe ich aus, wenn ich an William denke?“

„Wie ein Mensch, dem man ein Päckchen gegeben hat und der sich nicht sicher ist, ob es etwas Wunderbares ist oder eine Bombe.“

Das brachte ihn zum Lachen, und er legte seinen Arm um mich, zog mich an sich und küsste meine Schläfe. Er roch nach getragenem Leinen, Tinte und Heu und dem kleinen Honigrinnsal, das vorn an seinem Hemd getrocknet war wie winzige Bernsteinperlen.

„Aye, nun ja, man braucht nur einen Blick auf den Jungen zu werfen und weiß, dass er über kurz oder lang explodieren wird“, sagte er. „Ich hoffe nur, dass er sich dabei nicht selbst verletzt.“

„Oder dich.“

Er zuckte ungerührt mit den Schultern.

„Ich bin nicht so leicht zu verletzen, Sassenach.“

„Sagt der Mann mit vier – nein, fünf Einschusslöchern im Pelz, ganz zu schweigen von so vielen Wundnähten, dass sie für einen wilden Quilt reichen würden. Und wenn wir anfangen, die Knochen zu zählen, die du dir angeknackst oder gebrochen hast …“

„Ach, hör auf – ich habe mir noch nie etwas Wichtiges gebrochen, nur hier und da einen Finger. Vielleicht auch die eine oder andere Rippe.“

„Und dein Brustbein und deine linke Kniescheibe.“

Er tat meine Worte mit einem schottischen Laut ab, widersprach aber nicht.

Eine Weile standen wir da, die Arme umeinander gelegt, und lauschten den Geräuschen im Freien. Die kleineren Kinder waren unter Büschen oder in den Wagen ihrer Eltern eingeschlafen, und an die Stelle ihres fröhlichen Kreischens traten Musik und das Lachen der Tanzenden, das Klatschen und Rufen ihrer Zuschauer.

„Er ist zu mir gekommen“, sagte Jamie leise. Er bemühte sich zwar um einen beiläufigen Ton, doch er versuchte nicht länger zu verbergen, was er fühlte.

„Das stimmt“, sagte ich und drückte seinen Arm.

„Sonst gab es vermutlich niemanden, zu dem er hätte gehen können“, sagte er gelassen. „Wenn er Seine Durchlaucht nicht finden kann, meine ich, und er konnte wohl kaum mit jemandem in der Armee reden, oder? Angesichts der Tatsache …“ Er hielt inne, weil ihm ein Gedanke gekommen war, und wandte sich mir zu. „Meinst du, er weiß es, Sassenach?“

„Weiß was?“

„Das … was er gesagt hat. Die … Drohung gegenüber Lord John. Ich meine –“, führte er aus, weil er meine verständnislose Miene sah, „Weiß er, dass es nicht nur eine Ente ist?“

„Eine – oh.“ Ich hielt inne, um einen Moment zu überlegen, dann schüttelte ich entschlossen den Kopf. „Nein. Beinahe sicher nicht. Du hast doch sein Gesicht gesehen, als er uns erzählt hat, womit Richardson drohte. Er hätte immer noch Angst gehabt – vielleicht mehr Angst –, wenn er gewusst hätte, dass es keine leere Drohung war. Aber er hätte nicht so ausgesehen.“

„Nervös? Wütend?“

„Beides. Aber das wäre jeder, oder? Unter den Umständen.“

„Ja. Und … entschlossen, würdest du das sagen?“

„Stur“, sagte ich prompt, und er lachte.

„Also eindeutig eine Bombe.“

Mit dem Untergang der Sonne hatte es sich abgekühlt. Jetzt war es vollkommen dunkel, und der Berg atmete. Die Geschmeidigkeit des Frühlings lag in der Luft, die erfüllt war von nachtblühenden Blüten und dem Harz ruhender Bäume. An der Küste würde es anders sein. Genau so frisch, aber mit kräftigen Gerüchen nach Fisch und Seetang, Teer und Holz und in allem Salzaroma.

Eine solche Bergnacht würde ich vielleicht noch haben, eventuell zwei oder drei, mehr aber wahrscheinlich nicht. Ich atmete tief, entschlossen, sie auszukosten.

„Wann?“, fragte ich.

„Wenn es nach William ginge, wären wir schon unterwegs“, sagte Jamie und zog mich dichter an sich. „Ich habe ihm gesagt, ich muss nachdenken, unterdessen würden aber Vorbereitungen getroffen; es wird keine Zeit vergeudet.“ Er blickte zum Fenster hinüber. „Mit etwas Glück haben ihn Brianna und Roger Mac inzwischen gut abgefüllt; er wird fest schlafen. Er weiß, dass er in Sicherheit ist“, fügte er leise hinzu. „Zumindest hoffe ich das.“

„Da bin ich mir sicher“, sagte ich ebenfalls leise und massierte ihm den Rücken, die Narben unsichtbar unter seinem Hemd. Seine Kinder, seine Enkelkinder. Wenn auch nur für einen Moment, hier, zusammen an dem Ort, den er geschaffen hatte.

Es gab eine Pause in der Musik, doch es wurde weiter geredet und gelacht. Auch dies verstummte jetzt, und es folgten ein paar Sekunden der Stille, ehe leise Gitarrenklänge vom Lagerfeuer herüber drifteten. Dann zwei Stimmen, eine rau und eine glatt, die ein Lied webten.

Are you going to Scarborough Fair?

Parsley, sage, rosemary and thyme …

Mein Herz zog sich zusammen, und meine Kehle tat es ihm nach. Noch nie hatte ich Brianna und Roger gemeinsam singen gehört. Aber sie mussten das schon gemacht haben, unter vier Augen; vielleicht als Übung, um Rogers Stimme zu kräftigen.

Schweigend standen wir da, bis das Lied vorüber war, und lauschten der Magie. Ich blickte zu Jamies Gesicht auf, sanft im Kerzenschein, sein Blick in weiter Ferne. Er hörte zwar eigentlich keine Musik, doch ich wusste, dass er das Lied auch so fühlte.

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