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Der dritte Sonntag im Advent

Der dritte Sonntag im Advent

Der dritte Sonntag im Advent wird „Gaudete“-Sonntag genannt – „freut euch“. An diesem Sonntag zünden wir die rosa Kerze an unserem Kranz an, und die Priester tragen rosenfarbige Gewänder. Das ist der Tag, an dem wir mit unseren Vorbereitungen und der Buße innehalten, um uns darauf zu besinnen, was es ist, worauf wir uns freuen. Und uns daran zu erinnern, dass Freude nicht von Jugend, Schönheit, Geld oder auch Gesundheit abhängig ist – sondern einzig davon, dass man sich liebt.
(Das ist unser Kranz in Santa Fe. Hier fällt Schnee, und die Nacht ist still.)

Auszug aus DAS FLAMMENDE KREUZ, Kapitel 85, „Kaminfeuer“ Ich hatte diverse Einwände gegen Kaminfeuer, angefangen bei den Splittern unter meinen Fingernägeln und dem Harz an meinen Händen bis hin zu den Blasen, Brandwunden und der schieren, ärgerlichen Feindseligkeit des Elementes. Zwei Dinge musste ich aber eingestehen: Es war unleugbar warm, und es tauchte den Liebesakt in ein gedämpftes Licht von solcher Schönheit, dass man alle Hemmungen der Nacktheit getrost vergessen konnte.
Unsere beiden Schatten verschwammen an der Wand, hier ein Arm oder Bein, dort die Wölbung von Rücken oder Flanke, deutlich als Teil eines sich wiegenden Tiers erkennbar. Jamies Kopf erhob sich, eine große, langmähnige Kreatur, die sich über mir erhob, den Rücken haltlos aufgebäumt.
Ich fuhr mit den Fingern über schimmernde Haut und bebende Muskeln, strich über die glänzenden Haare auf Armen und Brust, um meine Hände dann in der Wärme seines Haars zu vergraben und ihn keuchend auf die dunkle Mulde zwischen meinen Brüsten hinunter zu ziehen.
Ich hielt die Augen halb geschlossen, genau wie meine Beine, denn ich wollte seinen Körper noch nicht freigeben, die Illusion der Einheit noch nicht aufgeben — wenn es denn eine Illusion war. Wie oft würde ich ihn wohl noch so halten, vielleicht sogar im Zauber des Feuerscheins?
Ich klammerte mich mit aller Kraft an ihn und an das ersterbende Pulsieren meines Körpers. Doch wer versucht, die Freude festzuhalten, vertreibt sie nur, und innerhalb weniger Augenblicke war ich nur noch ich selbst. Die dunkle Krampfader an meinem Knöchel war selbst im Schein des Feuers deutlich zu sehen.
Ich ließ seine Schultern fahren und fasste zärtlich in die drahtigen Locken seines Haars. Er drehte den Kopf zur Seite und küsste meine Brust, dann bewegte er sich seufzend und glitt neben mich.
„Und man sagt, Hühner mit Zähnen sind selten“, sagte er und fasste sich vorsichtig an einen tiefen Bissabdruck auf seiner Schulter.
Ich lachte unwillkürlich. Dann stützte ich mich auf einen Ellbogen und warf einen Blick zum Kamin.
„Was ist denn?“
„Ich überzeuge mich nur davon, dass meine Kleider nicht in Flammen aufgehen.“ Im Eifer des Gefechtes hatte ich nicht großartig darauf geachtet, wohin er meine Kleidungsstücke geworfen hatte, aber sie schienen in sicherer Entfernung von den Flammen gelandet zu sein; der Rock lag in einem Häufchen neben dem Bett, und Mieder und Hemd waren irgendwie in entgegengesetzten Ecken des Zimmers ausgekommen. Mein improvisierter Büstenhalter war nirgends zu sehen.
Das Licht flackerte über die weiß gekälkten Wände, und das Bett war voller Schatten.
„Du bist wunderschön“, flüsterte er mir zu.
„Wenn du das sagst.“
„Glaubst du mir etwa nicht? Habe ich dich denn schon jemals belogen?“
„Das meine ich gar nicht. Ich meine — wenn du es sagst, ist es wahr. Du machst es wahr.“
Er seufzte und legte sich so hin, dass es für uns beide gemütlich war. Im Kamin zerbarst plötzlich ein Holzscheit; und als die Hitze auf eine verborgene Feuchtigkeitsspur traf, stiebte ein goldener Funkenschauer auf, der dann zischend verlosch. Ich sah zu, wie das frische Holz erst schwarz, dann rot wurde und schließlich weiß glühend aufflammte.
„Sagst du dasselbe auch über mich, Sassenach?“, fragte er plötzlich. Er klang verlegen, und ich drehte ihm den Kopf zu und sah ihn überrascht an.
„Sage ich was? Dass du schön bist?“ Mein Mund verzog sich unwillkürlich, und er lächelte ebenfalls.
„Nun … das nicht gerade. Aber zumindest, dass du es ertragen kannst, mich anzusehen.“
Ich zeichnete die schwach sichtbare, weiße Linie der Narbe auf seinen Rippen nach, die vor langer Zeit ein Schwert hinterlassen hatte. Die längere, wulstigere Narbe des Bajonetts, das ihm den Oberschenkel der Länge nach aufgeschlitzt hatte. Den Arm, der mich festhielt, gebräunt und rau, die Härchen darauf von den langen Tagen voll Sonne und Arbeit weiß-golden gebleicht. Neben meiner Hand lag sein Glied zusammengerollt zwischen seinen Oberschenkeln, weich und klein jetzt und empfindlich in seinem Nest aus rotbraunem Haar.
„Für mich bist du schön, Jamie“, sagte ich schließlich leise. „So schön, dass es mir das Herz bricht.“
Seine Hand fuhr über die Wölbungen meiner Wirbelsäule, eine nach der anderen.
„Aber ich bin doch ein alter Mann“, sagte er lächelnd. „Oder ich sollte einer sein. Ich habe weiße Haare auf dem Kopf; mein Bart ist grau geworden.“
„Silbern“, sagte ich und strich über die weichen Bartstoppeln an seinem Kinn, der gescheckt war wie ein Patchworkquilt. „Hier und da.“
„Grau“, sagte er beharrlich. „Und löcherig dazu. Und doch …“ Er sah mich an, und sein Blick wurde sanfter. „Und doch brenne ich, wenn ich zu dir komme, Sassenach — und ich glaube, das wird auch so bleiben, bis wir beide zu Asche verbrennen.“

„Ich sage das nicht, weil ich mir Mitleid wünsche“, sagte er. „Aber siehst du … hin und wieder schmerzen mich meine Knochen ein wenig.“ Ohne mich anzusehen, spreizte er seine verkrüppelte Hand und wandte sie im Licht hin und her, so dass seine gekrümmten Finger einen Schatten an die Wand warfen, der die Gestalt einer Spinne hatte.
Hin und wieder. Ich wusste es sehr gut. Ich kannte die Grenzen des menschlichen Körpers — und seine Wunder. Ich hatte oft genug gesehen, wie er sich nach getaner Tagesarbeit niedersetzte und ihm die Erschöpfung in jede Falte seines Gesichtes geschrieben stand. Hatte gesehen, wie er sich an kalten Tagen morgens langsam erhob und hartnäckig gegen den Protest seiner Knochen und Muskeln ankämpfte. Ich wäre jede Wette eingegangen, dass er seit Culloden keinen einzigen schmerzfreien Tag mehr erlebt hatte, und die Schäden, die sein Körper im Krieg genommen hatte, verschlimmerten sich durch Feuchtigkeit und widrige Lebensbedingungen. Ebenso wäre ich jede Wette eingegangen, dass er niemals ein Wort davon gesagt hatte. Bis jetzt.
„Ich weiß“, sagte ich leise und berührte seine Hand. Die unregelmäßige Narbe, die ihm das Bein zerfurchte. Die kleine Mulde in seinem Arm, die eine Gewehrkugel hinterlassen hatte.
„Aber nicht, wenn ich bei dir bin“, sagte er und bedeckte meine Hand, die auf seinem Arm lag. „Wusstest du, dass ich nur dann keine Schmerzen habe, wenn ich bei dir im Bett liege, Sassenach? Wenn ich dich nehme, wenn ich in deinen Armen liege — dann sind meine Wunden geheilt, und meine Narben sind vergessen.“
Ich seufzte und legte meinen Kopf in seine Schulterbeuge. Mein Oberschenkel drückte sich an den seinen, meine weichen Muskeln schmiegten sich um sein härteres Bein.
„Meine auch.“
Er schwieg eine Weile und strich mir mit seiner gesunden Hand über das Haar. Es war wild und buschig. Durch unsere Bewegungen hatte es sich aus seiner Befestigung gelöst, und er strich die lockigen Strähnen einzeln glatt und kämmte sie zwischen seinen Fingern aus.
„Dein Haar ist wie eine große Sturmwolke, Sassenach“, murmelte er und klang, als schliefe er schon halb. „Voll Dunkelheit und Licht zugleich. Du hast keine zwei Haare, die dieselbe Farbe haben.“
Er hatte Recht; die Locke zwischen seinen Fingern wies Strähnen aus purem Weiß auf, silberne und blonde, dunkle Streifen, die schwarz wie ein Zobel waren, und an mehreren Stellen hatte es noch das Hellbraun meiner Jugend.
Seine Finger wanderten unter die Masse meines Haars, und ich spürte, wie sich seine Hand um meinen Schädelknochen legte, so dass er meinen Kopf wie einen Kelch hielt.
„Zu sehen, wie dich die Jahre verändern, erfüllt mich mit Freude, Sassenach“, flüsterte er. „Denn es bedeutet, dass du am Leben bist.“
Er hob die Hand und ließ mein Haar langsam fallen, so dass es mein Gesicht streifte, mir über die Lippen hauchte, mir weich und schwer über Hals und Schultern glitt und sich wie Federn auf die Ansätze meiner Brüste legte.
„Mo nighean donn“, flüsterte er, „mo chridhe. Meine braunhaarige Liebste, mein Herz. Komm zu mir. Bedecke mich. Schütze mich, a bhean, heile mich. Brenne mit mir, wie ich für dich brenne.“
Ich lag auf ihm, bedeckte ihn, meine Haut, seine Knochen, und immer noch — immer noch! — jener glühende, leuchtende Punkt, der uns verband. Ich ließ mein Haar um uns beide fallen, und in der flackernden Höhle seiner Dunkelheit antwortete ich flüsternd.
„Bis wir beide zu Asche verbrennen.“

© 2015 Diana Gabaldon und Barbara Schnell. Bitte verlinkt auf diesen Beitrag, aber kopiert ihn nicht.