2023: Wie man ein spannendes Ende schreibt …
Vor einiger Zeit habe ich an einem Workshop teilgenommen, bei dem es darum ging, wie man das Ende eines Kapitels so gestaltet, dass der Leser gleich zum nächsten weiter möchte. Im Prinzip ist ein solches Zwischen-Ende meistens entweder ein Cliffhanger (und wenn es nur ein winziger ist) oder ein „Ruhe“-Ende – wenn es turbulent oder dramatisch zugegangen ist und man möchte, dass alle einen Moment innehalten und Atem holen. Doch es gibt noch eine Art Ende, die ich „Jacks“ nenne – wie bei dem Spiel dieses Namens wirft man mit einer Handvoll glänzender Gegenstände und sorgt dafür, dass der Leser sie aufheben möchte. Zur Illustration habe ich nach einer kurzen Szene mit einem „Jacks“-Ende gesucht und diese hier gefunden. Hoffe, sie gefällt Euch!
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(Copyright Diana Gabaldon & Barbara Schnell)
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RAYMOND – Das Zelt des Häuptlings
Ich ging lautlos hinter dem Häuptlingszelt vorbei, blieb stehen und blickte um die Ecke herum bergab. Bewegte sich das blaue Zelt, oder war es nur das Spiel des Feuers auf dem glatten Tierfell? Ein langer, schlanker Arm schoss plötzlich ins Freie und zog das Fell ganz vor den Eingang.
Ich seufzte, blieb aber beobachtend stehen, obwohl es nichts zu sehen gab. Allerdings wurde es dunkler, und das blaue Zelt verschmolz mit der Nacht. Zwecklos, hier zu stehen und den Geräuschen im Zelt zu lauschen – doch ehe ich gehen konnte, rief mich jemand.
Das war schon mein Leben lang so. Echos in meinem Ohr, Geräusche, die aus der Luft kamen. Manchmal Worte. Hin und wieder mein Name. Mir war gar nicht bewusst, dass nicht alle das hörten, aber ich fand es schnell heraus, als ich es Ergon gegenüber erwähnte und er mir einen Hieb in den Magen versetzte, mich ohrfeigte und mir sagte, ich sollte den Mund halten.
Ich zuckte mit den Schultern und schlüpfte in das Häuptlingszelt. Wenn dort jemand nach mir verlangte, würde es sehr wahrscheinlich mein Vater sein.
Toyo saß auf einem Auerochsenfell. Eigentlich sollte er sich um die Feuerschale kümmern, doch in Wirklichkeit döste er im Sitzen. Doch er spürte den Luftzug, als ich hereinkam. Sein Kopf fuhr auf, und er drehte sich um.
„Oh, du bist es,“ Er gähnte herzhaft und reckte sich, dann rappelte er sich zum Stehen auf. „Dann gehe ich jetzt pinkeln. Pass auf das Feuer auf“, fügte er automatisch hinzu, obwohl ich mich bereits gebückt hatte, um ein paar Zweige von dem Stapel neben der Kochstelle zu nehmen.
Das schwere Fell fiel hinter ihm zu Boden, und die winzige Flamme der Feuerschale erschrak und wehrte sich wild.
„Ist ja gut“, sagte ich zu ihr und beruhigte sie mit einem duftenden Kiefernzweig. „Hier, siehst du? Ich bin hier. Alles ist gut.“
Das Feuer hörte mich und erhellte sich, indem es zart an dem Zweig leckte und ihn dann auf einmal ganz ergriff und flammend an seiner Rinde nagte.
Der Schein ließ die Korbmumien des Häuptlings ganz schwach aufleuchten. Es waren fünf. Schulter an Schulter standen sie auf einem großen flachen Kaminstein, um sie vor der Feuchtigkeit zu schützen, obwohl die Körbe fest geflochten und mit Pech bestrichen waren.
Es waren fünf: [Namen]. Teo war mein Vater, und ich verbeugte mich und legte meine Stirn sanft an seine Mumie. Ich konnte seine Wärme spüren, losgelöst von der warmen Stelle rings um das Feuer, doch ich wartete eine Weile, und es passierte nichts weiter. Er hatte mich nicht gerufen.
Ich richtete mich auf und betrachtete die anderen Korbmumien. Bis auf die kleinen Variationen in ihrem Geflecht sahen sie alle gleich aus, doch sie fühlten sich nicht gleich an. Ich streckte den Arm aus und fuhr langsam mit der Handfläche über die aufgereihten Scheitel.
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[Na, was meint Ihr? Würdet Ihr weiterlesen?]
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