Historische Sex-Szenen
(Anm.d.Ü.: Es ist zwar nicht wahrscheinlich, dass viele deutschsprachige Leser einen Besuch der Konferenz der Historical Novel Society in San Diego geplant haben – aber extrem amüsant ist dieser Blog-Eintrag trotzdem.)
Jetzt bekommen Sie keine Schnappatmung. Hier geht es nicht darum, wie man historische Sexszenen schreibt. Dies ist ein Bettelbrief. 🙂
Fast hätte ich damit angefangen, dass ich keine Ahnung habe, wie das alles gekommen ist, aber das stimmt nicht. Ich weiß nur nicht mehr, wem ich die Schuld dafür in die Schuhe schieben muss. Was passiert ist, war, dass vor (ca.) sechs Jahren die Historical Novel Society (deren Mitglied ich bin) in Albany ihre Konferenz abhielt, die alle zwei Jahre stattfindet. Für mich war es die erste HNS-Konferenz, und liebenswürdig wie ich nun einmal bin habe ich den Veranstaltern gesagt, sie könnten mich auf jedes Podium setzen, das sie wollten.
Also haben sie mich drei- oder viermal eingeplant, und bei einer dieser Podiumsdiskussionen sollte es um das Thema gehen, wie man Sex-Szenen schreibt. Wir sollten zu sechst auf dem Podium sein – und das ist ziemlich viel; man bekommt zwar viele verschiedene Tips, aber bei so vielen Experten ist eine gute Diskussion schwierig.
Jedenfalls haben wir sechs uns per E-Mail darüber ausgetauscht, wie wir das am besten bewerkstelligen sollten, und irgendjemand (ich glaube, das könnte sogar ich gewesen sein; vielleicht ist es also meine Schuld, welch schrecklicher Gedanke …) hat gesagt, dass es schwer ist, über die Technik von Sex-Szenen zu sprechen, ohne dabei auf Beispiele zurückgreifen zu können.
Also hat jemand (und es könnte Chris Humphreys gewesen sein …. vielleicht aber auch ich …) vorgeschlagen, da ja sechs Leute unmöglich innerhalb einer Stunde je eine Szene lesen und dann auch noch darüber reden könnten, könnten wir doch nachfragen, ob uns die Konferenz eine Extra-Sitzung außerhalb des regulären Programms zugestehen würde, in deren Verlauf die Podiumsteilnehmer ein oder zwei Beispiele vorlesen könnten. Auf diese Weise könnten Konferenzbesucher, die keine Sex-Szenen hören wollten, dem aus dem Weg gehen und sich nur etwas über Schreibtechniken anhören, und die, die … sozusagen das volle Programm haben wollten, könnten sich die Szenen anhören, über die wir dann am nächsten Tag sprechen wollten. Nun, die Organisatoren waren so freundlich (und ich weiß, dass dieser Vorschlag von Chris Humphreys stammte) und haben nach dem offiziellen Bankett die „Saturday Night Late-Night Sex-Lesung“ anberaumt.
Ich glaube, fünf der sechs Podiumsteilnehmer sagten zu, etwas zu lesen, und ein paar von uns kamen sogar in Nachtwäsche (ich ziehe nach dem Ende des offiziellen Teils einer Konferenz fast immer einen mit Kranichen verzierten Kimono an – ich habe drei Stück in verschiedenen Farben –, denn es macht mir zwar nichts aus, bis spät in die Nacht mit Leuten zusammenzusitzen, aber nicht in Bügel-BH und hohen Absätzen, wenn ich schon den ganzen Tag so herumgelaufen bin); Chris hat, glaube ich, einen Anzug getragen – es könnte aber auch das bis zur Taille offene Piratenhemd gewesen sein.
Jedenfalls sind zwei Drittel der Konferenzteilnehmer erschienen, und alle haben sich, sagen wir mal (hüstel), prächtig amüsiert. (Das Hotel war so freundlich, die Bar im Speisesaal geöffnet zu lassen, und als ich mich am Ende nach oben geschleppt habe, um das Glas Wein zu trinken, das ich dringend nötig hatte, haben die Kellner mir applaudiert und mir den Wein ausgegeben. Nett von ihnen.)
Die Folge dieses Spektakels war, dass man mich inzwischen noch zweimal dazu genötigt hat – einmal als Gruppenauftritt bei der letzten HNS-Konferenz in Illinois und einmal solo in der Buchhandlung „Poisoned Pen“ — und dass ich jetzt feststellen muss, dass man mich nicht nur für die diesjährige Konferenz in San Diego erneut dafür eingeplant hat, sondern dass ich es diesmal auch organisieren soll.
Chris (Chris Humphreys übrigens, dessen Jack-Absolute-Reihe Sie auf meiner Methadonliste finden, mit den besten Empfehlungen an alle Fans des achtzehnten Jahrhunderts, der britischen Armee, großer Abenteuer oder der Mohawks) sagt, dass er gemeinsam mit Gillian Bagwell (deren Nell-Gwyn-Reihe es leider noch nicht auf Deutsch gibt) eine Szene aus ihrem Buch lesen will, die er als „einen der besten Blow-Jobs der Literatur“ bezeichnet. Hierzu muss man wissen, dass Chris nicht nur tolle Bücher schreibt, sondern auch Schauspieler ist. Ich bin schon sehr gespannt. Allerdings hat er nur etwas von „lesen“ gesagt …)
Um aber zum Thema zu kommen:
Um garantieren zu können, dass das Publikum voll auf seine Kosten kommt (hust, hust), brauchen wir außer Chris, Gillian und mir noch weitere Mitspieler. Wenn Sie also
1) einen historischen Roman veröffentlicht haben (bitte im herkömmlichen Sinne, kein Selbstverlag)
2) dieses Jahr zur HNS-Konferenz kommen wollen und
3) eine gute Sex-Szene haben (die gern aus einem unveröffentlichten Manuskript stammen darf) und Sie
4) relativ wenige Hemmungen haben, diese in der Öffentlichkeit vorzutragen (Kostümierung einschließlich Masken optional) …
… sagen Sie mir Bescheid – per E-Mail oder über das Forum bei CompuServe. Ich gehe zwar nicht davon aus, dass wir ein Casting abhalten müssen, aber ich bin gespannt, wie viele Freiwillige sich melden.