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Wir sagen Euch an den Ersten Advent

Wir sagen Euch an den Ersten Advent

Dies ist der Erste Sonntag im Advent, der Beginn einer kurzen Zeit der Vorbereitung und der Heilung. Die Welt wendet sich der Dunkelheit des Winters zu, und auch wir wenden uns nach innen, wo uns unsere Gedanken durch Kälte und Dunkelheit zum inneren Frieden führen und zur Hoffnung auf das kommende Licht.

(Auszug aus Outlander Band neun – „Das Schwärmen von tausend Bienen“. Bitte achtet das Urheberrecht und verlinkt auf diesen Beitrag, aber kopiert ihn nicht.)

 

 

»Das Blut – es ist mir über den Arm geflossen, und dann war ich … war ich nicht mehr da. Aber als ich aufwachte, waren meine Augen mit trockenem Blut zugeklebt, und deshalb habe ich geglaubt, ich wäre tot – ich konnte nichts sehen außer einer Art dunkelrotem Licht. Aber später konnte ich an meinem Kopf auch keine Verletzung finden. Es war sein Blut, das mich geblendet hat. Und er hat auf mir gelegen, auf meinem Bein … «

Er öffnete die Augen, während er es sich immer noch selbst erklärte, und begriff, dass er auf dem Boden saß, dass die schwielige Hand, die sich fest an die seine klammerte, die Hand seiner Schwester war, und die Tränen liefen ihr lautlos über das Gesicht, das ihn ansah.

»Och«, sagte er. Er erhob sich auf die Knie und zog sie von ihrem Felsen in seine Arme. »Weine nicht, a leannan. Es ist vorbei.«

»Das denkst du, wie?«, sagte sie, die Stimme von seinem Hemd gedämpft. Sie hatte recht, das wusste er. Aber sie hielt ihn fest. Und langsam, langsam kehrte der helle Morgen zurück.

Eine Weile saßen sie da, ohne zu sprechen. Die Sonne stand jetzt über den Wipfeln, und die Luft war zwar noch immer frisch und süß, doch sie hatte ihre Kälte verloren.

»Aye, nun«, sagte er schließlich und stand auf. »Möchtest du noch beten?«

Denn der Perlenrosenkranz baumelte immer noch an ihrer Hand. Er wartete nicht auf ihre Antwort, sondern griff in sein Hemd und zog den hölzernen Rosenkranz hervor, den er um den Hals trug.

»Oh, du hast deine alten Perlen ja doch noch«, sagte sie überrascht. »Du hattest deinen alten Rosenkranz in Schottland nicht dabei, deshalb dachte ich, du hättest ihn verloren. Wollte dir immer einen neuen machen, hatte aber keine Zeit, nachdem Ian … « Sie zog eine Schulter hoch, und ihre Geste umfasste Ians furchtbares, monatelanges Sterben.

Verlegen berührte er die Perlen. »Aye, nun ja … irgendwie hatte ich das auch. Ich … habe ihn William geschenkt. Als er noch klein war und ich ihn in Helwater zurücklassen musste. Ich habe ihm die Perlen gegeben, damit er etwas hat, was ihn … an mich erinnert.«

»Mmphm.« Sie blickte ihn mitfühlend an. »Aye. Und dann hat er sie dir in Philadelphia wohl zurückgegeben, wie?«

»Ja«, sagte Jamie knapp, und ironische Belustigung huschte durch Jennys Gesicht.

»Ich sage dir eins, a brathair – er wird dich nicht vergessen.«

»Aye, vielleicht nicht«, sagte er und fühlte sich von diesem Gedanken unerwartet getröstet. »Also dann … « Er ließ die Perlen durch seine Finger laufen,

bis er das Kruzifix zu fassen bekam. »Ich glaube an Gott, den Vater … «

Gemeinsam sprachen sie das Credo, die drei Ave-Marias und das Gloria.

»Freudenreiche oder Glorreiche Geheimnisse?«, fragte er, die Finger auf der ersten Dekadenperle. Er wollte nicht die Schmerzreichen Geheimnisse beten, die das Leiden und die Kreuzigung betrachteten, und er glaubte auch nicht, dass sie das wollte. Ein Specht rief in den Ahornbäumen, und er fragte sich flüchtig, ob es einer der Vögel war, die sie schon gesehen hatten, oder ein dritter. Drei für eine Hochzeit, vier für einen Todesfall

»Freudenreich«, sagte sie sofort. »Die Verkündigung.« Dann hielt sie inne und nickte ihm zu, den Anfang zu machen. Er brauchte nicht zu überlegen.

»Für Murtagh«, sagte er leise, und seine Finger legten sich fester auf die Perle. »Und Mama und Pa. Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.« Jenny beendete das Gebet, und sie sprachen den Rest der Dekade, wie sie es gewohnt waren, abwechselnd, der Rhythmus ihrer Stimmen sanft wie rauschendes Gras.

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Das zweite Foto zeigt das Ewige Licht der Heilig-Kreuz-Kirche in Keyenberg, das in der Nacht zum Ersten Advent erloschen ist. Die Kirche wurde entwidmet – eigentlich, um für einen Braunkohle-Tagebau abgerissen zu werden, doch nun scheint sie gerettet zu sein. Während sie wartet, dass das Licht zurückkehrt, haben Mitweltschützer eine letzte Kerze am Ewigen Licht entzündet und es über die dunklen Felder in die ebenfalls bedrohte Ortschaft Lützerath getragen, wo es nun Wache hält.