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Der dritte Advent: Gaudete!

Der dritte Advent: Gaudete!

Der dritte Adventssontag heißt auch Gaudete-Sonntag, das bedeutet „freut euch!“, und die Kerze, die wir heute anzünden, ist rosenfarbig. Der Advent ist eine Zeit der Einkehr und der Versöhnung, doch heute halten wir inne und erinnern uns daran, dass wir auf ein Ziel zusteuern – dass das Versprechen der Weihnacht vor uns liegt wie eine helle Flamme in der Dunkelheit.

DIE GELIEHENE ZEIT, Kapitel 32, Feld der Träume
Da er sich in diesem Moment ganz auf die Nahrungsaufnahme konzentrierte, war er still; sein kleiner, kräftiger Körper ruhte schwer auf meinem Oberschenkel, und sein Rücken lehnte an meinem Arm, während er die Pummelhändchen um den Krug legte.
Die letzten Michtropfen glucksten aus dem Krug. Der kleine Jamie entspannte sich auf einmal und stieß einen kleinen, satten Rülpser aus. Ich konnte die Hitze spüren, die er ausstrahlte, weil seine Temperatur plötzlich auf jene Weise anstieg, die ankündigt, dass ein Kleinkind gleich einschlafen wird. Ich legte eine Falte des Umhangs um ihn, wiegte ihn sacht vor und zurück und summte leise das Lied auf der anderen Seite des Feuers mit. Ich spürte seine kleinen Rückenwirbel rund und hart wie Murmeln unter meinen Fingern.
„Ist er eingeschlafen?“ Der größere Jamie tauchte neben mir auf, und der Feuerschein fing sich im Griff seines Dolches und im Kupferglanz seines Haars.
„Ja“, sagte ich. „Zumindest zappelt er nicht, also muss er wohl schlafen. Es fühlt sich so an, als hätte ich einen großen Schinken auf dem Schoß.“
Jamie lachte, dann wurde er ebenfalls still. Ich konnte spüren, wie sein harter Arm den meinen gerade eben berührte, spürte seine Körperwärme durch die Falten von Plaid und Schultertuch.
Der Abendwind wehte mir eine Haarsträhne vor das Gesicht. Ich schob sie zurück und stellte fest, dass der kleine Jamie Recht hatte, meine Hände rochen nach Linsen und Butter und der Stärke geschnittener Kartoffeln. Im Schlaf war er bleischwer, und es war zwar schön, ihn im Arm zu halten, doch er schnitt mir die Blutzufuhr im linken Bein ab. Ich wand mich ein wenig, weil ich ihn mir auf den Schoß legen wollte.
„Nicht bewegen, Sassenach“, erklang Jamies Stimme leise neben mir. „Nur einen Moment, a nighean donn … halt still.“
Ich erstarrte gehorsam, bis er mich an der Schulter berührte.
„Schon gut, Sassenach“, sagte er mit einem Lächeln in der Stimme. „Du hast nur einfach so wunderschön ausgesehen mit dem Feuer im Gesicht und deinem Haar, das im Wind weht. Ich wollte es mir einprägen.“
Da wandte ich mich ihm zu und lächelte ihn an, über den Körper des Kindes hinweg. Der Abend war dunkel und kalt, und überall um uns waren Menschen, doch hier, wo wir saßen, gab es nichts als Licht und Wärme – und uns beide.

DER RUF DER TROMMEL, Kapitel 47, „Eines Vaters Wiegenlied““
Ich bewegte mich lautlos durch das Zimmer, stellte die Zinnteller und Holzschüsseln für das Abendessen hin, ging zurück, um Brot abzuschneiden und es mit Butter zu bestreichen.
„Weißt du was, Pa?“, fragte Brianna leise.
„Was denn?“, sagte er und unterbrach sein Lied für einen Augenblick.
„Du kannst nicht singen.“
Ich hörte kurzes Gelächter und Stoffrascheln, als er seine Position veränderte, um es ihnen beiden bequemer zu machen.
„Aye, das stimmt. Soll ich denn aufhören?“
„Nein.“ Sie schmiegte sich fester an ihn und lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
Er nahm sein tonloses Summen wieder auf, um sich ein paar Sekunden später selbst zu unterbrechen.
„Und weißt du was, a leannan?“
Sie hatte die Augen geschlossen, und ihre Wimpern warfen lange Schatten auf ihre Wangen, doch ich sah, wie sich ihre Lippen zu einem Lächeln kräuselten.
„Was denn, Pa?“
„Du bist so schwer wie ein ausgewachsener Hirsch.“
„Soll ich denn aufstehen?“, fragte sie, ohne sich zu bewegen.
„Natürlich nicht.“
Sie streckte die Hand aus und berührte seine Wange.
„Mi gradhaich a thu, athair“, flüsterte sie. All meine Liebe für dich, Vater.
Er umarmte sie fest, senkte den Kopf und küsste sie auf die Stirn. Das Feuer erfasste einen Harzklumpen. Es flammte plötzlich hinter der Bank auf und bemalte ihre Gesichter mit Gold und Schwarz. Seine Gesichtszüge waren schroff geschnitten und kühn; ihre ein zarteres Echo seiner schweren, scharfkantigen Knochen. Beide sturköpfig, beide stark. Und beide, Gott sei Dank, mein.

DAS FLAMMENDE KREUZ, Kapitel 14, „Glücklich die Braut, auf die der Mond scheint“
„Du hast bei der Taufe deinen Willen bekommen“, flüsterte ich. Er hob ein wenig das Kinn. Brianna blickte in unsere Richtung. Sie wirkte ein wenig nervös.
„Ich habe doch gar nichts gesagt, oder?“
„Es ist eine absolut respektable christliche Hochzeit.“
„Habe ich das angezweifelt?“
Dann mach ein frohes Gesicht, verdammt noch mal!“, zischte ich. Er atmete noch einmal aus und nahm dann einen derart wohlwollenden Gesichtsausdruck an, dass es schon fast vertrottelt aussah.
„Besser?“, fragte er, die Zähne zu einem jovialen Lächeln zusammengebissen.

Germain schenkte meiner Erklärung nicht die geringste Aufmerksamkeit, sondern hatte vielmehr den Kopf zurückgelegt und betrachtete Jamie fasziniert.
„Warum zieht grand-père so ein Gesicht?“
„Wir freuen uns so“, erlärte Jamie, die Miene nach wie vor zu einer Maske der Liebenswürdigkeit erstarrt.
„Oh.“ Germain verzog sein extrem bewegliches Gesicht augenblicklich zu einer groben Kopie desselben Ausdrucks – einem Clownsgrinsen mit zusammengebissenen Zähnen und vorquellenden Augen. „So?“
„Ja, Schatz“, sagte ich mit Nachdruck. „Genau so.“
Marsali sah uns an, kniff die Augen zu und zupfte Fergus am Ärmel. Er wandte sich um und blinzelte uns an.
„Froh gucken, Papa!“ Germain wies auf sein überbreites Lächeln. „Siehst du?“
Fergus‘ Mund zuckte, als er von Jamie zu seinem Sprössling blickte. Seine Miene wurde für einen Moment ausdruckslos und verschob sich dann zu einem enormen Lächeln, aus dem die Unaufrichtigkeit mit weißen Zähnen hervorblitzte. Marsali trat ihm vor den Knöchel. Er zuckte zusammen, lächelte aber unverwandt weiter.

Reverend Caldwell trat vor, einen Finger als Lesezeichen in sein Buch gesteckt. Er setzte seine Brille auf, lächelte den Anwesenden jovial zu und blinzelte dann schwach, als er die Reihe höhnischer Fratzen erblickte.

© 2014 Diana Gabaldon, Barbara Schnell / Droemer Knaur Verlag, Blanvalet Verlag. Bitte verlinkt auf diesen Beitrag, aber kopiert ihn nicht. Danke!