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Der zweite Sonntag im Advent

Der zweite Sonntag im Advent

Dies ist der zweite Sonntag im Advent. In dieser Zeit der inneren Einkehr besinnen wir uns auf die Dinge, die unssere Stütze sind und uns in Liebe binden: Erinnerungen an unsere Vergangenheit, die Gegenwart von Familie und Freunden in unserem Leben, Vorstellungen von unserer gemeinsamen Zukunft.

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ES DAUERTE EINEN MONAT, nicht zwei Wochen … doch als die wilden Trauben zu reifen begannen, nagelten Jamie, Roger und Brianna ein großes Stück fleckiges Segeltuch (zusammengenäht aus geretteten Stücken des beschädigten Hauptsegels einer Marineschaluppe, die in Wilmington gerade neu bestückt wurde, als Fergus zufällig über den Kai schlenderte) auf das Ständerwerk der Küche des neuen Hauses.

Wir hatten ein Dach. Für uns allein.

Ich stand lange einfach nur darunter und blickte hinauf. Lächelte. Menschen marschierten hinein und hinaus, trugen Gegenstände aus dem Unterstand herein, aus der Hütte der Higgins’, aus dem Quellenhaus, aus dem Schutz des großen Baumstamms, von oben aus dem Garten. Es erinnerte mich plötzlich und ohne Vorwarnung daran, wie es gewesen war, auf einer Expedition mit meinem Onkel Lamb ein Lager aufzuschlagen: das gleiche bunte Durcheinander von Gegenständen, guter Laune und Erleichterung, von Glück und Erwartungsfreude.

Jamie stellte den Brotschrank sanft auf den neuen Kiefernboden, um die Bretter nicht zu zerkratzen oder einzudellen.

»Vergebene Liebesmüh«, sagte er und blickte lächelnd zu mir auf. »Eine Woche, dann wird es aussehen, als hätten wir eine Schweineherde hier durchgetrieben. Warum lächelst du denn? Findest du diese Vorstellung komisch?«

»Nein, aber dich«, sagte ich, und er lachte. Er kam zu mir, legte den Arm um mich, und wir blickten beide hinauf.

Das Segeltuch leuchtete weiß, und die späte Morgensonne ließ es an den Rändern erglühen. Flüsternd hob es sich ein wenig im Wind, und die vielen

Flecken – Salzwasser, Staub und etwas, was womöglich das Blut von Fischen oder Menschen war – warfen Schatten, die rings um unsere Füße auf dem Boden schimmerten, die seichten Wasser eines neuen Lebens.

»Sieh nur«, flüsterte er in mein Ohr und stupste mit dem Kinn gegen meine Wange, um meine Blickrichtung zu ändern.

Fanny stand am anderen Ende des Zimmers und blickte zur Decke. Sie war ganz in dem schneeweißen Licht verloren und merkte nicht, wie sich Adso, der Kater, um ihre Knöchel wand, weil er auf Futter hoffte. Sie lächelte.

(Auszug aus DAS SCHWÄRMEN VON TAUSEND BIENEN, © Diana Gabaldon & Barbara Schnell. Bitte achtet das Urheberrecht und verlinkt auf diesen Beitrag, aber kopiert ihn nicht.)

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