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Die erste Kerze brennt

Die erste Kerze brennt

Heute ist der erste Sonntag im Advent. Wie die Fastenzeit vor Ostern ist auch der Advent eine Zeit der Vorbereitung. Doch während die Fastenzeit eine Zeit der Buße und der Versöhnung ist, ist der Advent eine Zeit der Besinnung und des Wachstums. Durch Gebete und gute Taten bereiten wir uns – und andere – auf die Geburt Jesu und die Erneuerung der Welt vor. Wie bei den meisten Religionen fällt auch bei uns das Fest der Geburt und des neuen Wachstums mit der physikalischen Wende der Welt und der Rückkehr des Lichts in die Dunkelheit des Winters zusammen. Ich wünsche Euch einen schönen Advent!

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[Wie die Fastenzeit ist auch der Advent eine Reise – und wenn man sich auf eine wichtige Reise begibt, trifft man Vorbereitungen. Auszug aus Outlander Band 10 (ohne Titel), Copyright 2023 Diana Gabaldon & Barbara Schnell.]

Zu Williams großer Überraschung erschien Fraser zum Aufbruch in einem verblichenen Kilt mit ausgefranstem Saum, zu dem er ein Jagdhemd mit den Schatten alter Blutflecken trug, und einem Gürtel, an dem eine Ansammlung von Waffen und ein kleiner Ziegenlederbeutel hing, dessen Zweck ein Rätsel war. Tartanstrümpfe und ein Patronenbehälter an einem Riemen über seiner Schulter vervollständigten das Ensemble.

„Camouflage“, sagte Fraser mit einem Achselzucken als Antwort auf Williams Blick.

„Was?“

„Oh.“ Im ersten Moment war Fraser offenbar verblüfft, und sein Gesicht spiegelte eine rapide Abfolge nicht interpretierbarer Gedanken wider. „Es kommt, äh … aus dem Französischen, glaube ich. Camouflet, kennst du das Wort?“

„Nein. Was bedeutet es?“

„Aye, nun ja … camouflet ist ein Rauchwölkchen, das man jemandem ins Gesicht bläst. Camouflage bedeutet einfach, dass man möchte, dass die Menschen nicht bemerken, was man ist, oder fragen, was man vorhat.“

„Und … das ist Camouflage, ja?“, fragte William skeptisch und zeigte auf Frasers Kilt. „Du siehst aus wie ein Bandit.“

Fraser lächelte.

„Aye. Und was würdest du tun, wenn du auf der Straße einem Banditen begegnest? Anhalten und ihn fragen, was er will?“

D‘accord.

Bei diesem Wort durchlief ihn plötzlich ein kalter Schauder.

Frasers Lächeln verwandelte sich in eine Miene leichter Besorgnis.

„Was ist denn, Junge, geht es dir nicht gut?“

„Ich – nein“, sagte William abrupt. „Mir fehlt nichts. Und was, wenn ich fragen darf, soll ich sein, wenn du ein Bandit bist? Dein Komplize?“

„Wenn es sein muss“, sagte Fraser, „aber ich denke, du könntest mein Gefangener sein, wenn es nötig wird. Ich habe einen Strick in meiner Satteltasche.“

„Himmel“, murmelte William, und Fraser lachte. Der Mann war verdammt gut gelaunt für jemanden, der von Heim und Herd fortgerissen wurde, um ein Vorhaben zu beginnen, das man mit Fug und Recht als verrückt bezeichnen konnte.

An diesem Punkt erschien Mutter Claire mit mehreren Päckchen in den Armen und hinter ihr Frances, ähnlich bepackt.

„Proviant für heute“, sagte Mutter Claire und reichte ihrem Mann einen Stoffbeutel, der angenehm nach Käsen kaltem Braten, frischem Fladenbrot und getrocknetem Obst duftete.

„Proviant für morgen“, und sie reichte William einen ähnlichen Beutel. „Und danach seid ihr auf euch selbst gestellt, was euer Essen betrifft.“

„Was ist das?“, fragte William, als sie ihm einen Stoffbeutel reichte, der nicht nach Essen roch.

„Verbandszeug“, erwiderte sie knapp.

„Ah. Das wird sicher nützlich sein“, sagte er und verstaute das Bündel mit spitzen Fingern in seinem Rucksack.

„Das hoffe ich nicht“, sagte sie und warf ihm einen trostlosen Blick zu. „Aber ich kenne deinen Vater schon zu lange, um mir Illusionen zu machen.“

„Was ist mit etwas Trinkbarem?“, unterbrach Fraser mit einer Miene, die selbst William als gespielte Unschuld erkannte.

„Schon da“, sagte Frances mit bescheidenem Triumph und reichte ihm zwei ähnliche Beutel, in denen es bei jeder Bewegung klirrte und schwappte. Sie sah William gelassen ins Auge – keine Spur von dem, was sich vor einer halben Stunde im Stall zugetragen hatte.

Der Schauder huschte erneut durch ihn hindurch, aber diesmal wusste er, was es war. Jane. Sie stand just hinter ihm.

D‘accord“, hatte er einmal zu ihr gesagt.

Das ist ja etwas ganz Neues“, hatte sie erwidert. „Normalerweise bin ich es, die das sagt.

„Leb wohl, Frances“, sagte er abrupt und wandte sich ab, um auf sein Pferd zu steigen. Er sah bewusst nicht hin, als sich Fraser von seiner Frau verabschiedete.

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