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„Fertig“ ist relativ

„Fertig“ ist relativ

Und wieder steht ein Buch kurz vor der Drucklegung; diesmal ist es der zweite Band des Kompendiums „Der magische Steinkreis“ — allerdings zunächst nur in den USA; der deutsche Verlag hat noch kein Erscheinungsdatum bekanntgegeben.
Und während ich also wieder einem beachtlichen Packen Satzfahnen meinen Segen gebe (oder auch hier und da letzte Anmerkungen einfüge), meinte Karen Henry (sie betreibt den Blog „Outlandish Observations“ und hütet meinen Folder im CompuServe Writers Forum), das sei doch kein schlechter Zeitpunkt, um noch einmal zu posten, was ich 2012 über den langen Weg vom Manuskript zum Buch geschrieben habe.

Und zwar:

Immer wieder bekomme ich diese E-Mails, die mich beschuldigen, das Buch schon fertig zu haben, es aber vor den Lesern zu „verstecken“ oder es dem Markt vorzuenthalten, entweder „aus purer Gemeinheit“ (sonst noch irgendwelche verrückten Ideen?) oder „um den Preis in die Höhe zu treiben“ (es sind keine Schweinerippchen, Leute; der Preis ist derselbe, ganz gleich, wann es erscheint, und ich bin nicht diejenige, die ihn festlegt). Ich möchte ja nicht unhöflich sein, aber … liebe Leute!

Also: Bücher werden geschrieben, um gelesen zu werden, und veröffentlicht, um Geld zu verdienen. Mit Büchern, die nicht im Handel sind, machen Verleger kein Geld. Ergo: Verleger wollen ein Buch verkaufen, sobald es fertig ist. Das gilt auch für Autoren. Was glauben Sie denn, wovon ich lebe, während ich angeblich dem Markt ein Buch vorenthalte? Und warum, glauben Sie, will ich gemein zu den Leuten sein, die meine Bücher lesen? Du liebe Güte.

Nun denn. Ich hoffe, dass ich gegen Ende des Jahres mit dem Buch fertig werde. OK, jetzt gut aufpassen:

Das Buch wird nicht – ich wiederhole: nicht — ICH WIEDERHOLE: NICHT!!! — am 31. Dezember erscheinen, selbst wenn ich es am 30. Dezember fertig schreibe. Warum nicht? Nun, weil … ein Buch nicht direkt vom Autor in den Laden wandert, sondern zuerst zum

LEKTOR, der

– das Manuskript liest

– mit dem Autor darüber diskutiert und

– hier und dort Änderungen vorschlägt, durch die das Buch vielleicht noch besser wird.

Dann geht das Buch an den Autor zurück, der

– das Manuskript ein weiteres Mal liest

– sich Gedanken über die Vorschläge des Lektors macht und

– die Revisionen, Verbesserungen oder Klarstellungen vornimmt, die ihm sinnvoll erscheinen.

Das Buch geht an den Lektor zurück, der

– es ein weiteres Mal liest

– seine Fragen stellt, wenn er noch welche hat

– und es dann an die nächste Adresse weitergibt:

Den REDAKTEUR. Dies ist die Person mit der undankbaren Aufgabe,

– das Manuskript … Wort … für … Wort … zu … lesen,

– Tippfehler, Grammatik- und Zeichensetzungsfehler und Anschlussfehler zu finden (eine Mammutaufgabe, wenn man den Umfang nicht nur der einzelnen Bücher bedenkt, sondern der gesamten Geschichte) und

– im Zweifelsfall beim Autor nachzufragen.

Dann geht das Buch zurück an den Autor – ja, genau, noch einmal –, der

– das Manuskript ein weiteres Mal liest

– die Nachfragen des Redakteurs beantwortet und

– etwaige Änderungen des Redakteurs, mit denen er nicht einverstanden ist, wieder zurücknimmt.

Dann schickt er es dem Lektor – ja, genau, noch einmal –, der

– es ein weiteres Mal liest

– überprüft, ob noch Fragen des Redakteurs offen sind. Dann übergibt er es

Dem SETZER, der das Manuskript setzt, und zwar gemäß der Vorgaben des

LAYOUTERs, der

– das Seitenlayout festlegt (Zeilenanzahl und -länge, Kopf- oder Fußzeilen, Position der Seitenzahl …)

– eine passende, ansprechende Type auswählt

– die Buchstabengröße festlegt

– eventuelle grafische Verzierungen für die Kapitelanfänge etc. auswählt

– die Überschriften der Buchteile und der Kapitel gestaltet und mit Grafiken versieht. Außerdem bespricht er sich mit dem

GRAFIKER, der den Umschlagtitel entwirft bzw. zeichnet oder malt. Dieser geht dann in die

DRUCKEREI, wo die Umschlaghüllen gedruckt werden – auf denen nicht nur der Titel sowie Foto und Kurz-Bio des Autors abgedruckt werden, sondern auch der Klappentext, den vielleicht der Lektor oder der Autor schreibt, der dann aber meistens wieder komplett umgeworfen wird, und zwar in der

MARKETINGABTEILUNG. Hier hat man die ebenfalls undankbare Aufgabe auszutüfteln, wie man am besten ein Buch verkauft, das sich eigentlich nicht mit gängigen Genrebegriffen beschreiben lässt. Zu diesem Zweck

– versuchen die Werbeleute, das Buch mit einem möglichst verlockenden Cover auszustatten,

– entwerfen sie Anzeigen und Werbespots

– legen sie fest, wo diese Anzeigen oder Spots ihrer Meinung nach die größte Wirkung erzielen (Zeitschriften, Tageszeitungen, Literaturbeilagen, Radio, TV)

– denken sie sich immer neue, originelle Werbemaßnahmen aus, oft z.B. in Form kurioser TV-Auftritte der Autorin, die aber nicht immer unbedingt etwas mit den Büchern selbst zu tun haben, und

– schlachten auf dem Times Square eine Taube, aus deren Eingeweiden sie dann das beste Erscheinungsdatum für das Buch lesen.

OK. Das Manuskript kommt aus der Setzerei. Der Lektor liest es (erneut) und schickt es dann dem Autor (erneut! Oder wie mein Mann sagt: „Für einen Schriftsteller ist ‚fertig‘ ein relativer Begriff.“), der die Satzfahnen (das Buch als fertig gesetzte Lose-Blatt-Sammung) in Windeseile korrekturliest, denn dies ist die letzte Möglichkeit, noch irgendetwas zu ändern. Gleichzeitig werden einige Exemplare dieser Satzfahnen – simpel und notdürftig – gebunden, und man schickt sie

Der PRESSE. Das heißt, die Marketingabteilung, der Lektor und/oder der Autor verschicken diese sogenannten Leseexemplare an die Literaturredakteure der wichtigen Zeitungen und Magazine und an eventuelle Spezialmagazine, die sich dafür interessieren könnten. Man hofft auf Vorab-Besprechungen, denen man Zitate für das Cover entnehmen kann, und darauf, die Spannung vor dem Erscheinungstag zu steigern. Dieser Schritt wird bei meinen Büchern inzwischen meistens ausgelassen, weil er einige Zeit in Anspruch nimmt und das Buch doch so schnell wie möglich in die Läden soll.

Mit etwas Glück findet der Autor 99,99% der Fehler in den Satzfahnen (alle findet man nie; es ist höchstens ein Annäherungswert) und schickt das korrigierte Manuskript (zum letzten Mal, hechel, keuch, schnauf) an den Lektor. Dieser gibt es weiter

– an die PRODUZENTEN DES E-BOOKS, die den Text entsprechend codieren, und

– an die DRUCKEREI, die das Innenleben des Buches druckt. Nächster Halt ist

– die BUCHBINDEREI, wo das Innenleben am Umschlag befestigt wird und den Schutzumschlag bekommt.

Dann endlich (seufz) erfolgt der VERSAND, und das Buch setzt sich in Bewegung zu

Ihnen, den Lesern!

Und wir – also alle Beteiligten – hoffen, dass es Ihnen gefallen wird, denn wir haben uns schließlich eine Menge Mühe damit gegeben.

Nun ist es so, dass Random House (mein Verlag in den USA und in Kanada) meine Bücher am liebsten im Herbst herausbringt, also zwischen dem ersten September und dem 31. Dezember. In dieser Zeit werden – nicht zuletzt durch die Vorweihnachtszeit — die höchsten Verkaufszahlen erzielt, und die Verlage bringen ihre Spitzentitel am liebsten dann heraus. Ich bin stolz darauf, dazu zu gehören. Wenn ich das Buch aber bis Ende des Jahres fertig bekomme, ist es möglich, dass sich Random House (und Orion in Großbritannien und Blanvalet in Deutschland, wo das Buch natürlich nicht nur ÜBERSETZT wird, sondern erneut von LEKTOR und REDAKTEUR bearbeitet wird, bevor es dort in die SETZEREI und die BUCHBINDEREI geht) entschließen, das Buch schon früher herauszubringen. Wahrscheinlich werden sie aber kein Erscheinungsdatum festlegen, bevor sie nicht das Manuskript haben, und ich HOFFE (keine Garantie, gell? Manchmal kommt es anders) Ende 2012 damit fertig zu werden.

(Die anderen fremdsprachigen Ausgaben – ich glaube, inzwischen sind wir bei 29 Ländern, darunter Israel, Kroatien, Russland, Griechanland und Korea – werden erscheinen, wenn auch dort die Übersetzer, Lektoren, Redakteure, Setzer etc. mit ihrer Arbeit fertig sind, aber dazu kann ich keine Prognosen abgeben.)

Das ist also der Hintergrund, warum die englisch- und deutschsprachigen Leser Buch Acht mit ziemlicher Sicherheit irgendwann im Jahr 2013 bekommen werden.

Sobald ich ein konkretes Erscheinungsdatum weiß – keine Sorge, ich sage es Ihnen.

–Diana