dianagabaldon.com dianagabaldon.com

Vom angemessenen Umgang mit der Gewalt

Vom angemessenen Umgang mit der Gewalt

In letzter Zeit werde ich häufiger von besorgen Lesern gefragt, ob man befürchten muss, dass in der TV-Adaption meiner Bücher massenweise Köpfe rollen oder das Blut in Zeitlupe spritzen wird, so wie es im Moment in anderen Serien „Mode“ zu sein scheint.
Auf die Gefahr hin, der Meinung zu schaden, die Sie von mir haben (und ich frage lieber gar nicht, was für eine Meinung das ist 🙂 ) … bei der Veranstaltung in LA wurde ich persönlich von einem Fan darauf angesprochen, auf welche Szene(n) ich in der visuellen Fassung besonders neugierig bin. Eine ähnliche Frage war vorher schon von der Moderatorin an alle gestellt worden, aber so wie der Rhythmus solcher Veranstaltungen nun einmal ist, haben die anderen drei geantwortet, und ich kam nicht dazu. Was in Ordnung war, aber es hatte zur Folge, dass ich mir mehr als nur ein paar oberflächliche Gedanken über die Frage gemacht habe. Als sie dann an mich persönlich gerichtet wurde, habe ich mich Sam Heughan zugewandt und gesagt: Ich hoffe, du verstehst mich jetzt nicht falsch, aber ich will wirklich gern sehen, wie du vergewaltigt und gefoltert wirst.“
Nun ja, was Leute angeht, die Sex und Gewalt zu Unterhaltungszwecken benutzen … da muss ich mich wohl schuldig bekennen 🙂 . Es war ganz großes Kino, und Sams Gesichtsausdruck war unbezahlbar (man hätte den Ausdruck „total platt“ im Wörterbuch damit illustrieren können). Er war ein paar Sekunden sprachlos, dann kam ein freundliches, „äh, ja … darauf freue ich mich auch schon …“ zurück. Großes Gelächter und tosender Applaus.
Zwei Anmerkungen dazu: 1) als ich gesagt habe, „ich hoffe, du verstehst mich jetzt nicht falsch“ und er dann antwortete, „äh, ja … darauf freue ich mich auch schon …“, hatten er und ich uns ein paar Tage zuvor sehr ausführlich unter vier Augen genau darüber unterhalten und uns darüber ausgetauscht, was es handwerklich bedeutet, diese Szenen zu schreiben und sie zu spielen (er kann es wirklich kaum erwarten). Er wusste, dass ich darauf anspielte, und hatte nicht das Gefühl, dass ich ihn angreife. (Klar war es ein Überfall, aber ich wusste, dass er damit leben kann.) Und 2) wenn der Gesprächsrhythmus es zugelassen hätte, hätte ich das Publikum darauf hingewiesen, dass es gerade live mit angesehen hatte, warum ich dieses Material so besonders interessant finde.
Ich meine, sehen Sie doch, wie er darauf reagiert hat und was Ihnen (den Zuschauern) das über ihn gesagt hat: Ich habe etwas zumindest ansatzweise Verwerfliches mit ihm gemacht, und was hat er darauf getan? Ist er böse auf mich geworden? Von der Bühne gestürmt? Hat er versucht, es mir heimzuzahlen? (Nun ja, das hätte er mit Sicherheit getan, wenn ihm schnell genug etwas eingefallen wäre, aber trotzdem …) Nein. Er hat kurz überlegt und mir dann eine würdevolle und geistreiche Antwort gegeben. Und nachdem wir das gesehen haben, wissen wir jetzt vielleicht mehr über ihn als vorher; er ist selbstbeherrscht, würdevoll und professionell und hat einen großartigen Sinn für Humor.
Und wie ich vorher bei dieser Veranstaltung schon gesagt hatte, das ist der Grund, warum ich die Figuren „foltere“ (im breitesten Sinne, indem ich nämlich zulasse, dass ihnen Schlimmes widerfährt) – es ist die beste Art (in meinem Beruf), ihren Charakter zu zeigen und herauszufinden, wer sie wirklich sind.
Also. Ich habe schon ein paar Szenen aus der Serie gesehen und mich ausführlich mit Ron über alles mögliche unterhalten. Er würde weder der Idee noch der Darstellung von Gewalt jemals aus dem Weg gehen, aber er weiß auch genau, wozu sie gut ist. Er hat sowohl den Interviewern als auch den Fans schon mehrfach gesagt: „Es wird bei uns kein spritzendes Blut in Zeitlupe und keine fliegenden Köpfe geben.“ Und nach allem, was ich bis jetzt in den Drehbüchern gesehen habe, wird die Gewalt zum Großteil sehr sachlich dargestellt; sie spielt sich ziemlich genau so ab wie im Buch, als Teil einer angemessenen Darstellung des Lebens in den schottischen Highlands im achtzehnten Jahrhundert mit seinen Zusammenstößen zwischen Clans und Armeen, in der Gesellschaft und unter Individuen. Noch habe ich keine Gewalt-Szenen gesehen, die nicht auch im Buch vorkommen, und was ich gesehen habe, war eher „zeig den ersten Schuss, einen kurzen Zusammenprall der Schwerter und dann Schnitt auf jemanden, der blutüberströmt die Szene betritt“ als liebevoll mitten im Gemetzel zu verweilen.

Weiß nicht ob das hilft, aber ich wollte es zumindest gesagt haben.

–Diana