Der dritte Advent — Gaudete!
Heute ist der dritte Sonntag im Advent. Anders als an den anderen Sonntagen ist unsere Kerze heute rosa, als Symbol dafür, dass heute der „Gaudete“-Sonntag ist — der Tag, an dem es heißt, freut Euch. Wir freuen uns, weil wir von der Arbeit und von unseren Meditationen aufblicken und das Glück der Weihnacht näher kommen sehen.
DEN REST DES TAGES arbeiteten wir. Jamie fügte Steine für das Fundament zusammen; ich grub den neuen Garten um und ging in den Wald, von wo ich Doldiges Wintergrün, Silberkerzen, Minze und wilden Ingwer zum Einpflanzen mitbrachte.
Am späten Nachmittag legten wir eine Essenspause ein; ich hatte Käse, Brot und die ersten Äpfel in meinem Korb mitgebracht, und ich hatte zwei Steingutflaschen mit Ale zum Kühlen in die Quelle gestellt. Wir setzten uns ins Gras und lehnten uns an einen Bretterstapel im Schatten der großen Fichte. Wir schwiegen kameradschaftlich und aßen müde.
„Ian sagt, er und Rachel kommen morgen mit, um zu helfen“, sagte Jamie schließlich und aß sparsam sein Kerngehäuse. „Isst du deins nicht, Sassenach?“
„Nein“, sagte ich und reichte es ihm. „Apfelkerne enthalten Zyanid.“
„Wird mich das umbringen?“
„Bis jetzt hat es das auch nicht getan.“
„Gut.“ Er zog den Stiel heraus und aß das Kerngehäuse. „Haben sie sich inzwischen für einen Namen entschieden?“
Ich schloss die Augen, lehnte mich in den Schatten der Fichte zurück und weidete mich an ihrem scharfen, sonnengewärmten Duft.
„Hmm. Das letzte, was ich gehört habe, war, dass Rachel den Namen Fox vorgeschlagen hat – nach George Fox; er war der Gründer der Quäkergemeinschaft, aber sie würden das Baby natürlich nicht George nennen, des Königs wegen. Ian sagt, er hält nicht viel von Füchsen, wie es stattdessen mit Wolf wäre?“
Jamie stieß einen meditativen schottischen Laut aus.
„Aye, das ist doch nicht schlecht. Wenigstens will er den Kleinen nicht Rollo nennen.“
Ich lachte und öffnete die Augen.
„Meinst du wirklich, dass er daran denkt? Ich kenne ja Leute, die ihre Kinder nach verstorbenen Verwandten benennen, aber nach einem verstorbenen Hund …“
„Aye, nun ja“, sagte Jamie in aller Logik. „Er war ein guter Hund.“
„Ja, aber …“ Mir fiel eine Bewegung am anderen Ende der Mulde ins Auge. Leute, die von der Wagenstraße herauf kamen. „Sieh nur, wer ist das denn?“ Es waren vier kleine bewegte Punkte, doch mehr konnte ich auf diese Entfernung ohne meine Brille nicht erkennen.
Jamie hielt sich eine Hand über die Augen.
„Niemand, den ich kenne“, sagte er ohne großes Interesse. „Es sieht aber nach einer Familie aus – sie haben Kinder dabei. Vielleicht Neuankömmlinge, die sich hier niederlassen möchten. Sie haben aber nicht viel Gepäck.“
Ich kniff die Augen zusammen; sie waren jetzt näher gekommen, und ich konnte den Größenunterschied sehen. Ja, ein Mann und eine Frau, beide mit breitkrempigen Hüten, und ein Junge und ein Mädchen.
„Sieh nur, der Junge hat rote Haare“, sagte Jamie lächelnd und wies mit dem Kinn bergab. „Er erinnert mich an Jem.“
„Das stimmt.“ Jetzt war ich doch neugierig. Ich stand auf und kramte in meinem Korb nach dem Seidenläppchen, in dem ich meine Brille aufbewahrte, wenn ich sie nicht trug. Ich setzte sie auf und drehte mich um, wie immer froh, plötzlich all die kleinen Details zu sehen. Etwas weniger froh über die Feststellung, dass das, war ich für einen Rindenrest auf dem Brett gehalten hatte, neben dem ich saß, in Wahrheit ein enormer Tausendfüßler war, der den Schatten genoss.
Doch ich richtete mein Augenmerk wieder auf die Neuankömmlinge; sie waren stehengeblieben – das kleine Mädchen hatte etwas fallengelassen. Ein Püppchen – ich konnte das Haar der Puppe sehen, ein Farbklecks auf dem Boden, noch röter als das Haar des Jungen. Der Mann trug einen Rucksack, und die Frau hatte eine große Tasche auf der Schulter hängen, die sie jetzt absetzte, um sich nach der Puppe zu bücken. Sie strich sie sauber und gab sie ihrer Tochter zurück.
Dann drehte sich die Frau, um etwas zu ihrem Mann zu sagen, und streckte den Arm aus, um auf etwas zu zeigen – die Hütte der Higgins‘, dachte ich. Der Mann hielt sich beide Hände an den Mund und rief etwas, und der Wind trug seine Worte zu uns hinauf, schwach, aber deutlich zu hören, mit kräftiger, kratziger Stimme.
„Hallo, im Haus!“
Ich war schon auf den Beinen, und Jamie stellte sich hin und packte meine Hand, so fest, dass er mir die Finger quetschte.
Bewegung an der Tür der Hütte, eine kleine Gestalt, in der ich Amy Higgins erkannte. Die hochgewachsene Frau zog ihren Hut ab und winkte damit, und ihr langes rotes Haar wehte im Wind wie ein Banner.
„Hallo, im Haus!“, rief sie und lachte.
Dann rannte ich den Berg hinunter, Jamie vor mir her, die Arme ausgebreitet, und derselbe Wind trug uns gemeinsam auf seinen Flügeln.
(c) Diana Gabaldon & Barbara Schnell 2014. Bitte achtet das Urheberrecht und verlinkt auf diesen Beitrag, aber kopiert ihn nicht.
Zur Feier des Tages, hier ein altes Adventslied in der Fassung von Anuna, einer meiner Lieblingsgruppen.