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Trevor Carroll – Otterzahn

Trevor Carroll ist Otterzahn

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Er war allein und unbewaffnet. Er hatte keine Chance, und er wusste es. Aber er stellte sich ihnen dennoch entgegen – und er redete. Selbst nachdem einer der Männer seinen Mund mit einem Keulenhieb getroffen hatte, sprach er trotz des Blutes, spuckte die Worte mit seinen zertrümmerten Zähnen aus.
»Er war ein tapferer Mann«, sagte sie sinnierend. »Er hat nicht gebettelt. Er hat dieselben Dinge wie zuvor zu ihnen gesagt, aber mein Bruder hat gesagt, diesmal war es anders. Vorher war er so heiß wie Feuer gewesen; im Sterben war er so kalt wie Schnee – und weil sie so kalt waren, jagten seine Worte den Kriegern Angst und Schrecken ein. Auch, als der Fremde schon tot im Schnee lag, schienen seine Worte den Kriegern weiter in den Ohren zu klingen. Sie legten sich schlafen, doch seine Stimme sprach in ihren Träumen zu ihnen und hielt sie wach. Ihr werdet in Vergessenheit geraten. Es wird die Nationen der Irokesen nicht mehr geben. Niemand wird mehr eure Geschichten erzählen. Alles, was ihr seid und gewesen seid, wird verlorengehen. Sie wandten sich heimwärts, doch seine Stimme folgte ihnen. Nachts konnten sie nicht schlafen, weil sie seine bösen Worte im Ohr hatten. Tagsüber hörten sie Schreie und Flüstern aus den Bäumen an ihrem Weg. Manche von ihnen sagten, es seien nur die Rufe der Raben, aber andere sagten, nein, sie hörten ihn deutlich. Schließlich, so sagte mein Bruder, war klar, dass dieser Mann ein Zauberer war.«
Die Alte sah mich scharf an. Je suis une sorcière, hatte ich gesagt. Ich schluckte, und meine Hand fuhr zu dem Amulett an meinem Hals.

Nach dem Ende ihrer Erzählung lehnte sich die alte Frau in ihre Felle zurück und beobachtete mich voller Spekulation. Ihr Blick ruhte auf dem Amulett um meinen Hals.
»Warum hat er zu Euch gesprochen? Warum hat er Euch das gegeben?« Sie wies kopfnickend auf meine Hand, und meine Finger schlossen sich instinktiv um den gerundeten Opal.
»Ich weiß es nicht«, sagte ich, aber sie hatte mich überrumpelt; ich hatte keine Zeit gehabt, mein Gesicht vorzubereiten.
Sie fixierte mich mit einem durchdringenden Blick. Sie wusste genau, dass ich log – und doch, wie hätte ich ihr die Wahrheit sagen sollen? Ihr sagen sollen, was Otterzahn – wie auch immer er wirklich hieß – gewesen war? Ganz zu schweigen davon, dass seine Prophezeiungen wahr waren?
»Ich glaube, er gehörte vielleicht zu meiner … Familie«, sagte ich schließlich und erinnerte mich daran, was mir Pollyanne über die Geister der Vorfahren erzählt hatte. Es war nicht zu sagen, woher – oder aus welcher Zeit – er gekommen war; ich nahm an, dass er ein Vorfahr oder ein Nachkomme sein musste. Wenn nicht von mir, dann von jemandem wie mir.
Bei diesen Worten setzte sich Tewaktenyonh kerzengerade auf und sah mich erstaunt an. Langsam verblasste der Ausdruck, und sie nickte.
»Er hat Euch zu mir geschickt, damit Ihr dies hört. Er hatte unrecht«, erklärte sie selbstsicher. »Mein Bruder hat gesagt, wir sollten nicht von ihm sprechen; wir sollten ihn dem Vergessen anheimfallen lassen. Aber niemand ist vergessen, solange es noch zwei Menschen unter dem Himmel gibt. Einen, um seine Geschichte zu erzählen, den anderen, um sie zu hören. Also.«
Sie streckte die Hand aus und berührte die meine, achtete aber darauf, nicht an den Stein zu kommen. Das feuchte Glitzern in ihren Augen hätte vom Tabakrauch stammen können.
»Ich bin der eine. Ihr der andere. Er ist unvergessen.

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