Hot Dogs und Bohnen oder Recherche de luxe
Ich werde oft gefragt, ob ich mit Rechercheassistenten arbeite – nicht selten von Menschen, die sich gern für den Job bewerben würden. Leute, ich weiß das Angebot zu schätzen, aber nein. Das tue ich nicht.
Wie auch sonst alles beim Schreiben ist es auch total individuell, wie/wann/wie viel man recherchiert. Manche Menschen können NICHT anfangen zu schreiben, solange sie nicht das Gefühl haben, sich wirklich gut in der Periode auszukennen, über die sie schreiben. (Manche Leute glauben sogar, sie können erst anfangen, wenn sie praktisch alles über ihre Periode wissen. Diese Leute schreiben am Ende gar nichts, weil es ja gar nicht möglich ist, alles zu lesen/lernen/wissen – aber sie werden gute Amateurhistoriker. Eine leider verstorbene gute Freundin von mir, die einen Roman über Byzanz geschrieben hat, hatte sich das in den Kopf gesetzt, ehe sie das Buch überarbeitete … und dabei hat sie dann festgestellt, dass sie eigentlich viel lieber Historikerin wäre als Schriftstellerin, und am Ende ist sie mit fast sechzig wieder zur Uni gegangen, um einen Abschluss in Geschichte zu machen.)
Ich bin keiner von diesen Leuten.
Nun denn. Recherche. Ich habe also einfach angefangen zu schreiben und mir gedacht, wenn ich etwas schreibe, das sich im Lauf der weiteren Arbeit als falsch herausstellt … kann ich es ja einfach korrigieren. Kein Riesending, und es würde ja ohnehin niemand das Buch zu Gesicht bekommen.
Parallel dazu habe ich auch mit der Recherche angefangen. Und habe schnell herausgefunden, dass die Recherche und das eigentliche Schreiben in einer Art positiven Rückkopplung miteinander stehen. Ich schreibe so vor mich hin, und mir wird klar, dass ich etwas Bestimmtes wissen muss. Ich schlage es nach, finde es – und ganz nebenbei finde ich dabei irgendein anderes interessantes oder unterhaltsames historisches Detail, dessen Existenz ich nie vermutet hätte und das mir seinerseits den Ausgangspunkt für eine neue Szene, eine neue Figur oder einen neuen Handlungsfaden liefert … die ihrerseits weiterer Recherche bedürfen, woraufhin …
Nun lege ich mir die Bücher ja nicht im Voraus zurecht (wo bliebe denn da der Spaß?). Demzufolge habe ich (abgesehen von einigen wenigen konkreten Ereignissen) keine Ahnung, was in einem Buch geschehen wird, geschweige denn, wie es geschehen wird. Daher steht es dem Buch frei, jede ihm beliebige Richtung einzuschlagen und jede ihm beliebige Form anzunehmen – die Form enthüllt sich mir im Lauf der Arbeit.
Meine Lieblingsanalogie in Bezug auf die Recherche ist das, was ich „Hot Dogs und Bohnen“ nenne. Stellen Sie sich vor, Sie planen das Abendessen für Ihre Familie. Sie beschließen, Hot Dogs und Bohnen zu machen; schmeckt lecker, ist billig, und alle mögen es. Sie sind ein viel beschäftigter Mensch und haben daher einen Assistenten – Sie bitten den Assistenten, einkaufen zu gehen und Hot Dogs und Bohnen zu besorgen. Das tut der Assistent, und für das Abendessen ist gesorgt.
Okay. Auch wenn Sie selber einkaufen gehen, haben Sie natürlich vor, Hot Dogs und Bohnen zu holen. Aber auf dem Weg zur Wurst- und Käseabteilung kommen Sie an der Metzgereitheke vorbei – wo Sie feststellen, dass Bio-Hühnerbrust im Angebot ist. „Ooh“, denken Sie, „ich könnte ja Hühnchencurry machen!“ Also legen Sie Hühnerbrust in den Wagen, gehen zurück durch die Regale und suchen Gewürze, Gemüsesaft, Mango-Pfirsich-Apfelmus, Mangochutney, Jasminreis … und als Sie damit Richtung Kasse steuern, kommen Sie am Obst und Gemüse vorbei und sehen die Wassertropfen auf dem frischen Salat und den langen Frühlingszwiebeln glitzern – und Ihnen kommt der Gedanke, dass ein Krabbensalat toll zu dem Curry passen würde. Also zurück zu Fleisch und Fisch, ein halbes Pfund frische Krabben holen, dann zu Ketchup, Senf & Co für die Dressing-Zutaten … und von da zum Weinregal, denn ein schöner trockener Riesling ist genau das, was jetzt noch fehlt.
Nun, wenn Sie historische Romane schreiben und sich auf Rechercheassistenten verlassen, bekommen Sie Hot Dogs und Bohnen.
Weshalb ich grundsätzlich lieber selber einkaufen gehe.
–Diana
(c) 2014 Diana Gabaldon & Barbara Schnell