Rücken an Rücken – Seite an Seite: Schwertkampf für Linkshänder
Kurz nachdem Sam Heughan im Sommer 2013 die Zusage bekommen hatte, dass er in der Outlander-Verfilmung Jamie spielen würde, hat er mich gefragt, warum Jamie in den Büchern Linkshänder ist. Er selbst ist Rechtshänder, und am Ende ist diese Facette von Jamies Charakter in der TV-Serie „aus technischen Gründen“ weggefallen und Jamie ebenfalls zum Rechtshänder geworden.
Die Antwort, die mit Dougal MacKenzie zu tun hat, steht hier.
Aber neben Dougal gibt es noch einen weiteren Menschen, der Jamie bei seinen Kämpfen als Linkshänder – buchstäblich – zur Seite gestanden hat. Es ist sein Freund und späterer Schwager Ian Murray. In Die geliehene Zeit erzählt Jamies Schwester Jenny Claire davon:
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„Einen schönen kräftigen Jungen hast du da“, bemerkte ich an Jenny gewandt, die ihren Nähkorb nach einem Knopf durchsuchte. Sie hob den Kopf, sah, wohin mein Blick gerichtet war, und lächelte.
„Oh, aye, Jamie ist ein guter Junge.“ Sie trat zu mir ans Fenster und blickte auf das Spiel hinaus.
„Er ist das Spiegelbild seines Vaters“, stellte sie liebevoll fest, „aber ich glaube, er wird um einiges breitschultriger werden. Vermutlich wird er so kräftig wie sein Onkel; siehst du seine Beine?“ Vermutlich hatte sie Recht; mit fast vier war er noch rundlich und kompakt wie ein Kleinkind, doch seine Beine waren lang und sein kleiner Rücken breit und gut bemuskelt. Er hatte die langen, eleganten Knochen seines Onkels und dieselbe Ausstrahlung wie sein größerer Namensvetter, als sei er aus zäherem und elastischerem Stoff als bloßem Fleisch und Blut gemacht.
Ich sah, wie sich der kleine Junge auf den Ball stürzte, ihn zielsicher auffing und ihn so fest warf, dass er an Rabbie MacNabs Kopf vorbei flog. Rabbie rannte lautstark los, um ihn zurückzuholen.
„Es ist noch etwas anderes wie bei seinem Onkel“, sagte ich. „Ich glaube, er wird vielleicht auch Linkshänder.“
„O Gott!“, sagte Jenny und betrachtete ihren Sprössling mit gerunzelter Stirn. „Ich hoffe es nicht, aber du könntest recht haben.“ Sie schüttelte den Kopf und seufzte.
„Himmel, wenn ich daran denke, was für Schwierigkeiten Jamie dadurch hatte! Alle haben mit Gewalt versucht, es ihm abzugewöhnen, von meinen Eltern bis zum Schulmeister, aber er war immer schon stur wie ein Esel und war nicht davon abzubringen. Zumindest alle außer Ians Vater“, fügte sie nachträglich hinzu.
„Er fand es nicht falsch, Linkshänder zu sein?“, fragte ich neugierig, denn ich wusste ja, dass in dieser Zeit die Meinung vorherrschte, dass Linkshändigkeit bestenfalls Pech und schlimmstenfalls ein Symptom dämonischer Besessenheit war. Jamie schrieb – unter Schwierigkeiten – mit rechts, weil er in der Schule regelmäßig geschlagen worden war, wenn er mit der Linken nach dem Stift griff.
Jenny schüttelte den Kopf, und ihre schwarzen Locken hüpften unter dem Häubchen.
„Nein, er war ein eigensinniger Mann, der alte John Murray. Er hat gesagt, wenn der Herr sich entschieden hätte, Jamies linken Arm zu stärken, wäre es eine Sünde, das Geschenk zu missachten. Und er war ein Schwertkämpfer, wie man ihn nicht oft findet, der alte John, also hat mein Vater auf ihn gehört, und Jamie durfte lernen, mit links zu kämpfen.“
„Ich dachte, Dougal MacKenzie hätte Jamie beigebracht, mit links zu kämpfen“, sagte ich. Ich fragte mich sehr, was Jenny von ihrem Onkel Dougal hielt.
Sie nickte und leckte am Ende ihres Fadens, ehe sie ihn mit einer schnellen Bewegung durch ihr Nadelöhr stieß.
„Aye, aber das war später, als Jamie schon größer war und als Ziehsohn zu Dougal gegangen ist. Es war Ians Vater, der ihm die Anfänge beigebracht hat.“ Sie lächelte, ohne den Blick von dem Hemd auf ihrem Schoß zu heben.
„Ich weiß noch, wie sie klein waren und der alte John zu Ian gesagt hat, es wäre seine Aufgabe, Jamie zur Rechten zu stehen, denn er müsste seinem Anführer im Kampf die schwächere Seite freihalten. Und das hat er auch getan – die beiden haben das sehr ernst genommen. Und der alte John hat anscheinend recht gehabt“, fügte sie hinzu, während sie das Fadenende abschnitt. „Nach einer Weile wollte niemand mehr gegen sie antreten, nicht einmal die MacNabs. Jamie und Ian waren beide groß und gute Kämpfer, und wenn sie Schulter an Schulter standen, waren sie unbesiegbar, selbst wenn sie in der Unterzahl waren.“
Sie lachte plötzlich und strich sich eine Locke hinter das Ohr.
„Beobachte sie einmal, wenn sie zusammen über die Felder gehen. Ich glaube nicht, dass ihnen bewusst ist, dass sie es immer noch tun, aber so ist es. Jamie geht immer links, so dass Ian seinen Platz an seiner Rechten einnehmen und seine schwächere Seite sichern kann.“
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