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Alles Gute zum 303ten Geburtstag, Jamie Fraser!

Alles Gute zum 303ten Geburtstag, Jamie Fraser!

Auszug aus dem noch titellosen Buch Zehn, © Diana Gabaldon & Barbara Schnell

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[Jamie und Roger sitzen vor der Mälzerei und sprechen über Jamies bevorstehenden Aufbruch, um Lord John zu suchen.]

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„Hast du Angst?“, sagte er. Jamie sah Roger scharf an, zuckte aber mit den Schultern und machte es sich bequem, ehe er antwortete.

„Sieht man mir das an?“

„Dir nicht“, versicherte ihm Roger. „Aber Claire.“

Jamie sah erstaunt aus, doch nach kurzem Nachdenken nickte er sacht.

„Aye, so ist es wohl. Sie schläft bei mir, nicht wahr?“ Offenbar drückte Rogers Miene kein vollständiges Verständnis aus, denn Jamie stieß einen kleinen Seufzer aus und lehnte sich mit dem Rücken an an die Wand der Mälzerei.

„Ich träume“, sagte er schlicht. „Ich kann meine Gedanken einigermaßen im Zaum halten, so lange ich wach bin, aber … wusstest du, dass die Indianer sagen, dass die Traumwelt so real ist wie diese hier? Manchmal glaube ich, das ist wahr – aber ich hoffe oft, dass es nicht so ist.“

„Du erzählst Claire von deinen Träumen?“

Jamie verzog flüchtig das Gesicht.

„Manchmal. Manche … nun ja, du weißt vielleicht, dass es manchmal hilft, sich jemandem zu öffnen, wenn man Kummer hat, und manche Träume sind so; einfach nur auszusprechen, was passiert ist, macht es möglich, einen Schritt zurück zu treten. Man weiß, dass es nur ein Traum ist, wie es heißt.“

„Nur.“ Roger sagte es ganz leise, doch Jamie nickte, und sein Mund entspannte sich ein wenig.

„Aye.“ Sie schwiegen einige Augenblicke, und die Geräusche des Windes und der Vögel leisteten ihnen Gesellschaft.

„Ich habe Angst um William“, sagte Jamie abrupt. Er zögerte, fügte aber mit leiser Stimme hinzu, „und ich habe Angst um John. Ich möchte nicht an die Dinge denken, die – die ihm angetan werden könnten. Dinge, vor denen ich ihn vielleicht nicht retten kann.“

Roger warf ihm einen Blick zu und versuchte, nicht verblüfft auszusehen. Doch dann wurde ihm klar, dass es Jamie nicht vermied, bestimmte Dinge anzusprechen. Er hatte einfach akzeptiert, dass Roger wusste, was Jamie angetan worden war – und warum genau er um seinen Freund fürchtete.

„Ich wünschte, ich könnte mit dir gehen“, sagte er. Es war impulsiv, aber aufrichtig, und als Erwiderung wurde Jamies Gesicht von einem echten Lächeln erhellt.

„Ich auch, a Smeoraich. Aber die Menschen hier brauchen dich – und sie werden dich noch um einiges mehr brauchen, sollte ich nicht zurückkommen.“

Roger ertappte sich bei dem Wunsch, Jamie würde hin und wieder manche Dinge vermeiden, doch er räumte zögernd ein, dass sie jetzt ausgesprochen werden mussten, so unangenehm sie sein mochten. Und so antwortete er auf die Frage, die Jamie nicht gestellt hatte.

„Aye, ich werde mich für dich um sie kümmern. Die Familie, die Kinder. Und deine ganzen verdammten Pächter auch. Aber deine Kühe melke ich nicht, und ich sorge auch nicht für diese verflixte Sau und ihre Brut.“

Jamie lachte zwar nicht, aber das Lächeln war noch da.

„Es beruhigt mich, Roger Mac, zu wissen, dass du hier sein wirst, um zu bewältigen, was auch immer geschieht. Und es werden Dinge geschehen.“

„Jetzt habe ich Angst“, sagte Roger, so unbekümmert er konnte.

„Ich weiß.“ Zum Glück ging Jamie nicht weiter darauf ein, sondern wandte sich praktischen Fragen zu.

An Deamhan Gael kann auf sich selber aufpassen“, versicherte er Roger und meinte damit – so dachte Roger – die weiße Sau. „Und Frances kümmert sich um die Kühe. Oh – was Frances selbst betrifft …“

„Ich lasse sie niemanden heiraten, bis du zurückkommst“, beruhigte ihn Roger.

„Gut.“ Jamie atmete aus, und seine Schultern sackten zusammen. „Ich glaube, ich werde zurückkommen. Aber die Toten sprechen mit mir.“ Er erblickte Rogers hochgezogene Augenbraue. „Nicht – nun ja, nicht nur – meine eigenen Toten. Das ist mir oft ein Trost, wenn mein Pa vorbei kommt oder Murtagh oder Ian Mor. Oder ganz selten … meine Mutter.“ Das ließ ihn schüchtern werden; er wandte den Blick ab.

Roger stieß einen kleinen, beiläufigen Laut aus und wartete einen Moment, dann fragte er: „Du sagst, nicht nur deine eigenen Toten …?“

„Ah.“ Jamie richtete sich auf und stellte seine Füße fest auf den Erdboden. „Die anderen. Männer, die ich getötet habe. Manchmal mit Absicht getötet habe. Andere – in der Schlacht. Fremde. Männer, die …“ Er brach ab, und Roger sah, wie sich sein ganzer Körper verspannte. Jamie wandte den Blick ab, den Pfad hinunter, der zum See führte, als könnte etwas im Herannahen sein. Das Gefühl war so stark, dass Roger ebenfalls hinsah – und erleichtert war, nur eine kleine Schar Wachteln unter einem Busch ein Staubbad nehmen zu sehen.

„Jack Randall ist zu mir gekommen, vorletzte Nacht.“

Rogers Magen verkrampfte sich so plötzlich, dass er laut „Uff!“ sagte. Jamie starrte ihn an, dann lachte er.

„Aye, das habe ich auch gesagt“, bestätgte er Roger. „Und noch ein paar andere Dinge, aber ich möchte sie nicht wiederholen, wenn Jemmy in Hörweite ist.“

Es folgte eine lange Pause, erfüllt vom Gesang der Vögel in den Bäumen, die der Mälzerei Schatten spendeten, unterbrochen von den fernen Rufen der Raben.

„Ich denke“, sagte Roger schließlich, „dass es keine Rolle spielt, was du zu ihm gesagt hast – aber was hat er zu dir gesagt? Hat er gesprochen?“

Jamie blickte zu Boden, und Roger konnte den Puls in seinem Hals schlagen sehen.

„Nein. Er hat nur gelacht.“

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