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Osternacht

Osternacht

Es ist die Osternacht, ein Gottesdienst, in dem wir Lesungen aus der Bibel hören, wie Gott sein Volk befreit (z.B. die Flucht aus Ägypten und der Weg durch das Rote Meer), die Passionsgeschichte (Jesu Verurteilung und Kreuzigung) und die Auferstehung. Katchumenen (Menschen, die Katholiken werden möchten und sich vorbereitet haben) werden getauft. Es ist eine Zeit, in der sich Schmerz mit Hoffnung und Freude mischt – das Osterfest kommt.

Ich dachte mir, für den Moment poste ist den folgenden Auszug aus „Bienen“ (aus dem Kapitel namens „Metanoia“), weil es sehr gut passt.

(Morgen bekommt ihr noch ein en neuen Text als Osterei.)

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(c) Diana Gabaldon & Barbara Schnell)

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Jemand hatte einen Stapel dieser Flugblätter auf dem Frühstückstisch liegen gelassen; sein Blick war auf eine Schlagzeile gefallen, als Germain sie an sich nahm und die Blätter zu einem ordentlichen Stapel zusammenrückte, ehe er sie in seine Tasche steckte:

DER PROZESS UND DIE HINRICHTUNG DES HENRY HUGHES

Der am zwölften Juni Anno Domini 1779 den Tod erlitt

Im Bezirksgefängnis, Horsemonger Lane, Southwark

Für sein Vergehen an EMMA COOK, einem Mädchen von erst 8 Jahren

Obwohl ihm die Exzesse der Tagespresse nicht fremd waren – die Dinge, die Fergus druckte, unterschieden sich in Bezug auf ihren Inhalt und ihre Zielsetzung kaum von der Boulevardpresse seiner eigenen Zeit –, doch eines war ihm als Besonderheit dieser Zeit ins Auge gefallen – nämlich, dass der (oder manchmal die) Verurteilte auf dem Weg zum Galgen immer von einem Geistlichen begleitet wurde. Nicht nur ein letzter Besuch unter vier Augen, um zu beten und Trost zu spenden, sondern an der Seite des Verurteilten auf den Kalvarienberg zu steigen …

Was würde ich zu ihm sagen, fragte er sich, wenn ich gerufen würde, einen Menschen zu seiner Hinrichtung zu begleiten? Gewiss hatte er schon mit angesehen, wie Menschen getötet wurden, wie sie starben; viel zu oft. Aber das war immer ein natürlicher – wenn auch manchmal plötzlicher, katastrophaler – Tod. Gewiss war es etwas anderes, wenn es ein gesunder Mensch war, kräftig und voller Leben, der damit konfrontiert war, in Kürze auf staatliche Anordnung ebendieses Lebens beraubt zu werden. Schlimmer noch, dessen Tod als öffentliches Spektakel moralischer Erbauung inszeniert werden würde.

Plötzlich begriff Roger, dass er selbst öffentlich hingerichtet worden war, und Milch und Eiertoast verrutschten bei der plötzlichen Erinnerung.

Aye, nun ja … Jesus auch, nicht wahr? Er wusste nicht, woher dieser Gedanke gekommen war – er fühlte sich an wie etwas, was Jamie sagen würde, logisch und vernünftig – doch er überschwemmte ihn auf der Stelle mit unerwarteten Gefühlen.

Es war eine Sache, Christus als Gott und Erlöser und mit anderen hehren Attributen versehen zu kennen. Es war eine andere, mit schockierender Klarheit zu begreifen, dass er – von den Nägeln einmal abgesehen – genau wusste, wie sich Jesus von Nazareth gefühlt hatte. Allein. Verraten, von Todesangst erfüllt, fortgerissen von jenen, die er liebte – und mit jedem Atom seines Seins hatte er weiterleben wollen.

Tja, nun weißt du, was du zu einem Verurteilten auf dem Weg zum Galgen sagen würdest, nicht wahr?

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