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Frohe Weihnachten!

Frohe Weihnachten!

Euch allen FROHE WEIHNACHTEN, MERRY CHRISTMAS, CHAG SAMEACH, HAPPY KWANZAA, GESEGNETES SONNWENDFEST und/oder FRÖHLICHES EID-AlUDHA!

(Aus: DER RUF DER TROMMEL)

Jamies Haare und Schultern waren leicht mit Schnee bestäubt, und die Flocken ließen sich auf den entblößten Rückseiten seiner Beine nieder. Ich zog den Saum seines Umhangs herunter und strich ihm dann den Schnee aus dem Gesicht. Seine Wange hatte fast dieselbe Farbe wie die großen, feuchten Schneeflocken, und er fühlte sich steif an, als ich ihn berührte.
Erneut durchfuhr mich Besorgnis, denn ich begriff, dass er möglicherweise dem Erfrieren schon näher war, als ich gedacht hatte. Seine Augen waren halb geschlossen, und obwohl es so kalt war, schien er kaum zu zittern. Das war verdammt gefährlich; wenn er sich nicht bewegte, erzeugten seine Muskeln keine Hitze, und die Wärme wich langsam aus seinem Körper. Sein Umhang war schon schwer von Feuchtigkeit; wenn ich es zuließ, daá seine Kleider durchnässt wurden, konnte es passieren, dass er vor meiner Nase an Unterkühlung starb.
„Wach auf!“ sagte ich und schüttelte ihn drängend an der Schulter. Er öffnete die Augen und lächelte mich verschlafen an.
„Beweg dich!“ sagte ich. „Jamie, du musst dich bewegen!“
„Ich kann nicht“, sagte er ruhig. „Das habe ich dir doch gesagt.“ Er schloss die Augen wieder.
Ich packte ihn am Ohr und grub meine Fingernägel in sein empfindliches Ohrläppchen. Er grunzte, und sein Kopf zuckte zurück.
„Wach auf“, sagte ich entschlossen. „Hörst du? Wach sofort auf! Beweg dich, verdammt noch mal! Gib mir deine Hand.“
Ich wartete nicht darauf, dass er mir gehorchte, sondern wühlte unter seinem Umhang herum und ergriff seine Hand, die ich wie wahnsinnig zwischen den meinen rieb. Er öffnete erneut die Augen und sah mich stirnrunzelnd an.
„Mir geht’s gut“, sagte er. „Ich bin nur ziemlich müde, aye?“
„Beweg deine Arme“, befahl ich und warf ihm die Hand zu. „Schlag sie auf und ab. Kannst du deine Beine wenigstens ein bisschen bewegen?“
Er seufzte erschöpft, als zöge er sich selbst aus einem klebrigen Sumpf, und murmelte etwas auf Gälisch vor sich hin, doch er begann ganz langsam, seine Arme hin und her zu bewegen. Nach weiteren anspornenden Worten gelang es ihm, seine Knöchel anzuspannen — obwohl jede weitere Bewegung sofort in Rückenkrämpfen resultierte –, und er begann sehr zögerlich, mit den Füßen zu wackeln.
Er hatte große Ähnlichkeit mit einem Frosch, der zu fliegen versuchte, doch mir war nicht nach Lachen zumute. Ich wusste nicht, ob er wirklich in Gefahr war zu erfrieren oder nicht, doch ich ließ es nicht darauf ankommen. Unter ständigen Ermahnungen, die ich mit wohlgezielten Stößen begleitete, hielt ich ihn in Bewegung, bis ich ihn völlig wach bekommen hatte und er zitterte. Nebenbei hatte er auch durch und durch schlechte Laune, doch das störte mich nicht.
„Beweg dich weiter“, wies ich ihn an. Ich stand unter Schwierigkeiten auf, denn dadurch, dass ich so lange über ihm gehockt hatte, war ich völlig steif geworden. „Beweg dich, habe ich gesagt!“ fügte ich scharf hinzu, als er Anzeichen eines Durchhängers zeigte. „Wenn du aufhörst, stelle ich mich mitten auf deinen Rücken, das schwöre ich dir!“
Ein wenig erschöpft sah ich mich um. Es schneite immer noch, und es war schwierig, mehr als ein paar Meter weit zu sehen. Wir brauchten einen Unterschlupf — mehr als uns der Fels allein gewähren konnte.
„Hemlock“, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. Ich sah zu ihm hinab, und er wies mit dem Kopf auf eine Baumgruppe in der Nähe. „Nimm das Beil. Große . . . Äste. Zwei Meter. V-vier Stück.“ Er atmete schwer, und in seinem Gesicht zeigte sich ein Hauch von Farbe. Trotz meiner Drohungen hatte er aufgehört, sich zu bewegen, doch er hatte die Zähne zusammengebissen, weil sie klapperten; ein Zeichen, das mich mit Jubel erfüllte.
Ich bückte mich und tastete erneut unter seinem Umhang herum, diesmal auf der Suche nach dem Beil, das er um die Hüfte gegürtet trug. Ich konnte dem Drang nicht widerstehen, meine Hand an seiner Unterseite in den Halsausschnitt seines fransenbesetzten Wolljagdhemdes gleiten zu lassen. Warm! Gott sei Dank, er war immer noch warm; seine Brust fühlte sich durch den Kontakt mit dem feuchten Boden äußerlich kühl an, doch sie war immer noch wärmer als meine Finger.
„Gut“, sagte ich, zog die Hand heraus und stand mit dem Beil auf. „Hemlocktannen. Du meinst zwei Meter lange Äste?“
Er nickte unter heftigem Zittern, und ich setzte mich augenblicklich in Richtung der Bäume in Bewegung, auf die er gezeigt hatte.
In dem stillen Hain hüllte mich der Duft der Hemlocktannen und Zedern in einen Nebel aus Harz und Terpenen, ein kalter, scharfer Geruch, klar und belebend. Viele der Bäume waren enorm groß, und ihre unteren Äste begannen weit über meinem Kopf, doch hier und dort standen verstreut auch kleinere Bäume. Ich erkannte sofort die Vorteile dieser Baumsorte — unter ihnen lag kein Schnee; die fächerartigen Zweige fingen den fallenden Schnee wie Schirme auf.
Ich hackte auf die unteren Zweige los, hin- und hergerissen zwischen dem Drang zur Eile und der begründeten Angst davor, mir versehentlich ein paar Finger abzuschlagen; meine Hände waren taub vor Kälte und daher ungeschickt.
Das Holz war grün und elastisch, und es dauerte eine Ewigkeit, die zähen, federnden Fasern durchzuhacken. Schließlich hatte ich dennoch vier brauchbare Äste mit weitverzweigten, dichten Nadelfächern. Sie malten sich weich und schwarz wie große Federbüschel auf dem frischen Schnee ab; es war fast eine Überraschung, wenn man sie anfasste und die harten, kalten, stechenden Nadeln spürte.
Ich zog sie zum Felsen zurück und sah, dass Jamie es geschafft hatte, um sich herum noch mehr Laub aufzuhäufen; unter einer hohen, grau-schwarzen Verwerfung am Fuß des Felsens war er fast nicht zu sehen.
Unter seiner wortkargen Anleitung lehnte ich die Hemlockzweige mit dem Spitzen nach oben gegen den Felsen und steckte die abgehackten Enden schräg in den Boden, so dass darunter eine kleine dreieckige Höhle entstand. Dann ergriff ich erneut das Beil und schlug noch ein paar kleine Kiefern- und Fichtenzweige, schob vertrocknetes Gras zu großen Haufen zusammen und schob das Ganze gegen die Hemlockwand. Schließlich kroch ich vor Erschöpfung keuchend neben ihm in den Unterschlupf.
Ich grub mich zwischen seinem Körper und den Felsen in das Laub, wickelte meinen Umhang um uns beide, legte meine Arme um seinen Körper und hielt mich fest. Jetzt fand ich die Muße zu zittern. Nicht vor Kälte — noch nicht –, sondern gleichermaßen aus Erleichterung und Angst.
Er spürte das und griff etwas umständlich hinter sich, um mich beruhigend zu tätscheln.
„Es wird schon gut gehen, Sassenach“, sagte er. „Wir zwei bekommen das schon hin.“
„Ich weiß“, sagte ich und lehnte meine Stirn an seine Schulter. Doch es dauerte lange, bis ich aufhörte zu zittern.
„Wie lange liegst du schon hier?“ fragte ich schließlich.
Er setzte an, mit den Achseln zu zucken, und hielt dann stöhnend inne.
„Eine ganze Weile. Kurz nach Mittag bin ich von einem Felsen gesprungen. Er war nicht sehr hoch, aber als ich auf dem einen Fuß gelandet bin, hat mein Rücken klick gemacht, und bevor ich mich versah, lag ich kopfunter im Dreck und kam mir vor, als hätte mir jemand einen Dolch in die Wirbelsäule gestoßen.“
Es war alles andere als warm in unserer Kuschelecke; langsam kam die Feuchtigkeit der Blätter durch, und der Felsen in meinem Rücken schien Kälte auszustrahlen wie eine Art umgekehrt funktionierende Heizung. Dennoch war es deutlich weniger kalt als draußen. Ich fing wieder an zu zittern, doch diesmal hatte es körperliche Ursachen.
Jamie spürte das und griff sich an den Hals.
„Kannst du meinen Umhang losmachen, Sassenach? Leg ihn dir über.“
Es kostete uns einiges Hin und Her und einige unterdrückte Flüche, als Jamie versuchte, sein Gewicht zu verlagern, doch schließlich bekam ich den Umhang los und breitete ihn über uns beide. Ich streckte die Hand aus, legte sie vorsichtig auf seinen Rücken und zog ihm sanft das Hemd hoch, um meine Hand auf seine kühle, bloße Haut zu legen.
„Sag mir, wo es weh tut“, sagte ich. Ich hoffte ganz fürchterlich, dass er keinen Bandscheibenvorfall hatte; schreckliche Vorstellungen, daá er für immer ein Krüppel sein könnte, rasten mir durch den Kopf, begleitet von pragmatischen Überlegungen, wie ich ihn den Berg hinunterbekommen sollte, auch wenn es nicht so war. Würde ich ihn hier zurücklassen müssen und ihm täglich etwas zu Essen bringen, bis er wieder gesund war?
„Genau hier“, sagte er und sog zischend den Atem ein. „Aye, da ist es. Ein gemeines Stechen, genau da, und wenn ich mich bewege, zieht es sich bis zur Rückseite meines Beins wie ein glühender Draht.“
Ich tastete mich vorsichtig voran, jetzt mit beiden Händen, probierte aus und drückte zu, bat ihn, ein Bein zu heben, genau, jetzt das andere Knie . . . nicht?
„Nein“, versicherte er mir. „Aber mach dir keine Sorgen, Sassenach. Es ist dasselbe, was ich schon einmal hatte. Es wird besser.“
„Ja, du hast gesagt, dass es schon einmal passiert ist. Wann denn?“
Er bewegte sich kurz und kam dann wieder zur Ruhe. Leise stöhnend presste er sich gegen meine Handflächen.
„Och! Verdammt, das tut weh. Im Gefängnis.“
„Schmerz an derselben Stelle?“
„Aye.“
Ich konnte auf seiner rechten Seite einen harten Muskelknoten spüren, genau unter der Niere, und eine Verdickung der langen Erector-Spinae-Muskeln, die neben der Wirbelsäule verlaufen. Nach seiner Beschreibung des früheren Vorfalls war ich mir ziemlich sicher, dass es nur ein schwerer Muskelkrampf war. Gegen den Wärme, Ruhe und entzündungshemmende Mittel das richtige Rezept waren.
Von diesen Bedingungen konnten wir uns kaum weiter entfernen, dachte ich mit einigem Grimm.
„Ich könnte es vielleicht mit Akupunktur versuchen“, dachte ich laut. „Ich habe Mr. Willoughbys Nadeln in meiner Tasche, und –“
„Sassenach“, sagte er in gemäßigtem Tonfall. „Ich komme gut damit zurecht, dass ich Schmerzen habe, friere und hungrig bin. Ich werde aber nicht zulassen, dass meine eigene Frau mich in den Rücken sticht. Kannst du mir nicht stattdessen ein bisschen Mitgefühl und Trost anbieten?“
Ich lachte, legte den Arm um ihn und presste mich eng an seinen Rücken. Ich ließ meine Hand tiefer gleiten und ein Stück unter seinem Nabel vielsagend zur Ruhe kommen.
„Äh . . . und an was für eine Sorte Trost hattest du gedacht?“
Er ergriff hastig meine Hand, um weiteren Annäherungsversuchen zuvorzukommen.
„Diese nicht“, sagte er.
„Lenkt dich vielleicht von den Schmerzen ab.“ Ich wackelte einladend mit den Fingern, und sein Griff wurde fester.
„Ganz bestimmt“, sagte er trocken. „Ich sage dir, Sassenach; wenn wir erst zu Hause sind und ich in einem warmen Bett liegen kann und ein heißes Abendessen im Bauch habe, dann könnte an der Idee etwas dran sein. Aber so macht mir der bloße Gedanke — Himmel, Sassenach, hast du eigentlich die geringste Ahnung, wie kalt deine Hände sind?“
Ich legte meine Wange an seinen Rücken und lachte. Ich spürte ihn selbst vor Heiterkeit zittern, da er nicht laut lachen konnte, ohne dass sein Rücken schmerzte.
Schließlich lagen wir still da und lauschten dem Flüstern des fallenden Schnees. Es war dunkel unter den Hemlockzweigen, doch meine Augen hatten sich jetzt ausreichend daran gewöhnt, so dass ich durch den Nadelvorhang stellenweise das seltsame Leuchten des Schnees sehen konnte. Winzige Flocken drangen durch die Lücken herein; ich sah sie hier und dort wie leichte Wölkchen aus weißem Nebel, und ich spürte den kalten Kitzel, als sie auf mein Gesicht trafen.
Jamie selbst war nur eine dunkle, bucklige Gestalt vor mir, doch als sich meine Augen an die Düsterkeit gewöhnten, sah ich die hellere Stelle, an der sein Hals zwischen Hemd und Haarzopf sichtbar war. Der Zopf lag kühl und glatt an meinem Gesicht; wenn ich den Kopf nur ein bisschen drehte, konnte ich ihn mit den Lippen streifen.
„Was meinst du, wie spät es ist?“ fragte ich ihn. Ich selbst hatte keine Ahnung; ich hatte das Haus weit nach Anbruch der Dunkelheit verlassen, und die Zeit, die ich auf der Suche nach ihm auf dem Berg verbracht hatte, war mir wie eine Ewigkeit vorgekommen.
„Spät“, sagte er. „Aber es dauert noch lange bis zur Dämmerung“, fügte er als Antwort auf meine eigentliche Frage hinzu. „Wir haben die Sonnenwende gerade hinter uns, aye? Das hier ist eine der längsten Nächte des Jahres.“
„Oh, schön“, sagte ich entgeistert. Es war alles andere als warm — ich konnte meine Zehen immer noch nicht spüren –, doch ich hatte aufgehört zu zittern. Mich beschlich eine furchtbare Lethargie und meine Muskeln ergaben sich der Kälte und Erschöpfung. Ich sah uns beide im Geiste friedlich zusammen erfrieren, wie Igel im Laub zusammengerollt. Man sagte, es sei ein angenehmer Tod, doch das machte den Gedanken auch nicht einladender.
Jamies Atemzüge wurden langsamer und tiefer.
„Nicht einschlafen!“ drängte ich ihn und stieß ihn in die Armbeuge.
„Himmel!“ Er fuhr zurück und presste dem Arm fest an seine Seite. „Warum nicht?“
„Wir dürfen nicht schlafen, sonst erfrieren wir.“
„Nein, das stimmt nicht“, sagte er schroff. „Es schneit draußen, bald sind wir zugedeckt.“
„Das weiß ich“, sagte ich, meinerseits ziemlich schroff. „Was hat das denn damit zu tun?“
Er versuchte, den Kopf zu wenden, um mich anzusehen, schaffte es aber nicht ganz.
„Schnee fühlt sich kalt an“, sagte er und rang um Geduld. „Aber er hält die Kälte draußen, aye? Wie eine Decke. In einem schneebedeckten Haus ist es viel wärmer als in einem, das ungeschützt im Wind steht. Was meinst du, wie es die Bären machen? Sie schlafen im Winter und erfrieren auch nicht.“
„Sie haben eine Fettschicht“, protestierte ich. „Ich habe gedacht, die hält sie warm.“
„Ha, ha.“ Er griff mit einiger Anstrengung hinter sich und packte mich fest am Hintern. „Na, dann brauchst du dir ja überhaupt keine Sorgen zu machen, was?“
Ich zog ihm ganz bedachtsam den Kragen herunter, streckte meinen Kopf zu ihm hoch und leckte ihm den Hals in einer langgezogenen Bewegung vom Nacken bis zum Haaransatz.
„Das war eine Gemeinheit!“ sagte er tadelnd. „Und das, wo ich hier so hilflos wie ein Holzklotz liege!“
„Bah, Humbug“, sagte ich. Ich war einigermaßen beruhigt und kuschelte ich mich fester an ihn. „Du bist dir also sicher, dass wir nicht erfrieren werden?“
„Nein“, sagte er. „Aber ich halte es nicht für wahrscheinlich.
„Hm“, sagte ich und fühlte mich schon weniger sicher. „Nun ja, vielleicht sollten wir für den Fall des Falles besser noch etwas wach bleiben?“
„Ich wedele aber nicht mehr mit den Armen“, sagte er bestimmt. „Hier ist kein Platz. Und wenn du mir deine niedlichen Eispfoten in die Hose steckst, dann erwürge ich dich, kranker Rücken oder nicht, das schwöre ich dir.“
„In Ordnung“, sagte ich. „Wie wäre es, wenn ich dir stattdessen eine Geschichte erzähle?“
Highlander liebten Geschichten, und Jamie machte da keine Ausnahme.
„Oh, aye“, sagte er und klang schon viel zufriedener. „Was für eine Geschichte ist es denn?“
„Eine Weihnachtsgeschichte“, sagte ich und schmiegte mich an die Rundung seines Körpers. „Über einen Geizhals namens Ebenezer Scrooge.“
„Ganz bestimmt ein Engländer, was?“
„Ja“, sagte ich. „Sei still und hör zu.“
Ich konnte beim Reden meinen Atem sehen; er hing weiß in der nebligen, kalten Luft. Außerhalb unseres Unterschlupfes schneite es heftig; immer, wenn ich eine Pause beim Erzählen machte, hörte ich Flocken auf den Hemlockzweigen flüstern, und weiter weg heulte der Wind in den Bäumen.
Ich kannte die Geschichte sehr gut; sie hatte zu unserem Weihnachtsritual gehört, Franks, Briannas und meinem. Seit Briannas fünftem oder sechstem Lebensjahr hatten wir jedes Jahr „Ein Weihnachtsmärchen“ gelesen. Ein oder zwei Wochen vor Weihnachten hatten wir damit angefangen, und Frank und ich hatten ihr abwechselnd jede Nacht vor dem Schlafengehen daraus vorgelesen.
„Und der Geist sagte, ‚Ich bin der Geist der vergangenen Weihnacht . . .'“
Ich mochte vielleicht nicht im Begriff sein zu erfrieren, doch die Kälte hatte trotzdem eine seltsame, hypnotische Wirkung. Die Phase, in der sie mir Beschwerden verursacht hatte, war vorbei, und jetzt fühlte ich mich irgendwie körperlos. Ich wusste, dass meine Hände und Füße eisig waren, doch es schien keine Rolle mehr zu spielen. Ich schwebte in einem friedvollen, weißen Nebel und sah die Worte wie Schneeflocken um meinen Kopf herumwirbeln, während ich sie sprach.
„. . . und da war der gute alte Fezziwig und Lichter und Musik . . .“
Ich konnte nicht sagen, ob ich langsam auftaute oder ob mir kälter wurde. Ich war mir eines Zustandes allgemeiner Entspannung bewusst und eines völlig merkwürdigen Déjà-Vu-Gefühls, als wäre ich schon einmal so eingeschlossen, im Schnee isoliert gewesen, kuschelig, obwohl draußen alles trostlos war.
Als Bob Cratchit mit seinem mageren Vogel ankam, fiel es mir wieder ein. Ich redete automatisch weiter, und der Fluß der Geschichte kam von irgendwo weit unterhalb meiner Bewusstseinsebene, doch in meiner Erinnerung saß ich auf dem Vordersitz eines liegengebliebenen 1956er Oldsmobiles, dessen Windschutzscheibe schneeverkrustet war.
Wir waren unterwegs zu einem älteren Verwandten Franks in irgendeiner nördlichen Provinz des Bundesstaates New York gewesen. Auf halbem Weg hatte heftiger Schneefall eingesetzt, und Windböen waren über die vereisten Straßen geheult. Ehe wir uns versahen, waren wir von der Straße in einen Graben geschliddert, und unsere Scheibenwischer hatten sinnlos nach dem pelzigen Schnee geschnappt.
Wir konnten nur auf den Morgen und auf Rettung warten. Wir hatten einen Picknickkorb und ein paar alte Decken dabeigehabt; wir holten Brianna zu uns auf den Vordersitz und kuschelten uns alle unter unseren Mänteln und den Decken aneinander, schlürften lauwarmen Kakao aus der Thermoskanne und machten Witze, damit sie keine Angst bekam.
Als es später und kälter wurde, rückten wir noch näher zusammen, und um Brianna abzulenken, begann Frank, ihr Dickens‘ Geschichte aus dem Gedächtnis zu erzählen. Er verließ sich dabei auf mich, wenn ihm etwas nicht einfiel. Keiner von uns hätte es allein geschafft, doch zusammen kamen wir gut zurecht. Nachdem der unheimliche Geist der zukünftigen Weihnacht erschienen war, schlief Brianna fest und gemütlich unter den Mänteln, ein warmes, knochenloses Gewicht an meiner Seite.
Wir hätten die Geschichte nicht unbedingt zu Ende erzählen müssen, doch wir taten es trotzdem, und unsere Hände berührten sich unter dem Deckenberg, als wir auch jenseits der Worte miteinander sprachen. Ich erinnerte mich an Franks Hände, warm und kraftvoll auf den meinen; sein Daumen streichelte meine Handfläche und umfuhr meine Finger. Frank hatte meine Hände immer geliebt.
Das Auto hatte sich mit dem Nebel unseres Atems gefüllt, und Wassertropfen waren an den Innenseiten der weiß beschlagenen Fenster heruntergelaufen. Franks Kopf war ein dunkles Kamee gewesen, das vor dem weißen Hintergrund schwach zu sehen war. Ganz am Ende hatte er sich an mich gelehnt, seine Nase und Wangen kühl, seine Lippen warm auf den meinen, als er die letzten Worte der Geschichte flüsterte.
„‚Gott segne uns. Einen jeden von uns'“, schloss ich, und dann lag ich still, eine kleine Nadel aus Schmerz wie einen Eissplitter im Herzen. Es war still in unserem Unterschlupf, und es kam mir jetzt dunkler vor; der Schnee hatte alle Öffnungen zugedeckt.
Jamie streckte die Hand hinter sich aus und berührte mein Bein.
„Steck deine Hände in mein Hemd, Sassenach“, sagte er leise. Ich ließ eine Hand vorn in sein Hemd gleiten, so dass sie auf seiner Brust ruhte, die andere in seinem Rücken. Die verblichenen Peitschennarben fühlten sich an wie Fäden, die unter seiner Haut entlangliefen.
Er legte seine Hand auf die meine und presste sie fest an seine Brust. Er war sehr warm, und sein Herz schlug langsam und kräftig unter meinen Fingern.
„Schlaf jetzt, a nighean donn“, sagte er. „Ich lasse dich nicht erfrieren.“

© 2015 Diana Gabaldon & Barbara Schnell. Bitte verlinkt auf diesen Beitrag, aber kopiert ihn nicht.