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Noch 6 Tage / Daily Lines

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Er spazierte langsam durch das Zimmer und strich über die Dekorationsstücke: eine Meissener Porzellanfigur einer Frau mit einer Taube auf der Hand, die ihr eine Leckerei von den Lippen nahm, eine Standuhr mit drei Zifferblättern, die die Zeit, den Luftdruck und die Mondphase anzeigten, einen Humidor aus einem dunklen Holz, das er nicht kannte, das er aber für afrikanisch hielt, eine Silberschale auf Füßen, die mit einem bunten Durcheinander aus gezuckerten Veilchen und Pfeffernüssen gefüllt war, eine gefährlich aussehende Keule mit einer seltsamen Verdickung am Ende, einen seltsamen Streifen aus … Er nahm den Gegenstand in die Hand, um ihn genauer zu betrachten. Es war ein rechteckiger Streifen, vielleicht dreißig mal fünfzehn Zentimeter groß (er maß ihn automatisch aus, indem er die Glieder seines rechten Mittelfingers zum Vergleich benutzte), der aus kleinen, seltsamen Perlen hergestellt war – woraus bestanden sie nur? Kein Glas … Muscheln? –, die auf ein Fadengeflecht aufgefädelt und zu einem interessanten Muster in Blau, Weiß und Schwarz verwoben waren.
Es war gewiss keine Frau, die diese Dinge zusammengetragen hatte. Er fragte sich, was für ein Mensch wohl der Besitzer dieses Elsternschatzes sein mochte. Die Greys waren zwar tief in die Vorgeschichte des Mannes eingetaucht, doch ein zusammenhängendes Bild von Siverlys Persönlichkeit hatten sie ihm nicht vermittelt. Carruthers hatte ihn zwar in den lebhaftesten Farben beschrieben – doch in seinem Bericht ging es nur um die Verbrechen des Mannes, und er half wenig dabei, den Mann selbst zu charakterisieren.
„Ein Mensch mag lächeln und lächeln und doch ein Schurke sein“, dachte er. Er war selbst schon sehr sympathischen Schurken begegnet. Und liebenswerten Toren, deren Handlungen mehr Schaden anrichteten als die von Männern, die zum Bösen entschlossen waren. Sein Mund verzog sich bei der Erinnerung an Charles Edward Stuart. Er zweifelte nicht daran, dass Siverly ein Schurke war – doch was für eine Art von Schurke?

(„Die Fackeln der Freiheit“, copyright Diana Gabaldon und Barbara Schnell)