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Ron Moore oder wie man VISUELL erzählt

Ron Moore oder wie man VISUELL erzählt

Allmählich wird es ernst mit der TV-Serie, und auch bei mir kribbelt es jetzt ein bisschen. Gleichzeitig verstehe ich auch die Fans, die um die Integrität „ihrer“ Figuren fürchten, wenn erst Drehbuchautoren und Schauspieler diesen ihren Stempel aufdrücken. Um vielleicht doch noch ein wenig von dieser Skepsis in Neugier umzumünzen, möchte ich noch eine Anekdote über Ron Moore erzählen, der mich ja ein ganzes Wochenede lang besucht hat, um mit mir über seine Vision zu sprechen.
Diese Begegnung hatte viel von einem Gespäch mit einem guten Interviewer an sich. Ron hat mir seine Vorstellungen von einer möglichen Adaption geschildert (zu diesem Zeitpunkt sind wir noch von höchstens zehn, vielleicht sogar nur acht Folgen ausgegangen). Manches davon war sehr allgemein, einiges aber auch schon detailliert.
Hier ist einer seiner Vorschläge, nur als Illustration dessen, was ich zu den Leuten sage, die alles in der TV/Film-Version „genau wie im Buch“ haben wollen. Das ist nämlich manchmal nicht das Beste.
Wir unterhalten uns also, und Ron sagt, dass er darüber nachgedacht hat, wie man den Pilotfilm am besten beginnt. Das Buch fängt natürlich in Schottland an, wo Claire und Frank ihre zweiten Flitterwochen verbringen – aber wie steigt man da ein? Der buchstabengetreue Drehbuchautor würde damit beginnen, dass sich Claire mit Mrs. Baird über ihre Lockenfrisur unterhält. Das wäre ganz und gar nicht gut; im Buch funktioniert diese Szene durch Claires Gedankengänge und durch ihre charakteristische Erzählstimme — und weil es nun einmal ein Buch ist; die Leser sind auf ein gewisses Maß an Einleitung eingestellt, die ihnen sagt, wo wir uns befinden und um wen es geht. Aber in dieser Szene herrscht totale Ruhe (mit Absicht, was das Buch angeht, weil wir sie ja kurz darauf aus genau diesem Leben herausreißen werden), sie hat keine Schauwerte und sie ist nicht relevant für den Fortgang der Geschichte (Mrs. Baird ist ja keine wichtige Figur, die später wieder auftaucht und etwas Kriegsentscheidendes tut, und Claire tut darin nichts, was für die Handlung wichtig ist; es ist nur eine Einführung).
Ein visuelles Medium lebt davon, dass Dinge VISUELL geschehen. Ein halbwegs buchstabengetreuer Drehbuchautor würde vielleicht etwas anderes aus diesem Teil des Buches nehmen: Einen Blick auf Claire und Frank, die durch die herrlichen Highlands fahren; Claire, die zum Fenster der Pension hinaus schaut, und Frank, der von hinten kommt und sie umarmt etc…
Was Ron, der Schlaukopf, vorgeschlagen hat, war VOR dem Anfang des Buches anzufangen – mit einer kurzen, prägnanten Szene, in der Claire im Zweiten Weltkrieg in einem Hospitalzelt arbeitet und bis zu den Ellbogen in Blut und Drama steckt. Am Ende wankt sie aufgelöst und voller Blut aus dem Zelt und hört, dass der Krieg zuende ist. Verstehen sie? Auf der Stelle packend – und uns ist sofort klar, wer Claire ist und aus welchem Holz sie geschnitzt ist.
Die Szene steht nicht im Buch, aber in Punkto visuelles Erzählen ist sie besser als das Buch. Das ist Rons Medium, und er kann wirklich sehr, sehr gut damit umgehen.

–Diana