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Wie eine Adaption funktioniert: Logistik und Testikel

Wie eine Adaption funktioniert: Logistik und Testikel

Die meisten Leute waren – völlig zu Recht – begeistert von der achten Folge der ersten Staffel, die ist hier als Beispiel benutzen möchte, aber einige waren auch bestürzt, weil sie meinten, es fehlt Einiges, zum Beispiel:
Zwiegespräche zwischen Jamie und Claire
Mehr intime Szenen
Claire, wie sie Leute zusammenflickt und heilt
Und ganz besonders … die „Nixenkraut“-Szene nach dem Überfall der Grants
(Ein Zuschauer meinte auch, wir hätten sehen sollen, wie die Rotröcke Claire nachschleichen, statt sie so abrupt auftauchen zu lassen, als sie die Hand nach dem Stein ausstreckt.)
Und es gab einige Fragen zu der Szene mit den Deserteuren – vor allem, ob Claire tatsächlich vergewaltigt worden ist (und falls ja, was für ein Trottel Jamie ist, sich lieber mit Dougal zu unterhalten als sie zärtlich in den Armen zu wiegen und zu trösten etc.)
OK.
Wie ich einem dieser Zuschauer erwidert habe: „Tja … Ihre Anmerkungen zielen genau auf den größten Unterschied zwischen Buch und Fernsehen: Zeit. ALL diese Dinge, die Sie gern gesehen hätten – mehr Zweisamkeit zwischen Jamie und Claire, mehr intime Szenen, in denen sich ihre Beziehung entwickelt, Claire als Heilerin etc. – ALL das sind Dinge, die größere Mengen Zeit in Anspruch nehmen würden (in einer solchen TV-Folge ist alles über 60 Sekunden eine größere Menge Zeit). Nichts davon ist ‚Action‘, nichts davon treibt die Handlung gezielt voran. Für die Folge stehen 52 bis 55 Minuten zur Verfügung, in denen alles Nötige geschehen muss. Es ist keine Zeit für ein nettes-aber-nicht-essentielles ‚Oh, Moment, ich muss mir einen Überblick über alle Verletzungen verschaffen, Angus die verbrannte Hand verbinden und Ned Gowan den Zahn wieder einsetzen‘ oder ein ‚O mein Gott, ich weiß ja, dass wir gerade erst Sex hatten, aber lass es uns noch einmal tun.‘ Kurz gesagt: Wenn Sie mehr von diesen Dingen möchten – können Sie sie haben. Im Buch.“
Eine erfolgreiche Adaption ist immer ein Balanceakt zwischen den Erfordernissen der Handlung und den Zwängen des Formats. Wie Andrew Marvell „An seine spröde Geliebte“ schreibt: „Hätten wir Welt genug und Zeit, Kein Fehl wär deine Sprödigkeit …“ In einem Roman HABE ich Welt und Zeit; im Großen und Ganzen, so viel ich will. Ich kann die Geschichte so gestalten, dass sie meinen persönlichen Vorstellungen von Tempo, Rhythmus, Fokus und Klimax entspricht. Das können ein Produzent und seine Drehbuchautoren zwar auch – aber ihnen fehlen Welt und Zeit. Sie müssen entscheiden, was essentiell ist, und die Geschichte dann der verfügbaren Zeit und der Notwendigkeit anpassen, jeder 55-Minuten-Folge einen zufriedenstellenden Handlungsbogen zu geben.
Also … (als Antwort auf die Person, die sich über das abrupte Auftauchen der Rotröcke beschwert hat):
„Aber … die Rotröcke sind doch im Buch auch ‚aus dem Nichts‘ gekommen, als sie Claire aus dem Bach ziehen. Es ist nicht so, dass sie nicht ‚da‘ sind – es ist so, dass Claire sie in beiden Fällen nicht sieht, weiß sie sich so ganz und gar auf ihr Ziel konzentriert … und wir sind in ihrem Kopf, also sehen wir sie auch nicht.
Zu zeigen, wie sich die Soldaten von der Seite anschleichen, während sich Claire den Hügel hinauf kämpft, hätte der Szene eine andere Art von Spannung verliehen – aber es hätte vom zunehmenden Gefühl verzweifelter Hoffnung zwischen Claire und Frank abgelenkt. Und das ist es, worum es in der Szene eigentlich geht.
Wissen Sie, eines der wichtigsten Werkzeuge guten Erzählens ist Fokus; es zu schaffen, dass der Leser/Zuschauer seinen Blick in die Richtung wendet, wohin man es möchte. Und die physischen Umstände spielen da eigentlich nur eine ziemlich kleine Rolle. Es mag ja logisch sein, dass sich X hier oder dort befindet – aber es ist nicht relevant, also zeigt man es nicht. Q.E.D. :-)“
Eigentlich ist der Fokus das bestimmende Element dieser Szene; er diktiert die Abweichungen vom Buch. Mehrere Zuschauer haben ihre Enttäuschung darüber zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht zu sehen bekamen, wie Claire ins Wasser fällt und von den Rotröcken herausgezogen wird. Das wäre ja vielleicht amüsant gewesen, aber eigentlich hätte es nur eine Unterbrechung auf ihrem unbeirrten Weg zu den Steinen – und letztlich in Hauptmann Randalls Klauen – bedeutet. Durch die Art, wie es stattdessen gedreht wurde, wird dasselbe Ziel in der Handlung erreicht – gleichzeitig aber mit einer starken, dramatischen Betonung ihrer Sehnsucht nach Frank und seiner Sehnsucht nach ihr. Die adaptierte Version geht also nicht auf Kosten des Originals; sie bereichert es sogar und schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe, indem sie die Handlung UND die Charaktere voran bringt und uns die Hintergrundgeschichte noch einmal in Erinnerung ruft.
Als Ron und ich uns in New York zum ersten Outlander-Fan-Event getroffen haben, sind wir im selben Taxi gefahren und hatten während der langen Fahrt Zeit, uns über die Bücher zu unterhalten. Ich habe ihm gesagt, warum die Blumen auf dem Craigh na Dun Vergeißmeinnicht sind und warum der Geist da ist (und nein, Ihnen erzähle ich das nicht; Sie werden es herausfinden, wenn die Zeit gekommen ist 🙂  ), und er hat mir von seiner Idee mit dieser Szene erzählt, in der sich Claire und Frank von beiden Seiten den Steinen nähern. Ich fand die Idee toll und habe ihm das auch gesagt.
Das ist nämlich etwas, was ich im Buch nicht hätte machen können, weil es vollständig aus Claires Blickwinkel erzählt ist. Wir können einfach nicht sehen, was Frank nach Claires Verschwinden tut und durchmacht. Im Buch halte ich Claires Sorge um Frank und ihre Liebe zu ihm wach, indem ich sie hin und wieder an ihn denken und um ihn trauern lasse – aber das geht alles in ihrem Inneren vor; in einem visuellen Medium lassen sich innere Monologe nur durch Kommentare aus dem Off realisieren, und ich denke, Sie sind alle meiner Meinung, dass man diese Technik besser so sparsam wie möglich einsetzen sollte …
Dafür ist es in einem visuellen Medium einfach, die Zeit, den Ort und die Perspektive zu wechseln; ein Schnitt, und man ist da. Gleichzeitig ist es aufgrund der begrenzten Zeit einfacher, die Erzählperspektiven gegeneinander auszubalancieren.
Es ist zwar technisch möglich, im selben Buch mehrere Erzählperspektiven zu verwenden (einer meiner Lektoren hat sogar einmal eine Passage aus „Ein Schatten …“ mit dem Worten kommentiert: „Herzlichen Glückwunsch … was Du da gerade bewerkstelligt hast, ist, glaube ich, das literarische Äquivalent eines Jonglage-Akts mit einem halben Dutzend Kettensägen.“) – aber „Feuer und Stein“ war mein erstes Buch; ich habe es geschrieben, um Erfahrung zu sammeln, und ich war nicht darauf aus, so kompliziert wie möglich vorzugehen. Hätte ich in einem Buch dieses Umfangs Rückblenden auf Franks Leben benutzt, wären sie entweder überwältigend geraten oder triviale Ablenkungsmanöver gewesen. Im Zusammenhang einer 55-minütigen TV-Episode dagegen bilden sie ein wunderbares Gegengewicht zu Claires Leben im achtzehnten Jahrhundert.
Außerdem hat es etwas derart Unmittelbares an sich, Frank agieren zu SEHEN, dass man nicht anders kann, als mit ihm und seiner Geschichte zu fühlen. Vermutlich wäre ich HEUTE im Stande, so etwas auch auf dem Papier wirkungsvoll hinzubekommen, aber als ich „Feuer und Stein“ geschrieben habe, war ich es nicht (und es wäre mir auch nicht in den Sinn gekommen; ich wollte Jamie und das achtzehnte Jahrhundert im Mittelpunkt haben, sowohl, weil dort die Action war, als auch, damit sich der Leser gemeinsam mit Claire in Jamie verliebte, um ihre späteren Entscheidungen verstehen zu können. Doch so sehr die visuelle Version den Zuschauer an Frank bindet, sie bindet ihn auch an Jamie – oder haben wir nach der Hochzeitsfolge etwa irgendwelche Zweifel daran, dass Claire dabei ist, sich in ihn zu verlieben?).
Ein visuelles Medium ist schneller. Man braucht keine längeren Anläufe wie im Text, weil die Bilder viel unmittelbarer wirken und die Zuschauer sie leichter emotional aufnehmen können.
OK, kommen wir also zu der Szene mit den Deserteuren und ihren Folgen …
Wer das Buch gelesen hat (und es noch im Gedächtnis hat 🙂  ), weiß, dass es bei der versuchten Vergewaltigung bleibt. Claire hat ihren Angreifer um den Hals gepackt, während er um, äh, Kontakt kämpfte, sie hat ihn zu sich herunter gezogen und ihm ihr Messer in die Niere gerammt – aber die Penetration ist ihm nicht gelungen.
Wer die Geschichte nur aus dem TV kennt, hatte vermutlich eher den Eindruck, dass es ihm gelungen ist. Dies ist eine der Szenen, in denen sich die Handlung des Buches nicht angemessen darstellen lässt. Im Buch ist es absolut klar, weil wir uns in Claires Kopf befinden und WISSEN, was sie empfindet und erlebt. Aber die Kamera kann ihr ja nicht unter den Rock kriechen – und wenn man nicht eine Dialogzeile schreiben will, in der Claire zu Jamie sagt, keine Sorge, er ist nicht durchgedrungen … (was nicht nur furchtbar plump wäre, sondern auch den Schock und die Verstörung zunichte machen würden, die sie – ebenso wie der Zuschauer – empfindet) … kann man für den Zuschauer keine Eindeutigkeit schaffen, und er muss seine eigenen Schlüsse ziehen.
Ähnliches gilt für die „Nixenkraut“-Szene. Das ist eine Szene im Buch, die zwischen dem Kampf mit den Grants und der Szene am Morgen liegt, in der die Männer Claire in der Kunst des Tötens unterweisen. Es ist eine sehr plastische Szene (so plastisch, dass mich der britische Herausgeber gebeten hat, sie aus dem Buch zu streichen, weil man sie für die Leser „zu drastisch“ fand *hust. Den relevanten Teil der Szene finden Sie am Ende dieses Eintrags, damit Sie wissen, wovon die Rede ist), die sich ins Gedächtnis prägt, so dass sich viele Leser darüber beklagt haben, dass sie in der entsprechenden TV-Folge fehlt.
Ich habe nicht mit dem Produktionsteam über den Entschluss diskutiert, die Szene auszulassen, weil ich nicht mit Kleinigkeiten nerven möchte und weil ich verstehen konnte, WARUM man sie ausgelassen hat:
1. Bringt sie die Handlung nicht voran und hat auch nichts mit Charakterentwicklung zu tun. Sie unterstreicht Claires und Jamies Bedürfnis nach der Nähe des anderen, doch das tun viele andere Szenen auch (eine davon sehen wir innerhalb der nächsten fünf Minuten). Ergo ist sie nicht unbedingt notwendig. (Diese Überlegung war auch der Grund, warum ich widerstrebend zugestimmt habe, sie aus der britischen Ausgabe zu streichen. Ihr Fehlen schadet der Struktur der Handlung nicht und enthält uns nichts vor, was wir unbedingt brauchen. Sie ist eine von nur zwei Szenen in „Feuer und Stein“, die strukturell ohne Zusammenhang ist – die andere ist die Szene mit dem Ungeheuer von Loch Ness.)
2. Siehe, was ich oben zum Thema Zeit gesagt habe. Diese Szene mitzunehmen, hätte bedeutet, dass man etwas anderes weglässt, und eigentlich ist alles an dieser Folge für die Zwecke der Produzenten unabdingbar.
3. Die Szene wäre im Film nicht annähernd so wirkungsvoll gewesen wie im Buch – und das liegt an Claires subjektiven Empfindungen. Den Großteil dessen, was sie fühlt, kann man nicht zeigen, ohne dass es pornografisch wird (und selbst dann ist es unmöglich zu zeigen, wie sich die Hoden eines Mannes beim Orgasmus zusammenziehen, ganz gleich, wie weit der Schauspieler bei der Berufsausübung zu gehen bereit ist). Aber im Text kann man es lebhaft und direkt beschreiben, ohne dass es geschmacklos wird. Ohne Claires subjektive Anmerkungen fehlen der Szene sowohl die tiefe Intimität als auch die sinnliche Intensität der Buch-Version; es ist nur eine weitere Sex-Szene (wenn auch zugegebenermaßen eine mit ganz lustigen Dialogen). Und es gibt zwar Serien, die vermutlich bewusst mit wiederholten Sex-Szenen arbeiten, weil sich die Leute das ansehen … aber die Macher von „Outlander“ halten nichts von dieser Masche. Jede Sex-Szene, die Sie sehen, hat entweder emotionale Bedeutung, oder sie ist wichtig für die Handlung.

–Diana

Aus: „Outlander – Feuer und Stein“

Ich drehte mich um und legte ihm die Arme um den Hals.
„Nicht so stolz wie ich es war. Du warst wunderbar, Jamie. So etwas habe ich noch nie gesehen.“
Er prustete zwar bescheiden, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, dass er sich freute.
„Es war doch nur ein Diebeszug, Sassenach. So etwas mache ich schon, seit ich vierzehn bin. Es ist ja nur Spaß; es ist etwas anderes, wenn man jemandem gegenüber steht, der einen wirklich umbringen will.“
„Spaß“, sagte ich ein wenig schwach. „Ja, natürlich.“
Seine Arme legten sich fester um mich, und eine der streichelnden Hände wanderte in die Tiefe und begann, mir den Rock hochzuziehen. Die Aufregung des Kampfes war eindeutig dabei, in eine andere Art von Erregung umzuschlagen.
„Jamie! Doch nicht hier!“, sagte ich. Ich wand mich und zog mir den Rock wieder zurecht.
„Bist du müde, Sassenach?“, fragte er mitfühlend. „Keine Sorge, ich brauche nicht lange.“ Jetzt waren beide Hände zugange und ruckten an dem schweren Stoff.
„Nein!“, erwiderte ich, denn zu sehr war ich mir der zwanzig Männer bewusst, die ein paar Meter weiter lagen. „Ich bin nicht müde, es ist nur …“ Ich keuchte, als seine tastende Hand den Weg zwischen meine Beine fand.
„Himmel“, sagte er leise. „Schlüpfrig wie Nixenkraut.“
„Jamie! Neben uns schlafen zwanzig Mann!“, ermahnte ich ihn flüsternd.
„Sie schlafen nicht mehr lange, wenn du nicht aufhörst zu reden.“ Er wälzte sich auf mich und heftete mich auf dem Felsen fest. Sein Knie schob sich zwischen meine Oberschenkel und begann, sich sacht hin und her zu bewegen. Allen Umständen zum Trotz gehorchten mir meine Beine nicht. Siebenundzwanzig Jahre Anstand hatten keine Chance gehen mehrere hunderttausend Jahre Instinkt. Mein Kopf mochte zwar etwas dagegen haben, in der Nähe mehrerer schlafender Soldaten auf einem nackten Felsen genommen zu werden, aber mein Körper betrachtete sich eindeutig als Kriegsbeute und konnte die Kapitulation nicht erwarten. Er küsste mich ausgiebig, und seine sanfte Zunge wanderte durch meinen Mund.
„Jamie“, keuchte ich. Er schob seinen Kilt beiseite und presste meine Hand an sich.
„Grundgütiger“, sagte ich unwillkürlich beeindruckt. Mein Anstandsgefühl schwand weiter dahin.
„Von einem solchen Kampf bekommt man einen fürchterlichen Ständer. Du willst mich doch, oder?“, sagte er und wich ein wenig zurück, um mich anzusehen. Angesichts der Umstände schien jedes Leugnen zwecklos. Er lag hart wie ein Messingrohr an meinem entblößten Oberschenkel.
„Äh … ja … aber …“
Er packte mich mit beiden Händen an den Schultern.
„Sei still, Sassenach“, sagte er in einem Ton, der keine Widerrede duldete. „Es wird nicht lange dauern.“
So war es auch. Meine Klimax begann mit dem ersten machtvollen Stoß, durchdringend und krampfhaft. Ich grub meine Finger fest in seinen Rücken und hielt mich fest, während ich in den Stoff seines Hemdes biss, um die Geräusche zu dämpfen. Nach wenigen Bewegungen spürte ich, wie sich seine Hoden zusammenzogen und ihn die warme Flut befreite. Er ließ sich langsam zur Seite sinken und blieb zitternd liegen.
Das Blut hämmerte mir immer noch in den Ohren, ein Echo des schwächer werden Pulsschlags zwischen meinen Beinen. Jamies Hand lag erschlafft und schwer auf meiner Brust. Als ich den Kopf wandte, konnte ich den schwachen Umriss des Wachtpostens sehen, der auf der anderen Seite des Feuers an einem Felsen lehnte. Er hatte uns taktvoll den Rücken zugekehrt. Ein wenig schockiert stellte ich fest, dass ich nicht einmal verlegen war. Ich fragte mich dumpf, ob ich es wohl am Morgen sein würde, und dann fragte ich mich gar nichts mehr.

© 2016 Diana Gabaldon & Barbara Schnell. Bitte verlinkt auf diesen Beitrag, aber kopiert ihn nicht.