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Einen schönen vierten Advent!

Einen schönen vierten Advent!

Das Warten ist fast vorbei, und durch den Schatten und die Schwierigkeiten in unserem Leben sehen wir das Leuchten des ewigen Lichts.

Frohes Fest!
–Diana

(c) Diana Gabaldon & Barbara Schnell

Jamie saß noch genau so da wie ich ihn zurückgelassen hatte, allein an unserem kleinen Feuer, das jetzt zu einem kleinen Rund aus roter, mit Asche bestäubter Glut heruntergebrannt war. Und doch … nicht ganz genau so. Knapp außerhalb des Leuchtkreises der Glut blieb ich abrupt stehen, fasziniert von dem Ausdruck in seinem Gesicht.
Er war wollkommen reglos, reglos wie ein wartender Jäger, reglos wie der Baumstumpf, auf dem er saß. Und doch war Leben in seinem Gesicht, und seine Augen blickten zwar in die verlöschenden Kohlen, jedoch auch darüber hinaus, alles andere als abwesend. Irgendetwas sah er, und ich fühlte, wie sich die Härchen auf meinen Armen aufrichteten, so langsam, dass ich sie einzeln spüren konnte. Und doch strahlte er absoluten Frieden aus. Das Gefühl der Eile, das ich noch vor einer Sekunde gespürt hatte, war verschwunden, während ich ihn beobachtete. Er hätte allein in der Leere der Wildnis sein können – allein bis auf denjenigen, mit dem er sich in der Stille unterhielt, die ihn umgab.
Ich bewegte mich nicht. Ich konnte den Blick nicht von seinem Gesicht abwenden. Auch ich löste mich einen Moment aus dem Chaos des Lagers und hörte Stille. Stille, in der etwas anwesend war, ein Gefühl leiser Freude.
Dann holte Jamie Luft, schloss die Augen und ließ die Schultern fallen. Die Geräusche der Nacht und der Lärm des Lagers kehrten zurück. Auch ich holte Luft, und er hörte mich, denn sein Kopf hob sich, seine Augen öffneten sich, und er lächelte mich an und streckte die Hand aus.
„Mo nighean donn“, sagte er leise und küsste die Hand, die ich in die seine legte, sein Atem kühl auf meiner Haut.
„Was hast du gerade gemacht?“, fragte ich genau so leise und hob meine freie Hand an seine Wange, um ihm das rote Haar hinter das Ohr zu streichen. „Gebetet?“
Sein Mund zuckte, doch er wandte etwas schüchtern den Blick ab.
„Och, nein, Ich habe nur mit Ian gesprochen.“
Ich blinzelte und sah automatisch hinter mich, um zwischen den rauchenden Feuern nach Ians hochgewachsener, hagerer Gestalt zu suchen, begriff aber im selben Moment, dass das nicht der Ian war, den er gemeint hatte.
„Nein, der andere Ian“, sagte Jamie und lächelte, als er meinen Blick auffing. „Mein Freund, aye? “
„Machst du das oft?“, fragte ich neugierig und setzte mich dicht neben ihm auf einen Felsen. Er wandte sich mir zu, und ich sah den weißen Stoffbausch an seiner Schulter. „Dein Rocksaum ist an der Schulter aufgegangen. Zieh ihn doch aus, und ich flicke ihn. Du kannst doch nicht mit einem losem Ärmel in die Schlacht ziehen; General Washington hätte bestimmt etwas dagegen.“
Er prustete leise, stand aber gehorsam auf und wand sich aus dem schweren Rock, während ich das Nähzeug aus meiner Tasche holte und eine Nadel ausfindig machte, in die etwas Dunkles eingefädelt war – im Dämmerlicht war es unmöglich, Schwarz von Indigo zu unterscheiden.
„Aye, ich rede schon öfter mit Ian“, sagte er ganz nüchtern und setzte sich wieder. „Hier und da ein Wort, wenn mich etwas an ihn erinnert. Aber letzte Nacht habe ich von ihm geträumt, von unserer Zeit in Frankreich, also war er mir heute immer noch nah.“
Ich sah ihn scharf an. Normalerweise wusste ich, wenn er träumte – und ich wusste immer, wenn er vom Krieg träumte – doch letzte Nacht war mir keine Störung seines Schlafs aufgefallen. Stattdessen hatte er bis zum frühen Morgen geschlafen wie ein Stein, sich dann plötzlich umgedreht, mich in die Arme genommen und war augenblicklich wieder eingeschlafen, den Kopf an meiner Brust.
„Aye, es war merkwürdig“, sagte er nachdenklich, als wüsste er, was ich dachte. „Je näher es rückt –“ Er wies mit einer Handbewegung auf die Armee, die uns umgab. „Desto schrecklicher werden die Träume. Dinge, die mir wieder ins Gedächtnis kommen, aye? Aber letzte Nacht … habe ich mit Ian am Feuer gesessen, in Frankreich, und der Rest unserer Kameraden um uns herum, und wir haben unsere Dolche geschärft und gemeinsam denselben Wetzstein benutzt. Ich wusste, dass wir uns auf einen Kampf vorbereiteten, aber das hat weder mir noch Ian Sorgen gemacht. Ich war einfach nur froh, ihn dort an meiner Seite zu haben“, fügte er leise hinzu.
Ich hatte einmal gesehen, wie er nur mit seinem Hemd bekleidet in Fraser’s Ridge an einer Quelle stand und Dougal MacKenzie um Hilfe anrief, und ihn jetzt in seinem hellen Hemd vor dem Hintergrund der Dunkelheit zu sehen, erinnerte mich daran. Auch diesem Ereignis hatte etwas von dieser merkwürdigen Stille angehaftet, deren Zeuge ich gerade geworden war, doch es war nicht dasselbe.
„Hast du – Ian gebeten …äh … mit dir zu kommen?“, fragte ich vorsichtig, aber neugierig. „Jetzt gerade, meine ich. In den Kampf?“
Bei dieser Frage blinzelte er überrascht.
„Nein“, sagte er und lächelte halb verlegen. „Es ist … och, es klingt so töricht.“
„Du glaubst doch nicht, dass ich lachen würde, oder?“, fragte ich und lächelte ebenfalls. Ich steckte die Nadel in das Tuch des Rockes und nahm seine Hand. Sie war hart, doch die Handfläche war glatt, und seine Finger schlossen sich langsam um die meinen.
„Es ist nur — manchmal fühle ich mich so friedlich, aye? Ohne besonderen Grund; es kommt einfach so, das Geschenk eines Augenblicks, in dem man einfach nur am Leben ist und das alles ist, was man sich wünscht. Kennst du das auch, Sassenach?“ Sein Kopf wandte sich mir zu. Seine Gesichtszüge verschwammen jetzt in der Dunkelheit, doch ich sah das kurze Aufleuchten seiner Augen, hörte seine Bartstoppeln leise über seinen Kragen kratzen.
„Ja“, sagte ich einen Moment später. „Ja, das kenne ich. Manchmal unter den seltsamsten Umständen. Aber nicht oft … und aus heiterem Himmel.“ So wie jetzt.
„Aus heiterem Himmel“, wiederholte er, denn der Ausdruck gefiel ihm. „Aye, genau so ist es. Man kann es nicht heraufbeschwören; alles, was man tun kann, ist, den Moment zu leben – und sich, wenn man Glück hat, hin und wieder daran zu erinnern.“
Er hielt inne und räusperte sich.
„Manchmal … also, manchmal denke ich, dass die Toten als Seelen im Himmel glücklich und in Frieden sein müssen, aber trotzdem – vielleicht fehlt es ihnen ja, ein Lebewesen zu sein. Was es bedeutet, zu berühren, zu schmecken, zu atmen und alles. Und so … habe ich einfach nur hier gesessen, den Bauch voll mit gutem Essen, den Geschmack von anständigem Bier auf der Zunge, und gedacht, wie schön es doch ist, mich hinzusetzen und mich auszuruhen und wie sanft sich die Nachtluft in meinem Gesicht anfühlt und … aye, nun ja. Manchmal gibt es einen schönen Moment, und dann … nun ja, dann lade ich einen meiner Toten ein, könnte man sagen. Ihn mit mir zu teilen.“
Er drückte mir sanft die Hand, ließ sie los, legte den Arm um mich und zog mich so an sich, dass mein Kopf an seiner Brust lag. Ich konnte das langsame Klopfen seines Herzens spüren und das sanfte Gurgeln seines Magens, konnte scharfen Senf und Bier in seinem Atem riechen, seinem Schweiß und die Sonne des Tages auf seiner Haut.
„Ich spüre sie nicht immer in meiner Nähe – aber heute Abend wusste ich, dass Ian da war.“ Ich hoffte zwar, dass er meine feuchten Tränen nicht durch sein Hemd dringen spürte, doch er spürte sie, denn er lehnte sich ein wenig zurück, nahm mit einem tröstenden Geräusch mein Gesicht in die Hände und wischte mir die Tränen mit den Daumen ab, dann beugte er sich vor und küsste mich sanft und langsam.
„Du lebst in all meinen Augenblicken, Sassenach“, flüsterte er. „Und dein Geschmack ist immer auf meiner Zunge.“

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[Und vielen vielen Dank an Barbara Schnell, meine allerbeste deutsche Übersetzerin sowie Herrin über die deutsche Diana-Gabaldon-Website, für die Idee mit den „Adventskerzen“. Danke!]