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Happy Hogmanay!

Happy Hogmanay!

Hogmanay ist das schottische Silvester-/Neujahrsfest; einer der wichtigsten Feiertage, der mit vielen Traditionen verbunden ist. Über den Ursprung des Wortes gibt es diverse Theorien; eine lautet, dass es aus dem Französischen stammt und bedeutet: (l‘)homme est né – der Mensch ist geboren.

Ich wünsche Euch und Ihnen allen ein frohes, gesundes neues Jahr!

–Diana

(Auszug aus „Outlander – Ferne Ufer“. (c) Diana Gabaldon & Barbara Schnell. Bitte respektiert das Urheberrecht und verlinkt auf diesen Beitrag, aber kopiert ihn nicht.)

DAS HAUS WAR hell erleuchtet an diesem Abend; in den Fenstern standen brennende Kerzen, und an der Treppe und den Türpfosten hinden Sträußchen aus Stechpalmen und Efeu. Es gab nicht mehr so viele Dudelsackspieler in den Highlands wie vor dem Aufstand, doch sie hatten einen Gefunden und auch einen Geigenspieler, und Musik drang die Treppe herauf, vermischt mit den betörenden Düften von Rumpunsch, Pflaumenkuchen, Mandelgebäck und Biskuitfingern.

Jamie war spät und zögerlich nach unten gegangen. Viele der Gäste hatte er seit fast zwanzig Jahren nicht mehr gesehen unbd brannte auch jetzt nicht darauf, sie zu sehen, so verändert und fremd, wie er sich fühlte. Doch Jenny hatte ihm ein neues Hemd genäht, seinen Rock gebürstet und geflickt und ihm das Haar glatt gekämmt und geflochten, ehe sie sich hinunter begab, um sich um die Zubereitung des Essens zu kümmern. Er hatte keine Entschuldigung, noch länger fernzubleiben, als war er schließlich hinuntergegangen in den Lärm und den Trubel des Festes.

„Mister Fraser!“ Peggy Gibbons erspähte ihn als erste; sie kam mich leuchtendem Gesicht durch das Zimmer geeilt und warf ganz ungehemt die Arme um ihn. Überrumpelt erwiderte er die Umarmung, und innerhalb von Sekunden sah er sich von einer kleinen Schar von Frauen umringt, die ihn lauthals begrüßten, kleine Kinder hochhielten, die in seiner Abwesenheit zur Welt gekommen waren, und ihm die Wangen küssten und die Hände tätschelten.

Die Männer waren schüchterner; sie begrüßten ihn mit rauen Worten oder einem Schlag auf den Rücken, während er sich langsam den Weg durch die Zimmer bahnte, bis er sich überwältigt zumindest vorübergehend in das Studierzimmer des Hausherrn flüchtete.

Einst das Zimmer seines Vaters und dann das seine, gehörte es jetzt seinem Schwager, der Lallybroch in den Jahren seiner Abwesenheit verwaltet hatte. Die Geschäftsbücher, Vorratsverzeichnisse und Rechnungsbücher standen alle ordentlich an der Kante des abgenutzten Schreibtischs aufgereiht; er fuhr mit dem Finger über die ledernen Rücken, eine Berührung, die ihn beruhigte. Es war alles hier; die Aussaaten und die Ernten, die wohlüberlegten Einkäufe und Neuerwerbe, das Sammeln und Austeilen, das den Lebensrhythmus der Pachtbauern von Lallybroch bestimmte.

Auf dem kleinen Bücherregal fand er seine Holzschlange, die er genau wie alles andere, was irgendwie von Wert war, zurückgelassen hatte, als er ins Gefängnis ging. Sie war ein kleines Holztier aus Kirschholz, das ihm sein Bruder geschnitzt hatte, der als Kind gestorben war. Er saß auf dem Stuhl hinter dem Schreibtisch und strich mit dem Finger über die glatt gewordenen Rundungen der Schlange, als sich die Tür des Studierzimmers öffnete.

„Jamie?“, hatte sie gesagt und sich schüchtern im Hintergrund gehalten. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, eine Lampe im Studierzimmer anzuzünden; sie war ein Umriss im Gegenlicht der Kerzen, die im Flur brannten. Sie trug das blonde Haar lose wie ein junges Mädchen und das Licht schien hindurch und umgab ihr unsichtbares Gesicht.

„Du erinnerst dich vielleicht an mich?“, hatte sie gesagt und gezögert, weil sie nicht ohne Einladung in das Zimmer kommen wollte.

„Aye“, sagte er nach einer Pause. „Aye, natürlich erinnere ich mich.“

„Sie fangen an, Musik zu machen“, sagte sie. So war es; aus der Stube konnte er das Wimmern der Geige und das Stampfen von Füßen hören, dazu gelegentliche Freudenschreie. Allem Anschein nach war das Fest bereits in vollem Gange; wenn es Morgen wurde, würden die meisten Gäste schlafend auf dem Boden liegen.

„Deine Schwester sagt, du bist ein guter Tänzer“, sagte sie, immer noch schüchtern, aber hartnäckig.

„Es ist eine Weile her, seit ich es das letzte Mal versucht habe“, sagte er und fühlte sich jetzt selbst schücktern und furchtbar unbeholfen, obwohl die Geigenmusik einen Sehnen in seinem Körper weckte und der Klang seine Füße zucken ließ.

„Es ist ‚Tha mo Leabaidh ’san Fhraoch‘ – ‚Mein Bett ist in der Heide‘ – das kennst du doch sicher. Kommst du mit und versuchst es mit mir?“ Sie hatte ihm die Hand hingehalten, klein und anmutig im Halbdunkel. Und er hatte sich erhoben, ihre ausgestreckte Hand in die seine genommen und die ersten Schritte in sein neues Leben getan.

„ES WAR HIER“, sagte er und wies mit der gesunden Hand auf das Zimmer, in dem wir saßen. „Jenny hatte die Möbel beiseite räumen lassen, alles bis auf einen Tisch mit dem Essen und dem Whisky, und der Geigenspieler stand dort drüben am Fenster, und der Sichelmond blickte ihm über die Schulter.“ Er wies kopfnickend zum Fenster, wo der Rosenstrauch zitterte. Das Licht jenes Hogmanayfestes leuchtete auch jetzt in seinem Gesicht nach, und der Anblick versetzte mir einen kleinen Stich.

„Wir haben die ganze Nacht hindurch getanzt, manchmal mit anderen, meistens aber miteinander Und als es Tag wurde und die, die noch wach waren, zur Haustür gegangen sind, um zu sehen, was für Omen das neue Jahr bereithielt, sind wir beide mitgegangen. Die unverheirateten Frauen haben sich nacheinander um sich selbst gedreht, sind mit geschlossenen Augen durch die Tür gegangen, haben sich noch einmal gedreht und dann die Augen geöffnet, um zu sehen, worauf ihr Blick wohl als erstes fiel – denn das sagt ihnen etwas über den Mann, den sie heiraten werden.“

Es war viel gelacht worden, als sich die Gäste von Tanz und Whisky erhitzt an der Tür drängten. Laoghaire hatte sich etwas abseits gehalten, errötet und lachend, und gesagt, das sei ein Spiel für junge Mädchen, nicht für eine ältere Dame von vierunddreißig, doch die anderen hatten nicht locker gelassen, also hatte sie es versucht. Sich dreimal im Uhrzeigersinn gedreht und die Tür geöffnet, dann hinaus in das kalte Morgengrauen und sich noch einmal gedreht. Und als sie die Augen öffneten, war ihr Blick erwartungsvoll auf Jamies Gesicht gefallen.

„Da war sie also … eine Witwe mit zwei Kindern. Sie brauchte einen Mann, das war klar. Ich brauchte … irgendetwas.“ Er blickte in das Feuer, wo die kleine Flamme durch die roten Dorfmassen hindurch leuchtee; Hitze, aber nicht viel Licht. „Ich habe wohl gedacht, wir könnten einander helfen.“

Sie hatten in aller Stille in Balriggan geheiratet, und er hatte seine wenigen Habseligkeiten dorthin geschafft. Nicht einmal ein Jahr später war er wieder ausgezogen und nach Edinburgh gegangen.

„Was in aller Welt ist denn passiert?“, fragte ich mehr als neugierig.

Er blickte hilflos zu mir auf.

„Ich kann es nicht sagen. Eg war eigentlich nicht so, das irgendetwas falsch war – nur, dass auch nichts richtig war.“ Er rieb sich müde die Stirn. „Ich glaube, es lag an mir; es war meine Schuld. Ich habe sie immer irgendwie enttäuscht. Kaum hatten wir uns zum Essen hingestzt, als ihr plötzlich die Tränen in die Augen stiegen und sie schluchzend vom Tisch aufstand und ich da saß und keine Ahnung hatte, was ich falsch gemacht oder gesagt hatte.“

Seine Hand ballte sich auf der Bettdecke zur Faust, dann entspannte sie sich wieder. „Gott, ich wusste nie, was ich für sie tun konnte oder was ich sagen sollte! Ich konnte sagen, was ich wollte, es machte alles nur schlimmer, und sie hat dann oft tage-, nein wochenlang nicht mit mir geredet und sich nur abgewandt, wenn ich in ihre Nähe kam, und aus dem Fenster gestarrt, bis ich wieder gegangen bin.“

Seine Finger berührten die parallelen Kratzer an seinem Hals. Sie waren inzwischen fast verheilt, doch die Spuren meiner Nägel waren auf seiner hellen Haut noch zu sehen. Er sah mich ironisch an.

„Das hast du nie mit mir gemacht, Sassenach.“

„Nicht meine Art“, pflichtete ich ihm bei und lächelte schwach. „Wenn ich wütend auf dich bin, weißt du zumindest immer, warum.“

Er prustete und legte sich wieder auf die Kissen zurück. Eine Weile sprach keiner von uns. Dann sagte er, den Blick zur Decke gerichtet: „Ich dachte eigentlich, ich würde lieber nicht erfahren, wie es gewesen ist – mit Frank, meine ich. Es könnte sein, dass ich mich da geirrt habe.“

„Ich erzähle dir alles, was du wissen willst“, sagte ich. „Nur nicht jetzt. Noch bist du an der Reihe.“

Er seufzte und schloss die Augen.

„Sie hatte Angst vor mir“, sagte er eine Minute später. „Ich habe versucht, sanft zu ihr zu sein – Gott, ich habe es immer wieder versucht, alles, was ich darüber wusste, wie man einer Frau Lust bereitet. Aber es hat nichts genützt.“

Sein Kopf drehte sich unruhig hin und her und grub eine Vertiefung in das Federkissen.

„Vielleicht war es Hugh, vielleicht auch Simon. Ich kannte sie beide, und sie waren gute Männer, aber niemand weiß schließlich, was in einem Ehebett vorgeht. Vielleicht waren es die Geburten; nicht jede Frau kann das ertragen. Aber irgendetwas hat sie manchmal geschmerzt, und ich konnte es nicht heilen, so sehr ich mich auch bemüht habe. Sie ist zurückgewichen, wenn ich sie berührt habe, und ich konnte den Ekel und die Angst in ihren Augen sehen.“ Seine Augen dagegen waren geschlossen und von Traurigkeit gezeichnet, und ich griff impulsiv nach seiner Hand.

Er drückte sie sanft und öffnete die Augen. „Das war der Grund, warum ich schließlich gegangen bin“, sagte er leise. „Ich konnte es nicht mehr ertragen.“

Ich sagte nichts und hielt nur weiter seine Hand. Mit einem Finger kontrollierte ich seinen Puls. Sein Herzschlag war beruhigend langsam und regelmäßig.

Er rückte eine kleines Stück im Bett und verzog das Gesicht, als sich seine Schultern bewegten.

„Tut der Arm sehr weh?“, fragte ich.

„Ein bisschen.“

Ich beugte mich über ihn und legte ihm die Hand auf die Stirn. Er war zwar sehr warm, aber nicht fiebrig. Er hatte eine Falte zwischen den dichten roten Augenbrauen, und ich strich sie mit dem Fingerknöchel glatt.

„Kopfschmerzen?“

„Ja.“

„Ich gehe in die Küche und koche dir Weidenrindentee.“ Ich machte Anstalten, mich zu erheben, doch seine Hand auf meinem Arm hielt mich zurück.

„Ich brauche keinen Tee“, sagte er. „Aber es würde mir helfen, wenn ich vielleicht den Kopf auf deinen Schoß legen könnte und du mir ein bisschen die Schläfen massieren würdest?“ Blaue Augen blickten zu mir auf, klar wie der Himmel im Frühling.

„Mich führst du nicht an der Nase herum, Jamie Fraser“, sagte ich. „Ich werde deine nächste Injektion nicht vergessen.“ Dennoch war ich schon dabei, den Stuhl beiseite zu schioeben und mich neben ihm auf das Bett zu setzen.

Er stöhnte leise und zufrieden auf, als ich mir seinen Kopf auf den Schoß legte und anfing, ihn zu streicheln, ihm die Schläfen zu massieren und ihm das dichte, wellige Haar glatt zu streichen. Sein Nacken war feucht; ich hob seine Haare an und blies sacht darauf, so dass er eine Gänsehaut bekam.

„Oh, das fühlt sich gut an“, murmelte er. Obwohl ich entschlossen war, ihn nicht mehr zu berühren als es die Krankenpflege erforderte, bis zwischen uns alles im Reinen war, ertappte ich mich dabei, wie sich meine Hände um die klaren, kühnen Konturen seines Halses und seiner Schultern schmiegten und nach den Wölbungen seiner Rückenwirbel und und den breiten Flächen seiner Schulterblätter suchten.

Sein Körper war fest und kräftig unter meinen Händen, sein Atem eine warme Liebkosung auf meinen Oberschenkeln, und ich ließ ihn schließlich nicht ohne Bedauern wieder auf das Kissen sinken und griff nach der Penizillinampulle.

„Also schön“, sagte ich. Ich schlug das Laken zurück und griff nach seinem Hemdsaum. „Ein kleiner Pieks, und schon …“ Meine Hand streifte die Vorderseite seines Nachthemds, und ich verstummte verblüfft.

„Jamie!“, sagte ich belustigt. „Das kann doch wohl nicht wahr sein!“

„Vermutlich nicht“, pflichtete er mir gelassen bei. Er legte sich auf die Seite, gekrümmt wie eine Krabbe, und seine Wimpern ruhten dunkel auf seinen Wangen. „Aber man kann doch träumen, oder?“

AUCH IN DIESER NACHT ging ich zum Schlafen nicht nach oben. Wir redeten nicht viel, sondern lagen nur eng beieinander auf dem schmalen Bett und bewegten uns kaum, um seinen verletzten Arm nicht zu erschüttern. Im restlichen Haus war es still, alle lagen heil in ihren Betten, und es war nichts zu hören als das Zischen des Feuers, das Seufzen des Windes und das Kratzen der Rose am Fenster, unbeirrbar wie das Verlangen der Liebe.

„Weißt du?“, sagte er leise irgendwann in den dunklen Stunden nach Mitternacht. „Weißt du, wie es ist, so mit jemandem zusammenzuleben? Alles zu versuchen und doch nie zu erfahren, was sein Geheimnis ist?“

„Ja“, sagte ich und dachte an Frank. „Ja, ich weiß.“

„Das habe ich mir gedacht.“ Er schwieg einen Moment, und dann berührte seine Hand ganz leicht mein Haar, ein verschwommener Umriss im Feuerschein.

„Und dann …“, flüsterte er. „es dann wieder zu haben, dieses Wissen. Frei zu sein, alles zu sagen und zu tun, und zu wissen, dass es richtig ist.“

„’Ich liebe dich‘ zu sagen und es von ganzem Herzen so zu meinen“, sagte ich leise ins Dunkel hinein.

„Aye“, antwortete er kaum hörbar. „Das zu sagen.“

Seine Hand lag auf meinem Haar, ohne ohne recht zu wissen, wie mir geschah, fand ich mich an ihn geschmiegt wieder, so dass mein Kopf genau in die Mulde seiner Schulter passte.

„So viele Jahre“, sagte er, „so lange Zeit bin ich so vieles gewesen, so viele unterschiedliche Männer.“ Ich spürte, wie er schluckte, und er legte sich vorsichtig anders hin, so dass das gestärkte Leinen seines Nachthemds raschelte.

„Ich war der Onkel für Jennys Kinder, der Bruder für sie und Ian. ‚Milord‘ für Fergus und ‚Sir‘ für meine Pächter. ‚Mac Dubh‘ für die Männer in Ardsmuir und ‚MacKenzie‘ für die anderen Dienstboten in Helwater. Dann wiederum ‚Malcolm, der Drucker‘ und ‚Jamie Roy‘ auf den Docks.“ Die Hand strich mir langsam über das Haar, und es flüsterte leise wie der Wind im Freien. „Aber hier“, sagte er so leise, dass ich ihn kaum hören konnte, „hier bei dir in der Dunkelheit … habe ich keinen Namen.“

Ich hob mein Gesicht an das seine und nahm seinen warmen Atem zwischen meine Lippen.

„Ich liebe dich“, sagte ich und brauchte ihm nicht zu sagen, wie ich es meinte.

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