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Alle Gute zum Muttertag!

Allen Müttern und ihren Kindern alles Gute zum Muttertag!

[Aus Outlander Band 9, Das Schwärmen von tausen Bienen, (c) Diana Gabaldon & Barbara Schnell]

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Auch die Ziegen blickten zu ihm auf, doch sie erkannten ihn und machten sich wieder über ihr Gras her, ohne mehr als mit dem Ohr zu zucken. Sie schienen das Lied zu mögen; der Regen schien sie nicht zu stören, genauso wenig wie der ferne Donner, der zunehmend lauter wurde. Seine Mutter strich das Euter mit einer kleinen Handbewegung ab und schloss mit einem zufriedenen Ende ihres Liedes. Ian applaudierte, was sämtliche Ziegen zu einem verspäteten Chor von Mäh-Lauten aufschreckte.

„Jetzt hör dich an, du kleiner Dummkopf“, sagte seine Mutter, aber in geduldigem Ton. Sie erhob sich, band die Ziege vom Pfosten los und nahm den Eimer, der bis zum Rand gefüllt war. „Hier, bring das ins Haus, aber sag Rachel, sie soll erst anfangen zu buttern, wenn das Gewitter vorbei ist. Ich weiß nicht, ob sie weiß, dass man das nicht tun soll, wenn es donnert; dann gibt es nämlich keine Butter.“

„Ich denke, sie weiß ganz gut, dass man besser nicht mit dem Butterfass in der Haustür stehen sollte, wenn es in Strömen regnet, selbst wenn keine Gefahr besteht, vom Blitz getroffen zu werden.“

„Pfff“, machte sie und zog sich ihr Schultertuch über den Kopf. Doch kaum hatte sie das getan, als sich der Regen abrupt in Hagel verwandelte. „Oha“, sagte sie, und ihre Finger zeigten Hörner. „Geh jetzt nicht da hinaus; es schlägt dir noch das Hirn zu Brei.“

Denkbar, dass sie noch etwas über die jetzige Qualität seines Hirns anfügte, doch es war unmöglich, auch nur noch ein Wort zu hören. Hagelkörner so groß wie Schweinshaxen donnerten auf das Blechdach, prallten ab und rollten in das grüne Gras vor dem offenen Schuppen. Er stellte den Eimer an die Wand, wo er nicht umgeworfen werden konnte, dann sah er seine Mutter mit hochgezogener Augenbraue an, verschränkte die Arme und lehnte sich an einen Balken, bereit zu warten. Er hatte sich zu diesem Gespräch durchgerungen, und er würde es nicht noch einmal tun. Er wollte es hinter sich bringen; er hatte keine Zeit für Wankelmut.

Die Ziegen wanderten – nach Art der Ziegen – zu ihm herüber und fingen an, ihn vertraulich mit den Nasen nach losen Gegenständen abzusuchen. Doch abgesehen von seinem Hemdschoß, den er schon gerafft in der Hand hielt, gab es nichts, was sie interessiert hätte. Trotz der offenen Vorderseite des Stalls und des kalten Sturmhauchs war es angenehm warm zwischen den neugierigen, haarigen Körpern, und er spürte, wie seine Nervosität angesichts der bevorstehenden Unterhaltung ein wenig nachließ.

Seine Mutter kam herüber und stellte sich neben die Ziege, die ihn am Hintern stupste. Seine Mutter blickte zufrieden in das Gewitter hinaus und kraulte die Ziege zwischen den Ohren. Die Aussicht war herrlich; sie hatte die Stelle für ihren Ziegenstall selbst ausgesucht, und er hatte ihn so gebaut, dass sie durch eine breite Lücke zwischen den Bäumen blicken und den Roan Mountain in der Ferne sehen konnte – im Moment sehr dramatisch, denn sein Gipfel verschwand in drohenden schwarzen Wolken, die Funken und Blitze spuckten. Während sie hinsahen, zerteilte ein gewaltiger Blitzschlag Himmel und Luft, und der blendende Knall ließ ihn und alle Ziegen zurückfahren.

Doch als wäre der Blitz ein Signal gewesen, hörte der Hagel auf, und es regnete wieder, ruhiger als zuvor.

„Es sieht aus wie das Clanwappen der MacKenzies, nicht wahr?“, bemerkte seine Mutter und wies kopfnickend auf den fernen Berg. „Mit Feuer übersät.“ Tatsächlich stiegen drei kleine Rauchsäulen von den tieferliegenden Hängen auf, wo der Blitz etwas Brennbares getroffen hatte. Keine Gefahr; bei so viel Regen würde es nicht lange genug brennen, um ernst zu werden.

„Ich habe das Wappen noch nie gesehen“, sagte er. „Ein Berg, oder? Mit Feuern?“

Sie blickte überrascht zu ihm auf, doch dann nickte sie. „Aye, das habe ich ganz vergessen. Das war alles schon Vergangenheit, ehe du laufen konntest.“ Ihr Mund spannte sich an, aber nur kurz. „Hat dein Pa dir je das Motto der Murrays gesagt?“

„Aye, aber ich weiß nicht mehr viel … irgendetwas mit Fesseln, oder?“

„Fort, Fortune, und füllt die Fesseln“, sagte sie knapp. „Zieht los und seht zu, dass ihr mit Gold und Gefangenen zurückkommt.“

Er musste lachen.

„Ein kriegerischer Haufen, wie? Die Murrays?“

Sie zuckte mit den Schultern.

„Nicht, dass es mir aufgefallen wäre, aber dein Pa ist immerhin als junger Mann Söldner gewesen. Und dein Onkel Jamie auch.“ Ihr Mund zuckte. „Das Fraser-Motto hat dir Jamie ja sicher mehr als einmal gesagt. Je suis prest?“

„Das hat er.“ Ian lächelte ein wenig reumütig. „Ich bin bereit.“

Seine Mutter lächelte und blickte zu ihm auf. Das Tuch war ihr zurück auf die Schultern gerutscht, und ihr zusammengebundenes Haar glänzte wie polierter Stahl im Regenlicht.

„Aye. Nun, es gibt ein zweites Murray-Motto – das erste hat der Herzog von Atholl erdacht, die blutrünstige alte Kreatur – aber das zweite ist besser: Tout prest.“

„Ganz bereit?“

„Aye. Daran habe ich hin und wieder gedacht, als sie in Frankreich waren. Je suis prest … Tout prest. Und ich habe jede Nacht zur Jungfrau gebetet, dass sie es waren. Bereit, meine ich.“ Sie verstummte, und ihre Hand ruhte auf dem braunweißen Kopf der Ziege.

Einen besseren Moment würde er nicht finden.

„Was das Bereitsein betrifft, Mama …“ Sein Unterton entging ihr nicht, und sie sah ihn scharf an.

„Aye?“

„Ich habe mit Barney Chisholm gesprochen. Du bist eingeladen, bei ihm und Christina zu wohnen, solange … solange wir fort sind. Rachel und ich“, fügte er hinzu und schluckte. „Wir gehen nach Norden und suchen nach … nach …“

„… deiner Indianerfrau?“, fragte sie trocken. „Mach dir keine Umstände, ich habe schon die MacDonald-Mädchen gebeten, sich um die Ziegen zu kümmern.“

„Du … was?“ Er fühlte sich, als hätte sie einen Fuß ausgestreckt und ihn zu Fall gebracht. Leicht enerviert sah sie ihn an.

„Du denkst doch nicht, dass ich zulasse, dass dir Rachel mitten durch einen Krieg folgt, zusammen mit eurem Lümmel von einem Kind?“

„Aber …“ Die Worte erstarben ihm in der Kehle. Er kannte seine Mutter gut genug, um zu sehen, dass sie es ernst meinte. Und was auch immer die Frasers sagten, wie ihr Motto lautete, er wusste sehr wohl, dass es genauso gut Stur wie ein Felsbrocken hätte sein können. Er hatte diese Miene oft genug in Onkel Jamies Gesicht gesehen, um sie auch jetzt zu erkennen.

„Außerdem“, fügte sie hinzu und schob die Nase der Ziege von den Fransen ihres Schultertuchs fort, „glaube ich zwar nicht, dass du bei den Mohawk viel Gold finden wirst, aber es wäre mir lieber, wenn du nicht selbst in Fesseln bei den Rotröcken im Gefängnis landen würdest.“

Ihm blieb nicht viel mehr übrig als zu lachen. Doch er machte noch einen letzten Versuch, nur um seinem Pa sagen zu können, dass er es getan hatte.

„Meinst du, Pa würde zulassen, dass du so etwas Dummes tust?“

„Ich sehe nicht, dass er da viel zu sagen hätte“, sagte sie mit einem einseitigen Schulterzucken. „Hier, nimm das.“ Sie reichte ihm den vollen Eimer und bückte sich nach dem anderen. „Außerdem würde er nicht versuchen, mich aufzuhalten; der kleine Oggy ist sein Blut, genauso wie meins. Ian Mhor wird an meiner Seite sein, jeden Schritt des Weges.“

Ian schluckte einen kleinen Kloß im Hals herunter, empfand aber Neugier zusammen mit erinnertem Schmerz.

„Du spürst Pa bei dir?“, fragte er. „Ich … tue es. Manchmal.“

Seine Mutter reichte ihm den zweiten Eimer und öffnete das Tor an der Vorderseite des Stalls. Der Regen hatte nachgelassen, und die Luft ringsum schimmerte silbern im grauen Licht.

„Man hört doch nicht auf, jemanden zu lieben, nur weil er tot ist“, sagte sie tadelnd. „Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er aufhört, uns zu lieben.“

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Danke an Maria Malen aus Finnland für die Hummel 🙂

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