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Dominique Pinon – Meister Raymond

Dominique Pinon – Meister Raymond

Dominique Pinon
Meister Raymond

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Zu meiner Überraschung lachte Raymond. Seine stumpfen Finger mit den kurzen Nägeln drückten auf ein paar Stellen an der Vorderseite des Schranks, berührten hier das Zentrum eines Symbols und dort den Ausläufer eines anderen.
„Nein, Madonna. Die meisten Kabbalisten sind bettelarm, deshalb suche ich ihre Gesellschaft nicht. Doch die Symbole halten neugierige Seelen von meinem Schrank fern. Was, wenn man es recht überlegt, nicht schlecht für ein bisschen Farbe ist. Vielleicht haben die Kabbalisten am Ende doch Recht, wenn sie sagen, dass diese Symbole Macht besitzen?“
Er lächelte mich schelmisch an, und die Schranktür schwang auf. Ich konnte sehen, dass es ein doppelter Schrank war; wenn eine neugierige Person die warnenden Symbole ignorierte und einfach die Tür öffnete, würde er oder sie zweifelsohne nur den harmlosen Inhalt eines Apothekerschranks sehen. Doch wenn man die verborgenen Federn in der richtigen Reihenfolge drückte, schwangen auch die inneren Etagen heraus und gaben eine tiefe Höhlung frei.
Er zog eine der kleinen Schubladen heraus, die diese Höhlung säumten, und schüttete sich den Inhalt auf die Hand. Er zog einen einzelnen weißen Kristallstein heraus und reichte ihn mir.
„Für Euch“, sagte er. „Zum Schutz.“
„Was? Magie?“, fragte ich zynisch und drehte den Kristall auf meiner Handfläche hin und her.
Raymond lachte. Er hielt die Hand über den Tisch und ließ sich ein Häufchen kleiner farbiger Steine durch die Finger rinnen, so dass sie auf die fleckige Schreibunterlage aus Filz prallten.
„So kann man es vermutlich nennen, Madonna. Ich kann auf jeden Fall mehr Geld dafür nehmen, wenn ich es tue.“ Seine Fingerspitze stupste einen blassgrünen Kristall aus dem Häufchen hervor.
„Ihnen wohnt auch nicht mehr – und gewiss nicht weniger – Magie inne als den Schädeln. Sie beinhalten die Essenz der Matrix, in der sie gewachsen sind, und deren Kräfte könnt Ihr hier wiederfinden.“ Er schnippte ein gelbes Körnchen in meine Richtung.
„Sulfur. Schwefel. Zermahlt ihn zusammen mit einigen anderen Kleinigkeiten, haltet eine Lunte daran, und er explodiert. Schießpulver. Ist das Magie? Oder ist des nur des Sulfurs Natur?“
„Das kommt vermutlich darauf an, wen man fragt“, stellte ich fest, und ein entzücktes Grinsen zerteilte sein Gesicht.
„Wenn Ihr je Euren Mann verlassen möchtet, Madonna“, sagte er und gluckste, „seid versichert, dass Ihr nicht verhungern werdet. Ich sagte doch, Ihr seid eine Professionelle, nicht wahr?“

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