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Ein paar Worte zu (und aus) Buch Neun

Ein paar Worte zu (und aus) Buch Neun

Ich schreibe kontinuierlich am neunten Jamie-und-Claire-Buch, das noch keinen deutschen Titel hat. Die häufig gestellte Frage, wann es erscheint, kann ich nach wie vor nicht beantworten, aber es wird nicht mehr 2017 sein. Wenn man auf einer Website Hashtags benutzen würde, würden sie für diesen Beitrag so aussehen: #BuchNeun, #neinesistnichtfertig, #nichtannähernd, #vielleichtEnde2018, #vielleichtauchnicht, #werweiß.

Ich hoffe, Sie haben unterdessen Freude an den kleinen Einblicken, die ich Ihnen hier gebe.

–Diana

 

Ich fuhr aus dem Tiefschlaf auf, weil Jamie neben mir mit der Wucht einer Explosion aus dem Bett schoss. Das kam zwar häufiger vor, doch es endete wie immer damit, dass ich mit trockenem Mund und völlig benommen kerzengerade zwischen den Decken saß und mein Herz wie eine Bohrmaschine hämmerte.

Er war schon unten; ich hörte das Geräusch seiner nackten Füße auf den letzten Treppenstufen – übertönt von festem, rasendem Pochen an der Haustür. Im ganzen Haus breitete sich Unruhe aus: raschelnde Bettwäsche, verschlafene Stimmen, Türen, die sich öffneten.

Ich schüttelte heftig den Kopf und warf die Decken von mir. Für ihn oder mich?, war der erste zusammenhängende Gedanke, der sich aus dem wabernden Nebel in meinem Hirn formte. Nächtliche Alarmrufe wie dieser konnten Nachrichten von Gewaltausbrüchen oder Unglücksfällen sein, und manchmal wurde jede Hand gebraucht, weil ein Haus brannte oder jemand unerwartet an einer Quelle auf einen jagenden Berglöwen getroffen war. Häufiger jedoch …

Ich hörte Jamies Stimme, und die Panik ließ von mir ab. Sie war leise und fragend und ihr Auf und Ab bedeutete, dass er jemanden beruhigte. Es redete noch jemand, schrill und aufgeregt, aber es klang nicht nach einer Katastrophe.

Für mich also. Geburt oder Unfall? Mein Verstand war plötzlich wieder aufgetaucht und funktionierte in aller Klarheit, während mein Körper noch im Dunklen tappte und sich zu erinnern versuchte, was ich mit meinen schmutzigen Strümpfen gemacht hatte. Wahrscheinlich eine Geburt, mitten in der Nacht … Doch am Rand meiner Gedanken lauerte immer noch der beunruhigende Gedanke an ein Feuer.

Ich hatte ein klares Bild von meiner Notfallausrüstung im Kopf und war dankbar, dass ich just vor dem Abendessen daran gedacht hatte, sie wieder aufzufüllen. Sie stand einsatzbereit an der Ecke meines Sprechzimmertischs. Andere Gedanken waren weniger klar; ich hatte mein Korsett falsch herum angezogen. Ich riss es mir vom Leib, warf es auf das Bett und ging zum Waschtisch, um mir Wasser ins Gesicht zu spritzen. Dabei dachte ich diverse Dinge, die ich nicht laut sagen konnte, weil ich jetzt Kinderfüße über den Treppenabsatz trappeln hören konnte.

Als ich etwas verspätet am Fuß der Treppe ankam, standen Fanny und Germain bei Jamie, der mit einem jungen Mädchen sprach, das nicht älter als Fanny war. Bestürzt stand sie da, barfuß und nur in einem zerschlissenen Hemd. Ich kannte sie nicht.

„Ach, hier ist sie ja“, sagte Jamie und sah sich um. Er hatte eine Hand auf der Schulter des Mädchens liegen, als wollte er sie am Davonfliegen hindern. Sie sah so aus, als könnte das passieren: dünn wie ein Strohhalm, das babyfeine braune Haar vom Wind verknotet, und ihre Augen sahen sich nervös überall nach möglicher Hilfe um.

„Das ist Annie Cloudtree, Claire“, sagte er und wies kopfnickend auf das Mädchen. „Fanny, könntest du ein Schultertuch oder etwas anderes suchen, was wir der Kleinen leihen können, damit sie nicht erfriert?“

„Ich brauche n-nichts …“, begann das Mädchen, doch sie hatte die Arme um sich selbst geschlungen und zitterte so heftig, dass ihre Worte bebten.

„Ihre Mutter ist schwanger“, unterbrach Jamie sie und sah mich an. „Und sie hat wohl Schwierigkeiten bei der Geburt.“

„Wir k-können nichts b-bezahlen …“

„Keine Sorge“, sagte ich. Ich nickte Jamie zu und nahm sie in die Arme. Sie war klein und knochig und sehr verfroren, wie ein halb befiederter Jungvogel, der aus dem Nest gefallen ist.

„Es wird alles gut“, sagte ich leise zu ihr und glättete ihr das Haar. „Wir gehen sofort zu deiner Mutter. Wo wohnt ihr denn?“

Sie schluckte und hielt den Kopf gesenkt, doch sie fror so sehr, dass sie sich an mich klammerte, um sich zu wärmen.

„Ich weiß es nicht. Ich m-meine … ich kann es nicht sagen. Nur … wenn Ihr mit mir kommen könnt, kann ich Euch hinbringen?“ Sie war keine Schottin.

Ich sag Jamie fragend an – ich hatte noch nie von den Cloudtrees gehört; sie mussten sich erst kürzlich angesiedelt haben –, doch er schüttelte den Kopf und zog eine Augenbraue hoch. Er kannte sie ebenfalls nicht.

„Bist du zu Fuß gekommen, Kleine?“, fragte er, und als sie nickte, fragte er: „Hat die Sonne noch geschienen, als du zu Hause aufgebrochen bist?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Sir. Es war schon dunkel, wir waren alle schlafen gegangen. Dann hat meine Mutter plötzlich Wehen bekommen, und …“ Sie schluckte noch einmal, und Tränen stiegen ihr in die Augen.

„Und der Mond?“, fragte Jamie, als gäbe es keinen Grund zur Unruhe. „War er schon aufgegangen, als du los bist?“

Sein beiläufiger Ton beruhigte sie ein wenig, und sie holte hörbar Luft, schluckte und nickte.

„Er stand schon hoch, Sir. Zwei Handbreit über dem Rand der Erde.“

„Wie poetisch du das ausdrückst“, sagte ich und lächelte sie an. Fanny war mit dem alten Schultertuch gekommen, das ich zum Gärtnern trug – es war fadenscheinig und hatte Löcher, war aber ursprünglich aus dicker Schurwolle. Ich nickte Fanny dankend zu, nahm es ihr ab und legte es dem Mädchen um die Schultern.

Jamie war auf die Veranda hinausgetreten, vermutlich um zu sehen, wo der Mond jetzt stand. Er kam wieder herein und nickte mir zu.

„Die tapfere Kleine ist ungefähr drei Stunden in der Nacht unterwegs gewesen, Sassenach. Miss Annie – gibt es einen anständigen Weg zum Haus deines Vaters?“

Sie verzog die sanfte Stirn – sie war sich nicht sicher, was „anständig“ in diesem Zusammenhang wohl bedeutete –, doch sie nickte unsicher.

„Es gibt einen Weg“, sagte sie und blickte von Jamie zu mir, als hoffte sie, dass das reichte.

„Dann reiten wir“, sagte er über ihren Kopf hinweg zu mir. „Der Mond ist hell genug.“ Und ich glaube, wir beeilen uns besser, fügte seine Miene hinzu. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass er recht hatte.

 

© 2017 Diana Gabaldon & Barbara Schnell. Bitte teilt diesen Beitrag oder verlinkt darauf, aber kopiert ihn nicht.