Happy Birthday, Sassenach!
Auszug aus „Das Schwärmen von tausend Bienen“. (c) Diana Gabaldon & Barbara Schnell. Bitte respektiert das Urheberrecht und verlinkt auf diesen Beitrag, aber kopiert ihn nicht. Noch 34 Tage, bis das Buch beim Knaur-Verlag erscheint 🙂
Es war Wind aufgekommen; ich hörte ihn draußen durch die Bäume rauschen, und das Glasfenster klapperte in seinem Rahmen.
»Wir sollten besser die Läden schließen«, sagte ich und erhob mich, um das zu tun. Das Sprechzimmer hatte das größte Fenster im Haus, daher hatte es außen und innen Läden – sowohl, um die kostbaren Glasscheiben vor schlechtem Wetter und möglichen Angriffen zu schützen, als auch, um das Zimmer gegen die schleichende Kälte zu isolieren.
Doch als ich mich mit dem Haken in der Hand hinauslehnte, sah ich eine hochgewachsene schwarze Gestalt auf das Haus zuhasten; ihre Röcke und ihr Umhang wehten im Wind.
»Dich und deinen kleinen Hund dazu«, murmelte ich und warf einen hastigen Blick zum Wald, falls dort fliegende Affen auftauchten. Ein kalter Luftstoß wehte an mir vorbei ins Sprechzimmer, schüttelte die Gläser und blätterte die Seiten des Merck-Handbuchs um, das ich offen auf der Arbeitstheke liegen gelassen hatte. Zum Glück hatte ich vorsichtshalber die Seite mit dem Erscheinungsdatum entfernt …
»Was habt Ihr gesagt?« Fanny war mir gefolgt und stand jetzt in der Sprechzimmertür. Bluebell gähnte hinter ihr.
»Mrs Cunningham kommt«, sagte ich und schloss das Fenster, ohne die Läden zu schließen. »Geh zur Tür und lass sie herein, ja? Setz sie in die Stube und sag ihr, ich bin gleich da; vielleicht möchte sie das Ulmenpulver abholen, das ich ihr versprochen habe.«
Was Fanny betraf, war Mrs Cunningham vermutlich die Böse Hexe des Westens in Person, und die Art, wie sie die Dame hereinbat, spiegelte das wider. Zu meiner Überraschung hörte ich, wie Mrs Cunningham es ablehnte, in der Stube Platz zu nehmen, und Sekunden später stand sie in der Tür des Sprechzimmers, vom Wind zerzaust wie eine Fledermaus und bleich wie ein Klecks frische Butter.
»Ich brauche …« Doch während sie sprach, sackte sie zu Boden und fiel in meine Arme, ehe sie ein geflüstertes »Hilfe« herausbrachte.
Fanny keuchte auf, doch sie fasste Mrs Cunningham um die Taille, und zusammen hievten wir sie auf meinen Sprechzimmertisch. Sie klammerte sich mit einer Hand an ihr schwarzes Schultertuch und hielt sich daran fest, als hinge ihr Leben davon ab. Zum Schutz gegen den Wind hatte sie es so fest gepackt, dass ihre Finger steif gefroren waren und es schwer war, das Schultertuch zu lösen.
»Tod und Teufel«, sagte ich, wenn auch leise, als ich sah, was das Problem war. »Wie habt Ihr das denn geschafft? Fanny, hol mir den Whisky.«
»Hingefallen«, ächzte Mrs Cunningham, die allmählich wieder zu Atem kam. »Bin ganz dumm über die Kohlenschütte gestolpert.« Ihre rechte Schulter war übel ausgerenkt, der Oberarm geschwollen und der Ellbogen an ihre Rippen gezogen, was sie missgebildet erscheinen ließ und den hexenhaften Eindruck noch verstärkte.
»Keine Sorge«, sagte ich und suchte nach einer Möglichkeit, sie aus ihrem Mieder zu befreien, um ihr die Schulter einrenken zu können, ohne den Stoff zu zerreißen. »Das bekomme ich hin.«
»Ich wäre nicht zwei Meilen bergab durch bestialische Brombeeren gestolpert, wenn ich davon nicht ausgehen würde«, fuhr sie mich an, denn die Wärme des Zimmers begann, ihre Lebensgeister wieder zu wecken. Ich lächelte, nahm Fanny die Flasche ab, zog den Korken heraus und reichte sie Elspeth, die sie an ihre Lippen hob und langsam mehrere tiefe Züge trank. Dazwischen pausierte sie, um zu husten.
»Euer Mann … versteht … sein Handwerk«, sagte sie heiser und reichte Fanny die Flasche zurück.
»Diverse Handwerke«, pflichtete ich ihr bei. Ich hatte ihr Mieder gelöst, bekam aber den Träger ihres Korsetts nicht frei und durchtrennte ihn stattdessen mit einem gordischen Schnitt meines Skalpells. »Halt sie bitte um die Brust fest, Fanny.«
Elspeth Cunningham wusste genau, was ich vorhatte. Sie biss zwar die Zähne zusammen, entspannte aber bewusst ihre Muskeln, soweit sie es konnte – nicht besonders weit, unter den Umständen, doch jedes kleine bisschen half. Sie musste es wohl auf Schiffen gesehen haben – das musste auch der Ursprung der Flüche sein, die sie benutzte, während ich ihren Oberarm in den korrekten Winkel manövrierte. Fanny prustete über ihre Ausdrucksweise, als ich den Arm kreisen ließ und der Kopf des Knochens mit einem Plop! seinen Platz wieder einnahm.
»So etwas habe ich schon lange nicht mehr gehört«, sagte Fanny, und ihre Lippen zuckten.
»Wenn du mit Matrosen zu tun hast, junge Dame, färben sowohl ihre Tugenden als auch ihre Laster auf dich ab.« Elspeths Gesicht war immer noch weiß und glänzte wie polierter Knochen unter einem Schweißfilm, doch ihre Stimme klang kräftig, und allmählich kam sie wieder zu Atem. »Und wo, wenn ich fragen darf, hast du solche Ausdrücke gehört?«
Fanny sah mich an, doch ich nickte, und sie sagte schlicht: »Ich habe eine Zeit in einem Bordell gelebt, Ma’am.«
»Tatsächlich.« Mrs Cunningham entzog mir ihr Handgelenk und setzte sich auf, ziemlich wackelig zwar, doch sie stützte sich mit der guten Hand auf dem Tisch ab. »Dann haben Huren wohl auch ihre Tugenden und ihre Laster.«
»Das mit den Tugenden weiß ich nicht«, sagte Fanny skeptisch. »Es sei denn, Ihr zählt dazu, dass man einen Mann in zwei Minuten nach der Stoppuhr melken kann.«
Ich hatte selbst etwas Whisky getrunken und verschluckte mich daran.
»Das würde man wohl eher als Kunstfertigkeit bezeichnen, nicht als Tugend«, sagte Mrs Cunningham zu Fanny. »Allerdings eine sehr wertvolle«, setzte sie hinzu.
»Nun, wir haben alle unsere Stärken«, sagte ich, denn ich wollte das Gespräch beenden, ehe Fanny noch mehr erzählte. Mein Verhältnis mit Elspeth Cunningham war freundlicher geworden – aber nur bis zu einem gewissen Grad. Wir respektierten einander, doch wir konnten keine richtigen Freundinnen sein, dank der beidseitigen, wenn auch unausgesprochenen Erkenntnis, dass die politische Realität meinen Mann und ihren Sohn an irgendeinem Punkt dazu zwingen könnte, dass sie versuchten, sich gegenseitig umzubringen.
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