dianagabaldon.com dianagabaldon.com

Von Tiefgang und Logik …

Von Tiefgang und Logik …

Auszug aus OUTLANDER BUCH ZEHN, (c) Diana Gabaldon & Barbara Schnell

.

Unter den Büschen lagen noch immer menschliche Körper verstreut, die die Nachwirkungen der Hochzeit verschliefen, als Jamie, William und ich uns in Jamies Studierzimmer versammelten, gestärkt mit einer Flüssigkeit, die als Kaffee durchgehen mochte, wenn man eine schlimme Kopfgrippe hatte.

„Du hast die letzten drei Monate auf der Suche verbracht. Wo hast du gesucht, mit wem hast du gesprochen, und was haben sie gesagt?“

William unterdrückte ein Gähnen, während er sichtlich versuchte, seine Gedanken zu einer ebenso präzisen Antwort zu ordnen.

„Entweder ist er noch auf diesem Schiff – oder er ist es nicht“, sagte Jamie etwas ungeduldig. „Wenn nicht, dann ist er entweder auf einem anderen Schiff oder an Land.“

„Das klingt als hättest … du … Logik studiert. Sir.“ William traf das Gleichgewicht zwischen Respekt und verschleiertem Sarkasmus gut, und ich senkte den Blick auf den Schreibtisch, um mein Lächeln zu verbergen. Jamie sah mich mit hochgezogener Augenbraue an, weigerte sich aber, den Köder zu schlucken und William zu sagen, dass er in der Tat Logik studiert hatte – an der Université de Paris.

„Es gehört nicht viel Logik zu der Erkenntnis, dass die Möglichkeiten begrenzt sind, a charaidh“, sagte er nachsichtig. „Aber da du sehr offensichtlich selbst Logik studiert hast, bist du natürlich zuerst zum Hafenmeister in Savannah gegangen.“

„So ist es. Die Pallas war natürlich nicht dort – aber sie hatte den Hafen im vergangenen Jahr fünfmal aufgesucht.“

„Auf einer regelmäßigen Route?“, fragte ich, und mein Stift schwebte über dem Blatt Papier, auf das ich ganz oben „Pallas – Savannah“ geschrieben hatte. „Oder gab es da kein Muster?“

Diese Möglichkeit schien William nicht in den Sinn gekommen zu sein, doch er war vorbereitet und zog ein Bündel schmutziger Papiere hervor, vielfach zusammengefaltet und voller Flecken.

„Ich glaube, es gab kein Muster“, sagte er nach kurzer Konsultation seiner Notizen. “Intervalle von einem Monat, vier Monaten, drei Wochen, sechs Wochen.“

„Was meinst du, wohin sie fährt?“, fragte ich.

„Nun, die Pallas ist ein mittelgroßer Indienfahrer. Tiefgang vielleicht … fünf Faden? Das ist ungefähr das, was der Hafenmeister gesagt hat.“

„Jesus H … ich meine, das ist ein mittelgroßes Schiff?“

Er sah mich an, und sein Mundwinkel hob sich, doch ich musste anerkennen, dass er nicht lachte. „Nun, verglichen mit einem Kriegsschiff, ja. Obwohl die größten Ostindienfahrer sogar noch größer sein können.“

„Wir wissen also, wohin er nicht fährt“, sagte Jamie.

„Wohin denn?“ William und ich redeten gleichzeitig, sahen uns an und wandten die Blicke mit einem kleinen, beschämten Lächeln wieder ab.

„Nach England“, sagte Jamie geduldig. „Oder sonstwo in Europa. Ich glaube auch nicht, dass er nach Neuspanien gefahren ist. Also müssen es Orte an der Küste sein – obwohl er auf seiner viermonatigen Fahrt auch leicht bis Akadien und zurück gekommen sein könnte.“

William nickte stirnrunzelnd.

„Ja. Und?“

„Kommt es dir nicht sonderbar vor, dass ein Mann – selbst ein sehr reicher Mann – die Kosten auf sich nimmt, ein Schiff von dieser Größe auszurüsten, um es – anscheinend – für den einen Zweck zu benutzen, einen einzelnen Gefangenen an der Flucht zu hindern? Ich bin selbst mehrmals eingekerkert gewesen, sehr effektiv und deutlich billiger.“

William stieß ein leises Grollen aus, und ich sah, wie Jamie kurz den Kopf senkte, um meinem Blick auszuweichen. Ich verzichtete taktvoll auf den Hinweis, dass ich diejenige gewesen war, der es gelungen war, ihn aus dem Gefängnis von Wentworth zu befreien, welches alles andere als leicht bewacht war. Allerdings hatte ich Hilfe gehabt – mehrere Freunde, Bestechung und eine kleine Rinderherde …

„Nun gut“, sagte William. „Das würde also darauf hindeuten, dass es nicht nur um meinen – äh –„

„Och, nun nenn ihn schon deinen Vater, in Gottes Namen“, sagte Jamie gereizt. „Das ist er so sehr wie ich, und ich kann mir dein mun cairt mun cairt nicht länger anhören.

„Du meinst, Lord John gefangen zu halten, ist vielleicht nicht Mr. Richardsons einzige Absicht“, unterbrach ich hastig.

„Genau“, erwiderte William. Er funkelte Jamie zwar an, beherrschte sich aber. „Mun cairt mun cairt?“, fragte er und wandte sich mir zu.

„Ich glaube, das ist Gälisch für jemanden, der ständig um eine Sache herumredet und sich nicht entscheiden kann“, sagte ich und vermied es diskret, Jamie anzusehen.

„Ich sehe, dass ich ein kleines gälisches Wörterbuch zusammenstellen muss“, murmelte William. Er zog einen frischen Federkiel aus dem Glas und drehte den Schaft zwischen den Fingern. „Wie dem auch sei, Sir. Um zum Thema zurückzukommen … wenn ich darf?“

Jamie gestikulierte in seine Richtung.

Avons-nous besoin d’une lingua franca? Continuez, s‘il vous plaît.”

„Oh, Jesus H. Roosevelt Christ!“, entfuhr es mir. „Hört beide sofort auf damit!“

Zwei dunkelblaue Augenpaare hefteten sich auf mich.

„Sonst?“, fragten sie beide gleichzeitig. In exakt demselben Tonfall tiefer Neugier. Und erstarrten. Ich unterdrückte das drängende Bedürfnis zu lachen. Stattdessen holte ich tief Luft und atmete langsam und hörbar aus.

„Noch einmal“, sagte ich in gemessenem Ton, „und es gibt KEINEN Pudding zum Abendessen.“ Die Reaktion war Totenstille, und mit einem unerbittlichen Blick rief ich die Versammlung zur Ordnung.

„Was könnte Mr. Richardson sonst mit einem Schiff vorhaben? Angesichts der Größe des Schiffes glaube ich, dass er möglicherweise irgendwelche Waren transportiert. Und angesichts der Zeiten …“

„Waffenschmuggel?“, schlug Jamie vor und zog die Augenbrauen hoch. „Aye, nun ja, davon verstehen wir ein bisschen – oder zumindest kennt sich Fergus damit aus.“ Er warf William einen Blick zu. „Du sagst, du hast mit dem Hafenmeister gesprochen. Konntest du irgendwelche Schiffsmanifeste der Pallas einsehen?“

William schüttelte den Kopf und errötete ein wenig.

„Ich bin nicht auf den Gedanken gekommen zu fragen“, sagte er. „Ich konnte schließlich kaum einen Eintrag erwarten wie ‚ein gebrauchter Oberstleutnant der Infantrie, als Offizier zu benutzen‘.“

Diesmal lächelte Jamie, obwohl er mir einen argwöhnischen Blick zuwarf.

„Vorsicht, das mit dem Pudding meint sie ernst“, sagte er zu William. „Abgesehen von der Möglichkeit – nun, sagen wir Wahrscheinlichkeit –, dass er irgendwelche Fracht transportiert – selbst wenn, ist es ja möglicherweise nicht illegal –, könnte er einen anderen Grund haben, Lord John an Bord eines Schiffes festzuhalten, statt ihn nach Jamaica oder Hispaniola zu bringen und ihn dort fortzusperren?“

„Zweckdienlichkeit?“, meinte ich. Mir wurde leicht übel bei dem Gedanken, aber er ließ sich nicht leugnen. „Wenn die Drohung der Bloßstellung von Lord Johns, äh …“

„Angeblichen Vorlieben“, fügte Jamie eilig ein.

„Ja. Wenn das Richardsons einziges – oder zumindest bestes – Mittel ist, Hal dazu zu bringen, ihm zu Willen zu sein, muss er imstande sein, die Drohung zumindest im Anfangsstadium wahrzumachen – falls Hal stur bleibt. Und wie ich …“

„Und wie ich Seine Durchlaucht kenne“, beendete Jamie, „würde er das tun.“

„Du kennst Onkel Hal, oder?“, sagte William und betrachtete Jamie neugierig. „Was hat er dir getan?“

„Nichts Tödliches“, sagte Jamie knapp. „Und ich ihm auch nicht. Noch nicht.“ Er räusperte sich drohend und nahm sich ein frisches Blatt Papier.

.