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Der erste Adventssonntag – 2020

Der erste Adventssonntag – 2020

Heute ist der erste Sonntag im Advent. Der Advent ist ein Zeitraum von vier Wochen, in dem wir uns aus der Welt zurückziehen, um uns auf das Licht der Weihnacht vorzubereiten. Was uns auch immer leiden lässt – Schmerz, Krankheit, Wut, Sehnsucht nach dem Ort, an dem wir zu Hause sind, nach Liebe – der Advent bietet uns Zuflucht, einen kleinen Ort der Ruhe, der Reue, der Versöhnung und des Friedens. Eine Zeit, still zu sein und unseren Herzen zu lauschen.

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„Ist alles gut, Sassenach? Ist es so schlimm?“

„Nein“, sagte ich und wischte mir hastig mit einem Zipfel des Lakens über die Augen. „Nein … es … es ist alles gut. Es ist nur … oh, Jamie, ich liebe dich!“ Dann ließ ich den Tränen ihren Lauf und schniefte und schluchzte wie ein Idiot.

„Es tut mir Leid“, sagte ich und versuchte, mich wieder in den Griff zu bekommen. „Es ist alles gut, ich habe nichts, es ist nur …“

„Aye, ich weiß genau, was es nur ist“, sagte er. Er stellte den Kerzenständer und den Topf auf den Boden und legte sich vorsichtig balancierend neben mir auf die Bettkante.

„Du bist verletzt, a nighean“, sagte er leise und strich mir das Haar aus den feuchten Wangen. „Und vom Fieber und Hunger zu Tode erschöpft. Es ist doch kaum noch etwas von dir übrig, oder, du armes kleines Ding?“

Ich schüttelte den Kopf und klammerte mich an ihn.

„Von dir ist doch auch nicht viel übrig“, brachte ich heraus, indem ich es feucht in sein Hemd murmelte. Er stieß einen kleinen belustigten Laut aus und rieb mir ganz sacht den Rücken.

„Genug, Sassenach“, sagte er. „Genug. Fürs erste.“

Ich seufzte und tastete unter dem Kissen nach einem Taschentuch, um mir die Nase zu putzen.

„Besser?“, fragte er und setzte sich.

„Ja. Aber geh nicht.“ Ich legte ihm eine Hand auf das Bein, hart und warm unter meiner Haut. „Kannst du eine Minute bei mir liegen bleiben? Mir ist furchtbar kalt.“ So war es tatsächlich, obwohl ich an der Feuchtigkeit und dem Salz auf seiner Haut erkannte, dass es ziemlich heiß im Zimmer war. Doch ich hatte so viel Blut verloren, dass ich fröstelte und nach Luft schnappte; ich konnte keinen Satz beenden, ohne innezuhalten und Luft zu holen, und meine Arme waren permanent von Gänsehaut überzogen.

„Aye. Beweg dich nicht; ich komme auf die andere Seite.“ Er umrundete das Bett und legte sich vorsichtig hinter mich. Es war ein schmales Bett, gerade eben breit genug für uns beide, wenn wir uns eng aneinander schmiegten.

Ich atmete vorsichtig aus und entspannte mich ganz langsam an seinem Körper, badete im Gefühl seiner Wärme und seines tröstenden Körpers.

„Elefanten“, sagte ich und holte so flach Atem, dass ich gerade noch sprechen konnte. „Wenn eine Elefantenkuh stirbt, versucht manchmal ein Männchen, sich mit ihr zu paaren.“

Beredtes Schweigen hinter mir, dann näherte sich eine große Hand und legte sich prüfend auf meine Stirn.

„Entweder hast du wieder Fieber, Sassenach“, sagte er mir ins Ohr, „oder du hast wirklich perverse Ideen. Du willst doch nicht ernsthaft, dass ich …“

„Nein“, sagte ich hastig. „Nicht im Moment, nein. Und ich sterbe ja auch nicht. Es ist mir nur gerade eingefallen.“

Er stieß einen belustigten schottischen Laut aus, hob mir das Haar aus dem Nacken und küsste mich dort.

„Da du ja nicht stirbst“, sagte er, „reicht das vielleicht für den Augenblick?“

Ich nahm seine Hand und legte sie auf meine Brust. Langsam wurde mir wärmer, und meine eisigen Füße, die ich an seine Schienbeine gepresst hatte, entspannten sich. Das Fenster war jetzt von Sternen erfüllt, dunstig von der feuchten Sommernacht, und plötzlich fehlten mir die kühlen, klaren, schwarzen Samtnächte der Berge, ihre riesigen flammenden Sterne, so nah, dass man sie vom höchsten Bergkamm aus berühren konnte.

„Jamie?“, flüsterte ich. „Können wir nach Hause gehen? Bitte?“

„Aye“, sagte er leise. Er hielt meine Hand, und Schweigen erfüllte das Zimmer wie Mondlicht, während wir uns beide fragten, wo zu Hause wohl sein mochte.

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© Diana Gabaldon & Barbara Schnell. Aus „Ein Schatten von Verrat und Liebe“. Bitte achtet das Urheberrecht und verlinkt auf diesen Beitrag, aber kopiert ihn nicht.

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