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Interview mit Barbara Rogan, Teil II

Interview mit Barbara Rogan, Teil II

Ich habe Ihnen die zweite Hälfte meines Interviews mit Diana Gabaldon versprochen, und die sollen Sie auch bekommen. Aber vorher muss ich Ihnen ein Geständnis machen:
Früher habe ich Diana beneidet. Ich liebe ihre Bücher, aber es sind ihre, und ich habe ja meine eigenen. Das, worum ich sie lange beneidet habe, ist die Tatsache, dass sie alle immer noch erhältlich sind. Für Nicht-Schreiber mag das vielleicht keine große Sache sein, aber im Verlagswesen geht es ums Geschäft, und Platz in den Regalen ist teuer. Bücher, die sich nicht verkaufen, werden daher sehr schnell durch neue Bücher ersetzt. Noch vor ein paar Jahren gab es nur eine Handvoll Autoren, deren gesamtes Werk in den Buchläden zu finden war, selbst in den virtuellen. Alle anderen konnten höchstens hoffen, dass ihr letztes Buch beim Erscheinen des nächsten noch erhältlich sein würde. Sobald die Läden die Exemplare zurückgehen ließen, war ein Buch im Grunde tot, bis auf die paar Exemplare in Bibliotheken und Second-Hand-Buchläden. Sie wurden zu Restbeständen, Neuauflagen gab es nicht. Ein Autor konnte zwar die Rechte zurückbekommen, aber nicht viel damit anfangen.
Der Ebook-Boom hat das geändert. Jetzt kann ein Verlag jedes veröffentlichte Buch beliebig lange vertreiben, solange er die Rechte daran besitzt. Und Autoren, die ihre Rechte zurückbekommen haben, können sie bei einem Ebook-Verlag oder auf eigene Faust neu veröffentlichen. Das buchstäbliche Elixier des Lebens.
Aber nun zurück zu meinem Interview mit Diana. In Teil 2 spricht Diana über ihr Leben als internationaler Literatur-Star, ihre Beziehung zu ihren Fans, die Einstellung der Buchindustrie gegenüber weiblichen Autoren und vieles mehr. Viel Spaß!
–Barbara Rogan

Barbara: Vor einiger Zeit habe ich von fanatischen „Game of Thrones“-Fans gelesen, die wütend darüber waren, dass George Martin seine Bücher nicht schneller auf den Markt wirft, und denen dabei jeglicher Zusammenhang zwischen Qualität, Zeit und Aufwand gleichgültig war. Sie schienen zu denken, dass er die Bücher quasi gefangen hält und sie jederzeit freilassen könnte, wenn er nur wollte. Die Highland-Saga hat ähnlich leidenschaftliche Leser. Musstest Du Dich jemals mit übereifrigen Fans auseinandersetzen?
Diana: Auseinandersetzen? Es gibt sie, sicher. Die meisten Leute haben keine Ahnung, wie Autoren arbeiten, und behandeln sie wie Süßigkeitenautomaten: Alle Geschichten sind drin, und alles, was man tun muss, ist den Autor kräftig schütteln, damit er eine ausspuckt.
(Übrigens haben James Patterson und seine Marketingmaschinerie eine Menge zu dieser beleidigenden Einstellung beigetragen. Wenn auf dem Einband steht „von James Patterson und irgendjemand“, war es „irgendjemand“, der das Buch geschrieben hat. Glauben Sie nicht? Googeln Sie „James Patterson Ghostwriter“.)
Natürlich läuft es ganz anders. Ich erkläre regelmäßig in Interviews oder Blog-Einträgen, wie es bei mir tatsächlich abläuft. Aber was den Umgang mit Leuten angeht, die das nächste Buch gar nicht erwarten können — ich kann nur ehrlich zu ihnen sein. Es ist mein Name, der auf dem Einband steht, und wenn ich Glück habe, bleibt das Buch lange in den Regalen. Also sorge ich dafür, dass das Buch so gut wird, wie ich es schreiben kann, bevor ich es dem Verlag gebe.

Barbara: Würdest du gern in der Welt leben, die Du erschaffen hast?
Diana: Nur bis zu einem gewissen Punkt. Dieser Punkt ist schon weit vor den lebensbedrohlichen Krankeiten, den Kriegen, den Verletzungen, den extremen Temperaturen und der Armut erreicht.

Barbara: Die Vorteile des literarischen Erfolgs liegen auf der Hand: Millionen verkaufter Bücher, Legionen von Fans, Presse, Einladungen ins Weiße Haus, die Chance, in einer Welt voll interessanter Leute zu leben. Gibt es auch Nachteile?
Diana: Der große Nachteil ist der Aufwand für Reisen und Auftritte (sowohl persönlich als auch Online), den dieser Bekanntheitsgrad mit sich bringt. Ich unterhalte mich wirklich gern mit meinen Lesern und signiere ihre Bücher – aber ohne die zeit-(und energie-)aufwändigen Reisen wäre es einfacher.
Dann ist da das ständige Verlangen nach “Inhalt” – Updates für Websites, Telefoninterviews, für Blogs (grinst), Podcasts, Twitter, Facebook usw. (ich weiß allerdings, wie ich mit Twitter und Facebook umzugehen habe; ich brauche jeweils 10-15 Minuten am Tag für beides, und das wars. Ich habe keine Freunde und Folge niemandem).
Außerdem gibt es Leser, die meinen, sie hätten ein Anrecht darauf zu bestimmen, was ihr Lieblingsautor wann zu schreiben hat, und die mich öffentlich anmaulen, warum ich diesen ganzen anderen Kram schreibe, wo SIE doch nur Jamie und Claire wollen? Und was mir eigentlich einfällt, in der Welt rumzureisen, wo ich doch ARBEITEN sollte? Diese Leute überschätzen unglücklicherweise das Gewicht ihrer Meinung, aber Nerven kosten sie mich schon. Zum Glück sind die meisten meiner Leser intelligent und können sich benehmen!

Barbara: Was weißt Du jetzt über das Verlagswesen, was Du gern früher gewusst hättest?
Diana: Eigentlich nur, wer wo das Sagen hat. Zum Beispiel habe ich acht Jahre gebraucht, um die Ladenkette Barnes and Noble zu überreden, meine Bücher aus dem Kitschregal zu nehmen – bis ich endlich die Nase voll hatte und dem damaligen Geschäftsführer Steve Riggio einen unhöflichen Brief geschrieben habe. Am nächsten Tag bekam ich einen Anruf des Marketing- Vizechefs von Barnes and Noble, der mir mitteilte, meine Bücher würden jetzt unter „Autoren A bis Z“ einsortiert, wo sie eigentlich von Anfang an hingehört hätten. Wenn ich gewusst hätte, dass Mr. Riggio der einzige Mensch in der gesamten Firma war, der diese Art von Einfluss auf die Vermarktung einzelner Bücher hatte, hätte ich gleich bei ihm angefangen.

Barbara: Glaubst Du, weibliche Autoren werden in der Literatur/Kritikerwelt genauso ernst genommen wie männliche?
Diana: Natürlich nicht.

Barbara: Was ist die am weitesten verbreitete Fehleinschätzung, die Leser von Dir haben? (Hier ist deine Chance, sie zu korrigieren!)
Diana: Viele scheinen zu denken, ich wäre viel größer als ich wirklich bin. Und sie können meinen Namen nicht aussprechen, aber das ist ja beides keine Beleidigung. (Fürs Protokoll: Ich bin 1.60 groß. Meinen Namen kann man auf zwei Arten aussprechen — es ist ein spanischer Name, und es ist mein Mädchenname: „Gaah-vahl-DOHN“. Auf Englisch ist es „GÄH-bell-dohn“.)

(Teil eins des Interviews finden Sie im Blog-Eintrag vom 23.6.)