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Brian & Ellen – die erste Begegnung

Brian & Ellen – die erste Begegnung

Zur Feier des Drehbeginns von „Blood of My Blood“ hier eine Szene des Romans über Jamies Eltern, an dem ich seit einigen Jahren arbeite:

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Brian Fraser und Murtagh FitzGibbons Fraser verstecken sich auf einer Festungsmauer der Burg Leoch, wo sie sich eingeschlichen haben, um an den Begräbnisfeierlichkeiten für den kürzlich verstorbenen Clanhäuptling, den Roten Jacob MacKenzie, teilzunehmen. Brian wäre mehr als unwillkommen, sollte ihn jemand als den Sohn des Alten Fuchses erkennen, illegitim oder nicht, und die beiden jungen Männer halten sich am Rand, während sie die Lage auskundschaften. Vor ihnen auf der Mauer sitzen ein paar Tauben in der Sonne, und Brian nähert sich ihnen ganz langsam. Gerade hat er eine auf seine Hand gelockt (ein Trick, den er nicht zum ersten Mal probiert), als eine junge Frau aus einem Torbogen in der Mauer kommt, dann aber abrupt stehen bleibt, als sie sieht, was geschieht.

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Brian sah sie aus dem Augenwinkel – eine hochgewachsene Schönheit – sehr hochgewachsen. Aufrecht stand sie da und erweckte durchaus den Anschein, als käme sie selbst zurecht, sollte die Lage einmal brenzlig werden. Er nahm ihr wehendes rotes Haar wahr; vermutlich trug sie es als Zeichen der Trauer lose. Sie war beim Anblick der beiden Männer stehen geblieben, aber jetzt kam sie mit langsamen, vorsichtigen Schritten auf sie zu.

Er konnte das Herz der Taube spüren, das in seiner Hand schlug, sacht und schnell. Ihm selbst pulsierte das Blut in den Ohren, nicht viel langsamer. Drei Schritte vor ihm kam die junge Frau zum Halten; er sah sie nicht an, doch er hörte das Rascheln ihrer Röcke und spürte, wie sein Herz sich beschleunigte, bis es so schnell wie das der Taube schlug.

Sie sah ihm neugierig zu und hielt sich selber reglos wie eine nistende Wachtel, um die Taube nicht zu erschrecken. Brian schob seine andere Hand langsam in eine Falte seines Plaids, brach eine Ecke von dem Brotstück ab, das er mitgenommen hatte, falls er plötzlich Hunger bekam, dann hob er mit noch langsameren Bewegungen die Hand und schob sich das Brot vorsichtig zwischen die Lippen. Die Taube ruckelte sacht mit dem Kopf, nervös über diese neue Entwicklung, doch ihre Augen waren leuchtend auf das Brot geheftet.

Er stieß ein leises „tschi, tschi, tschi“ aus, und der Vogel richtete sich interessiert auf. Brian wendete ganz allmählich die Hand, so dass die Taube ihre Füße umsetzen musste, um nicht umzufallen, bis sie schließlich auf seinem Handrücken saß und sich ihre scharfen kleinen Krallen sacht in seine Haut bohrten. Fließend und langsam hob er sie vor sein Gesicht, immer noch mit diesen säuselnden Lauten, damit sie nicht vor seinem Atem erschrak.

Eine Sekunde … zwei Sekunden … die Taube wendete den Kopf erst zur einen Seite, dann zur anderen, und richtete dabei jeweils ein Auge auf den begehrten Krümel. Drei Sekunden, vi– Die Taube ließ den Hals hervor schießen wie eine Schlange, pickte ihm den Krümel zielsicher von den Lippen und erhob sich von seiner Hand, ohne innezuhalten.

„Mutter Gottes!“, sagten Brian und die Frau erschrocken wie aus einem Munde. Sie blickten einander an und lachten. Sie blickten einander immer noch an, als einen Moment später in einem Fenster über ihnen eine schrille, ungeduldige Frauenstimme erklang und die Aufmerksamkeit der jungen Frau aufwärts zog, von ihm fort.

Tha mi direach a´tighinn!“, rief sie und fügte – leiser und mit finsterer Miene – hinzu: „Pass auf, dass du dich nicht an deiner Spucke verschluckst und stirbst, du alter Besen.“

Wieder lachte er, und wieder sah sie ihn an, die blauen Augen zu belustigten Dreiecken verzogen.

„Mach das mit einem Raben, a charaidh“, sagte sie. „Dann bin ich wirklich beeindruckt.“

Und dann war sie fort, mit wogenden Röcken, und ihr loses Haar wehte wie ein Schauer aus Gold, heiß aus der Esse.

Einen Moment stand er still und blickte in den leeren Torbogen, als könnte er sie wieder dort erscheinen lassen. Stattdessen kam Murtagh aus dem Schutz einer Nische, in die er sich taktvoll zurückgezogen hatte.

„Ich hätte besser aufpassen sollen, als du das zum ersten Mal gemacht hast“, sagte er und zeigte kopfnickend auf Brians Hand, wo die Krallen der Taube kleine rote Kratzer hinterlassen hatten. „Aber ich teile die Meinung der jungen Dame, a bhalaich – du musst es mit einem Raben machen. Und danach vielleicht mit Eulen. Hast du gewusst, wer sie ist?“, fragte er, nicht länger spottend.

„Sie lebt in der Burg“, sagte Brian und wies mit dem Kinn oben zum Turm, „oder die Kuh da oben hätte nicht nach ihr gebrüllt. Und nach allem, was ich über das Aussehen des Roten Jacob gehört habe, würde ich um ein Bier mit dir wetten, dass sie die älteste Tochter ist. Ellen, oder – so heißt sie?“

„Aye, Ellen.“ Jetzt blickte auch Murtagh in den dunklen Torbogen hinein. „Und aye, sie war es. Ich war vorhin unten im Hof, und jemand hat mich auf sie aufmerksam gemacht; sie war unten, um einen Pächter mit seinen Gefolgsleuten zu begrüßen. Natürlich war sie auch besser angezogen, aber eine Frau von dieser Größe ist unmöglich zu verwechseln. Himmel, sie ist ja so groß wie ich!“

„Größer“, sagte Brian lachend. Er warf einen Blick auf Murtaghs dürre Beine. „Und wiegt wahrscheinlich das Doppelte.“ Er fühlte sich, als hätte er das Bier bereits betrunken – zu schnell. Sein Kopf kam ihm leicht vor und voller Schaum.

Murtagh zuckte mit den Schultern. „Wenn du oben liegst, welche Rolle spielt es?“

„Und was wenn nicht?“

„Aye, nun ja, möglich, dass sie mich erdrücken würde, das stimmt. Aber ich würde glücklich sterben.“

„Lass uns gehen“, sagte Brian, als die Geräusche zahlreicher Füße und Stimmen das Eintreffen einer großen Gruppe von Männern verkündeten. „Wenn uns jemand sieht, der uns kennt, sterben wir.“

„Nun, aye, du schon. Meine Tante Glenna wird nicht zulassen, dass sie mich umbringen.“

„Wie lange ist es her, dass du sie zuletzt gesehen hast?“

„Och, zehn Jahre, vielleicht zwölf …“

„Vor zwölf Jahren hattest du noch nich einmal einen Bart. Sie wird dich überhaupt nicht erkennen. Und ohne Zähne wirst du auch nicht viele Worte mit ihr wechseln. Komm jetzt!“ Er packte Murtaghs Oberarm und zerrte ihn zu der Tür am anderen Ende der Mauer.

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© Diana Gabaldon & Barbara Schnell.

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