Wir feiern den zweiten Sonntag im Advent
Heute ist der zweite Sonntag im Advent. Heute zünden wir die zweite Kerze an und bezeugen das kommende Licht. Zeugnis abzulegen ist ein wichtiger Teil der Wahrheit; das ist der Grund, warum ein Geschworenenprozess Zeugenaussagen braucht. Zu berichten, was wir gesehen, gedacht, gefühlt, erlebt haben, was wir mit Leib und Seele genau wissen – das ist etwas Bedeutendes. Es lädt zur Nachfrage und zum Glauben ein. Deshalb sagen wir, „und das Wort wurde Mensch und hat unter uns gelebt“.
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Aus „Das Schwärmen von tausend Bienen“, (c) Diana Gabaldon 2021
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JAMIE HATTE EINMAL eine Ordination erlebt, in Paris, in der großen Kathedrale. Er war mit Annalise de Marillac dort gewesen, deren Bruder Jacques einer der angehenden Priester gewesen war, und demzufolge hatte er einen Platz bei ihrer Familie gehabt, von dem aus er alles gut sehen konnte. Er erinnerte sich lebhaft daran – obwohl seine Erinnerungen an den Anfang der Zeremonie zum Großteil aus Annalises Busen und ihrer parfümierten, pulsierenden Wärme an seiner Seite bestanden hatte. Er war sich sicher, dass es Sünde sein musste, wenn man in einer Kathedrale einen Ständer bekam, doch weil er zu verlegen gewesen war, es zu beichten, hatte er es unter »unreine Gedanken« gefasst. Er räusperte sich, warf einen Blick auf Claire und richtete sich auf.
Diese Zeremonie war natürlich völlig anders – und doch war sie im Kern
bemerkenswert identisch.
Die Worte waren Englisch, nicht Latein, doch ihr Inhalt war ähnlich. Gnade sei Euch und der Friede Gottes, unseres Vaters, und unseres Herrn Jesu Christi.
Schwestern und Brüder in Christus.
Wir kommen dankbar als Gemeinde und Presbyterium zusammen, um den Herrn zu preisen, der uns zu diesem Tag geführt hat, an welchem Roger Jeremiah MacKenzie zum Priester dieser Gemeinde und Pfarre geweiht wird.
Notre-Dame de Paris hatte eine gewaltige Orgel und einen vielstimmigen Chor; er erinnerte sich, wie der Klang die Luft zum Beben gebracht hatte und ihm bis ins Mark gedrungen war. Hier gab es keine Musik außer den Rufen der Vögel, die durch die offenen Fenster kamen. Es gab keinen Weihrauch, außer dem Duft der Kiefernbretter und den Menschen, die angenehm nach Seife und Schweiß rochen. Brianna, zu seiner Linken, roch nach Mehl und Äpfeln, und Claire, zu seiner Rechten, trug ihren üblichen Duft nach immer anderen grünen Dingen und Blumen mit sich. Aus dem Augenwinkel sah er eine kleine Bewegung; eine Biene war auf ihrem Kopf gelandet, just über ihrem Ohr.
Sie hob geistesabwesend eine Hand, um das Kribbeln abzustreifen, doch er
fing die Hand und hielt sie ein paar Sekunden fest, bis die Biene davonflog.
Claire sah ihn an, überrascht, lächelte dann aber und richtete den Blick wieder auf das, was sich vor ihnen abspielte.
Die Ältesten sprachen, einer nach dem anderen, und legten Roger Mac die
Hände auf, die seinen Kopf berührten, seine Schultern, seine Hände. Genauso hatte der Bischof die Hände auf die jungen Priester gelegt, und Jamie hatte dieselbe Ehrfurcht empfunden, weil er begriff, was dort geschah. Hier wurde ein Wort gehalten, das schon Jahrhunderte überdauerte; hier wurde feierlich Vertrauen übertragen, dass der Mann, dem dieses Wort gegeben wurde, es ebenfalls halten würde – für immer.
Er spürte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen, und er biss sich auf die Unterlippe, um sie zurückzuhalten.
Preis sei Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus!
In seiner großen Gnade hat er uns durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine Wiedergeburt und lebendige Hoffnung geschenkt.
Herr, unser Gott, wir preisen Dich für Christus, den Herrn.
Wir preisen Dich für die Gemeinschaft der Kirche;
wir preisen Dich für den Glauben, der weitergegeben wird,
wenn eine Generation der nächsten von Deinen mächtigen Taten erzählt;
wir preisen Dich für die Anbetung auf der ganzen Welt,
wir preisen Dich für das Zeugnis und die Dienste der Heiligen im Lauf der Zeit.
Herr, unser Gott – Vater, Sohn und Heiliger Geist, wir preisen Dich.
Amen.
In Paris hatten sich die jungen Männer – es waren zwanzig gewesen; er hatte sie gezählt – in ihren weißen Gewändern mit den Gesichtern der Länge nach auf den Steinboden gelegt, die Hände über die Köpfe erhoben, und sich der Weihe überlassen. Sich hingegeben.
Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi,
Du rufst uns in Deiner Gnade,
Du erhältst uns durch Deine Macht.
Von Generation zu Generation gibt uns Deine Weisheit, was wir brauchen.
Du hast Deinen einzigen Sohn, Jesus Christus, entsandt,
Apostel und Hohepriester unseres Glaubens zu sein
und der gute Hirte unserer Seelen.
Durch Seinen Tod und Seine Auferstehung hat Er den Tod überwunden,
und nach Seiner Auffahrt in den Himmel
hat Er Seinen Geist über alle gesandt,
um manche zu Aposteln zu machen,
manche zu Propheten, manche zu Evangelisten,
um alle für das Werk der Verkündung zu rüsten
und diesen Seinen Körper zu erbauen, die Kirche.
Wir bitten Dich jetzt,
DEINEN HEILIGEN GEIST ÜBER DIESEN DEINEN DIENER AUSZUGIESSEN, Roger Jeremiah, DEN WIR NUN IN DEINEM NAMEN UND DEINEM WILLEN GEHORSAM DURCH DAS AUFLEGEN UNSERER HÄNDE ORDINIEREN, IHN
IN DAS AMT DER HEILIGEN PRIESTERSCHAFT IN DER EINEN HEILIGEN, KATHOLISCHEN UND APOSTOLISCHEN KIRCHE BERUFEN UND IHM
DIE AUTORITÄT ÜBERTRAGEN, DEIN WORT UND DEINE SAKRAMENTE AUSZUTEILEN.
Dies hier waren Presbyterianer, die nichts von großem Spektakel hielten. Roger Mac holte tief Luft und schloss die Augen, und Jamie zitterte, denn es durchbohrte ihm das Herz, zum Zeugen dieser Hingabe zu werden.
Warme Tropfen fielen auf seine Hände, die auf seinem Schoß lagen. Ehrfurchtsvolles, frohes Gemurmel stieg in der Kirche auf, und als sich Roger Mac erhob, war auch sein Gesicht von Tränen nass und leuchtete wie die Sonne.
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