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Noch 18 Tage / Daily Lines

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Auch die Nacht war mild und feucht, und Frühjahrskühle zitterte in der Luft. Grey lag in seinen Umhang gehüllt in einer flachen Mulde, die von dichtem Gras und kleinen, sternförmigen Blumen in eine rustikale Liege verwandelt wurde, und fragte sich, ob wohl sein Ende nahte.
Sie waren unterwegs von der Nacht überrascht worden, und während sie noch darüber debattierten, ob es klüger sein würde bis zur nächsten Ansiedlung weiter zu reiten oder zur letzten Wegkreuzung zurückzukehren, um dort vielleicht in einer Kate Unterschlupf für die Nacht zu finden, hatte Quinn gemeint, da es ja nicht regne, könnten sie es schlechter antreffen als im Schutz eines nahe gelegenen turtheachs.
Seit sie Dublin verlassen hatten, waren sie schon mehrfach an solchen verfallenen Wohntürmen vorüber gekommen, hoch aufragende, trostlose Überbleibsel aus dem Mittelalter. Jetzt waren es nur noch zerfallende Außenhüllen ohne Dächer, schwarz vor Feuchtigkeit, und das Efeu, das an ihren Mauern emporkletterte, war das einzige Lebenszeichen. Mit diesem Turm verhielt es sich kaum anders – doch er hatte einen Brunnen, und das war der Hauptgrund für Quinns Empfehlung, da sie das Ale, das Tom ihnen eingepackt hatte, inzwischen ausgetrunken hatten.
Der Brunnen, der von einen kleinen Kreis aus Steinen umringt war, befand sich gleich im Inneren der Turmmauer. Jamie Fraser hatte eine Kordel an seine Trinkflasche gebunden und sie in das dunkle Wasser hinunter gesenkt, das sich fast zwei Meter unter ihnen befand. Dann hatte er die Flasche wieder hochgezogen und argwöhnisch daran gerochen, bevor er vorsichtig daran nippte.
„Ich glaube nicht, dass in letzter Zeit etwas darin gestorben ist.“
„Bestens“, sagte Quinn. „Dann sprechen wir also ein Gebet und löschen unseren Durst, ja?“
Zu Greys Überraschung beugten seine Begleiter prompt die Köpfe über den simplen Brunnenrand und murmelten etwas. Sie sprachen nicht dieselben Worte – jeder von ihnen schien seine eigene Sprache zu benutzen –, doch der Rhythmus war ähnlich. Grey war sich nicht sicher, ob es ein Dankgebet für das Wasser war oder eine Beschwörungsformel, um nicht davon vergiftet zu werden, doch er richtete den Blick höflich zu Boden und wartete, bis sie fertig waren.

(„Die Fackeln der Freiheit“, copyright Diana Gabaldon und Barbara Schnell)