dianagabaldon.com dianagabaldon.com

Ein kleines Geschenk für die deutschen Leser zur Feier der „Outlander“-TV-Premiere

Ein kleines Geschenk für die deutschen Leser zur Feier der „Outlander“-TV-Premiere

Am Tag der Deutschland-Premiere der TV-Verfilmung ein kleines Geschenk für meine treuen Leser, die diese Verfilmung erst möglich gemacht haben.
Herzlich –
Diana

Auszug aus Outlander Buch 9
© Diana Gabaldon, Barbara Schnell, Knaur Verlag
Bitte verlinkt auf diesen Beitrag, aber kopiert ihn nicht; er unterliegt dem Urheberrecht!

Die Fliege senkte sich in Spiralen, grün und gelb wie ein fallenden Blatt, und landete zwischen den Ringen der aufsteigenden Insektenlarven. Eine, vielleicht zwei Sekunden trieb sie auf der Oberfläche, dann verschwand sie mit einem kleinen Platschen, von gierigen Kiefern aus dem Blickfeld gerissen. Roger ruckte kräftig am Ende seiner Angelrute, um den Haken einrasten zu lassen, doch es war nicht nötig. Die Forellen waren heute Abend hungrig und bissen nach allem, und sein Fisch hatte den Haken so tief geschluckt, dass nur noch rohe Gewalt nötig war, um ihn aus dem Wasser zu holen.
Doch das Tier tauchte kämpfend auf und schlug im letzten Licht versilbert um sich. Roger konnte das Leben der Forelle durch die Angelschnur spüren, leuchtend und kraftvoll, so viel größer als der Fisch selbst, und sein Herz stieg ihm entgegen.
„Wer hat dir beigebracht, die Angel so auszuwerfen, Roger Mac?“ Sein Schwiegervater ergriff die Forelle, als sie immer noch zuckend an Land kam, und erschlug sie mit einem gezielten Schlag gegen einen Stein.
Roger winkte bescheiden ab, doch er errötete ein wenig vor Freude über das Kompliment; Jamie sagte so etwas nicht einfach so.
„Mein Vater“, sagte er.
„Aye?“, sagte Jamie verblüfft, und Roger verbesserte sich hastig.
„Der Reverend, meine ich. Eigentlich war er ja mein Großonkel, und auch das nur angeheiratet.“
„Trotzdem dein Vater“, sagte Jamie, doch er lächelte. Er blickte zum anderen Ufer des Teichs, wo sich Germain und Jemmy zankten, wer den größten Fisch gefangen hatte. Sie hatten eine ansehnliche Schnur voller Fische, hatten aber nicht daran gedacht, ihre Ausbeute zu trennen, und jetzt konnten sie nicht mehr sagen, wer was gefangen hatte.
„Du glaubst nicht, dass es etwas anderes ist? Dass Jemmy der meine ist, weil wir blutsverwandt sind, und Germain, weil ich ihn liebe?“
„Du weißt genau, dass ich das nicht glaube.“ Auch Roger lächelte beim Anblick der beiden Jungen. Germain war zwei Jahre älter als Jem, aber schmal wie seine beiden Eltern. Jem hatte die langen Gliedmaßen und breiten Schultern seines Großvaters – und seines Vaters, dachte Roger und richtete sich auf. Die beiden Jungen waren etwa gleich groß, und im Moment leuchtete das Haar auf beiden Köpfen rot, denn das Licht der sinkenden Sonne hüllte Germains blonden Schopf in Flammen. „Wo ist eigentlich Fanny? Sie würde den Streit schlichten.“
Frances war zwölf, doch manchmal schien sie viel jünger zu sein – und oft auf verblüffende Weise älter. Sie war fest mit Germain befreundet gewesen, als Jem in Fraser’s Ridge eintraf, und ziemlich hochnäsig, weil sie Angst hatte, dass sich Jem zwischen sie und ihren einzigen Freund stellen würde. Doch Jem hatte ein offenes, freundliches Gemüt, und Germain wusste einiges mehr über den Charakter der Menschen als der durchschnittliche elfjährige Ex-Taschendieb, und bald sah man die drei nur noch zusammen, wenn sie kichernd durch das Gebüsch huschten, um irgendetwas Mysteriöses zu erledigen, oder wenn sie am Ende des Butterstampfens auftauchten, zu spät, um bei der Arbeit zu helfen, aber genau rechtzeitig für ein Glas Buttermilch.
„Ach, die arme Kleine hat gestern Abend ihre Tage bekommen.“ Jamie zuckte mit einer Schulter, eine ökonomische Geste, die zugleich besagte, dass er die Tatsache als das erkannte, was sie war, dass er sie bedauerte und dass er nichts daran ändern konnte.
Roger nickte und schob den Auffädler durch den dunkelroten Kiemenschlitz des Fischs. Er wusste, was Jamie meinte. Jems Eintreffen war nicht das Ende von Fannys Freundschaft mit Germain gewesen – dies hier würde es möglicherweise sein. Zumindest konnte es diese Freundschaft unwiderruflich verändern, was wahrscheinlich für Fanny auf dasselbe hinauslaufen würde.
Doch es war in der Tat nicht zu ändern, und beide Männer schwiegen.
Die Sonne leuchtete tief zwischen den Bäumen hindurch, doch die Forellen waren immer noch gierig; das Wasser kräuselte sich in Dutzenden leuchtender Ringe, und immer wieder spritzte es, wenn ein Fisch aufsprang. Einen Moment lang legten sich Rogers Finger fester um seine Angelrute, denn die Verlockung war groß — doch sie hatten genug für das Abendessen und auch für das morgige Frühstück. Es hatte keinen Sinn, noch mehr zu fangen; das Räucherhaus war voll.
Doch Jamie sah nicht so aus, als wollte er aufbrechen. Er saß auf einem bequemen Baumstumpf, die Beine nackt und nur im Hemd, während sein altes Jagdplaid als Häuflein hinter ihm lag; der Tag war für die Jahreszeit warm gewesen, und die Luft war immer noch angenehm. Er warf einen Blick auf die Jungen, die ihren Streit vergessen hatten und ihre Angeln noch einmal ausgeworfen hatten, konzentriert wie zwei Eisvögel.
Dann wandte sich Jamie Roger zu und sagte in völlig normalem Ton: „Gibt es bei den Presbyterianern das Sakrament der Beichte, mac mo chinnidh?“
Im ersten Moment sagte Roger nichts, verblüfft über die Frage und das, was womöglich dahintersteckte, und darüber, dass ihn Jamie als „Sohn meines Hauses“ angesprochen hatte – etwas, was er bis jetzt genau einmal getan hatte, vor einigen Jahren beim Aufruf der Clans am Mount Helicon.
Doch die Frage selbst war ja ganz direkt, und genau so antwortete er auch.
„Nein. Die Katholiken haben sieben Sakramente, aber bei den Presbyterianern gelten nur zwei: Die Taufe und das Abendmahl.“ Er hätte es dabei belassen können, doch die Andeutung hinter der Frage war zu deutlich.
„Gibt es etwas, was du mir sagen möchtest, Jamie?“ Vermutlich war es auch das zweite Mal, dass er seinen Schwiegervater mit „Jamie“ ansprach. „Ich kann dir keine Absolution erteilen – aber ich kann dir zuhören.“
Er hätte eigentlich nicht gesagt, dass er Anspannung in Jamies Gesicht gesehen hätte. Doch jetzt entspannte es sich, und der Unterschied war so deutlich zu sehen, dass sich sein Herz für Jamie öffnete, bereit aufzunehmen, was auch immer er sagen wollte. Dachte er zumindest.
„Aye.“ Jamies Stimme war heiser, und er räusperte sich, dann senkte er etwas schüchtern den Kopf. „Aye. Das reicht mir. Erinnerst du dich an die Nacht, als wir Claire von den Banditen befreit haben?“
„Das werde ich wohl nie vergessen“, sagte Roger und starrte ihn an. Er blickte zu den Jungen hinüber, doch sie waren nach wie vor beschäftigt, und er wandte sich zu Jamie zurück. „Warum?“, fragte er argwöhnisch.
„Warst du am Ende dabei, als ich Hodgepile das Genick gebrochen habe und Ian mich gefragt hat, was mit dem Rest geschehen soll? Ich habe gesagt: ‚Tötet sie alle‘.“
„Ich war dabei.“ So war es. Und er wollte nicht dorthin zurück. Drei Worte, und alles war wieder da, dicht unter der Oberfläche seines Gedächtnisses, immer noch kalt bis ins Mark: die schwarze Nacht im Wald, das sengende Gleißen des Feuers in seinen Augen, der kalte Wind, der Blutgeruch. Die Trommeln – Bodhrandonner an seinem Arm, zwei weitere Trommeln hinter him. Schreie in der Dunkelheit. Plötzlich aufglänzende Augen und das übelkeitserregende Gefühl eines Schädels, der zertrümmert wurde.
„Ich habe einen von ihnen umgebracht“, sagte er abrupt. „Wusstest du das?“
Jamie hatte den Blick nicht abgewendet und sah ihn auch jetzt unverwandt an; sein Mund presste sich kurz zusammen, und er nickte.
„Ich habe nicht gesehen, wie du es getan hast“, sagte er. „Aber es stand dir am nächsten Tag ins Gesicht geschrieben.“
„Kein Wunder.“ Rogers Kehle verkrampfte sich, und seine Stimme war belegt und schroff. Er war überrascht, dass es Jamie aufgefallen war – eigentlich hatte er an diesem Tag von nichts anderem mehr Notiz genommen als von Claire, sobald der Kampf vorüber war. Dieses Bild, wie sie an einem Bach kniete und sich mit ihrem Spiegelbild im Wasser selbst die gebrochene Nase richtete, das Blut, das ihr über den blau geschlagenen, nackten Körper lief, stand ihm plötzlich mit der Wucht eines Fausthiebs in den Solar Plexus vor Augen.
„Man weiß nie, wie es wird.“ Jamie zuckte mit einer Schulter und ließ sie wieder sinken; er hatte den Riemen verloren, der sein Haar zusammenhielt, weil es sich in einem Ast verfangen hatte, und die dichten roten Strähnen regten sich im Abendwind. „Ein solcher Kampf, meine ich. Woran man sich erinnert und woran nicht. Doch ich erinnere mich an alles, was in dieser Nacht geschehen ist – und am Tag danach.“
Roger nickte, sagte aber nichts. Es stimmte, dass es bei den Presbyterianern kein Beichtsakrament gab – und er bedauerte das sehr; es war nützlich, wenn man auf so etwas zurückgreifen konnte. Ganz besonders, so vermutete er, wenn man die Art von Leben führte, wie Jamie es tat. Doch jeder Priester weiß, dass die Seele sprechen und gehört werden muss, und das konnte er Jamie bieten.
„Das kann ich mir vorstellen“, sagte er. „Bereust du es denn? Dass du den Männern gesagt hast, sie sollen alle töten, meine ich.“
„Keine Sekunde.“ Jamie warf ihm einen kurzen, heftigen Blick zu. „Bereust du, dass du daran beteiligt warst?“
„Ich …“ Roger hielt abrupt inne. Nicht, dass er noch nicht darüber nachgedacht hatte, aber … „Ich bereue, dass ich es musste“, sagte er vorsichtig. „Sehr sogar. Aber ich bin mir absolut sicher, dass ich es musste.“
Jamie atmete seufzend aus.
„Ich vermute, du weißt, dass Claire vergewaltigt worden ist.“ Es war keine Frage, doch Roger nickte. Claire hatte nicht darüber geredet, nicht einmal mit Brianna – aber das war auch nicht nötig gewesen.
„Der Mann, der es getan hat, ist in dieser Nacht nicht getötet worden. Sie hat ihn letzten Monat bei Beardsley gesehen.“
Der Abendwind war kalt geworden, doch das war es nicht, was Roger die Haare auf dem Unterarm zu Berge stehen ließ. Jamie war ein Mann, der sich präzise ausdrückte – und er hatte dieses Gespräch mit dem Wort „Beichte“ begonnen. Roger legte sich seine Antwort sorgfältig zurecht.
„Ich nehme an, du möchtest nicht von mir wissen, was du meiner Meinung nach tun solltest.“
Einen Moment saß Jamie schweigend da, dunkel vor dem flammenden Himmel.
„Nein“, sagte er leise. „das möchte ich nicht.“
„Opa! Sieh nur!“ Jem und Germain kamen über die Felsen und Sträucher geklettert, jeder mit einer Schnur voller schimmernder Forellen, von denen Blut und Wasser in dunklen Streifen an den Hosen der Jungen hinunterliefen, Die Fische hingen bronze- und silberglänzend im letzten Abendlicht.
Roger wandte sich von den Jungen ab und sah gerade noch, wie etwas in Jamies Blick aufflackerte, als dieser die Jungen ansah. Das plötzliche Licht gab seine fragende, nach innen gekehrte Miene preis, die im nächsten Moment verschwand, als er seinen Enkelsöhnen lächelnd die Hand entgegenstreckte, um ihren Fang zu bewundern.
Großer Gott, dachte Roger. Er fühlte sich, als sei ihm ein elektrischer Draht wie der Blitz durch die Brust gefahren, dünn und sengend. Er fragt sich, ob sie schon alt genug sind. Um so etwas mit anzuhören.
„Wir haben beschlossen, dass jeder von uns sechs hat“, erklärte Jemmy, der seine Schnur voller Stolz hochhielt, so dass sein Vater und sein Großvater seinen Fang in voller Größe und Schönheit betrachten konnten.
„Und die sind für Fanny“, sagte Germain und hob eine kürzere Schnur hoch, an der drei fette Forellen baumelten. „Wir haben beschlossen, dass sie auch welche gefangen hätte, wenn sie hier gewesen wäre.“
„Das war lieb von euch, Jungs“, sagte Jamie lächelnd. „Das wird sie bestimmt freuen.“
„Mmpfm“, sagte Germain, obwohl seine Stirn leicht gerunzelt war. „Kann sie denn weiter mit uns angeln gehen, Grand-père? Mrs. Wilson sagt, das geht nicht, weil sie jetzt eine Frau ist.“
Jemmy prustete verächtlich und stieß Germain mit dem Ellbogen an. „Sei doch nicht dumm“, sagte er. „Meine Mama ist auch eine Frau, und sie geht auch angeln. Außerdem jagt sie auch, aye?“
Germain nickte, schien aber nicht überzeugt zu sein.
„Aye, das tut sie“, räumte er ein. „Aber Mr. Crombie mag das nicht und Heron auch nicht.“
„Heron?“, sagte Roger überrascht. Hiram Crombie war der Meinung, dass Frauen kochen, putzen, spinnen, nähen, Kinder hüten, das Vieh füttern und den Mund halten sollten, außer, wenn sie beteten. Aber Standing Heron Bradshaw war ein Cherokee, der eine der Lutheranerinnen aus Salem geheiratet und sich auf der anderen Seite des Berges angesiedelt hatte. „Warum denn? Die Cherokeefrauen bestellen ihre Felder selbst, und ich bin mir sicher, dass ich sie auch schon mit Netzen und Fallen fischen gesehen habe.“
„Vom Fischen hat Heron nichts gesagt“, erklärte Jem. „Er sagt aber, Frauen können nicht jagen, weil sie nach Blut riechen und das das Wild vertreibt.“
„Nun, das stimmt“, sagte Jamie zu Rogers Überraschung. „Aber nur, wenn sie ihre Tage haben. Und selbst dann … wenn sie sich vor dem Wind halten … “
„Würde eine Frau, die nach Blut riecht, keine Bären oder Panther anlocken? “, fragte Germain. Der Gedanke schien ihn etwas zu sorgen.
„Wahrscheinlich nicht“, sagte Roger und hoffte, dass er Recht hatte. „Und wenn ich du wäre, würde ich so etwas nicht zu deiner Tante sagen. Es könnte sie ärgern.“
Jamie stieß einen kleinen, belustigten Laut aus und schickte die Jungen davon.
„Ab mit euch, Jungs. Wir haben etwas zu besprechen. Sagt eurer Oma, wir sind rechtzeitig zum Essen da, aye?“
Sie warteten und sahen zu, bis die Jungen außer Hörweite waren. Der Wind war jetzt abgeflaut, und die letzten Ringe breiteten sich träge auf dem Wasser aus und glätteten sich, bis sie im zunehmenden Schatten verschwanden. Winzige Fliegen begannen, die Luft zu erfüllen, Überlebende des großen Schlüpfens.
„Dann hast du es getan?“, fragte Roger. Er fürchtete die Antwort; was, wenn es noch nicht geschehen war und Jamie seine Hilfe wollte?
Doch Jamie nickte, und seine breiten Schultern entspannten sich.
„Claire hat mir nichts davon erzählt. Ich habe natürlich sofort gesehen, dass ihr etwas Sorgen bereitete …“ Seine Stimme war mit reumütiger Belustigung versetzt; Claire war für ihr Glasgesicht bekannt. „Aber als ich sie darauf angesprochen habe, hat sie mich gebeten, nicht in sie zu dringen und ihr Zeit zum Nachdenken zu lassen.“
„Hast du das getan?“
„Nein.“ Die Belustigung war verschwunden. „Ich konnte sehen, dass es etwas Ernstes war. Ich habe meine Schwester gefragt; sie hat es mir erzählt. Sie war zusammen mit Claire bei Beardsley, aye? Sie hat den Mann auch gesehen und konnte aus Claire herausbekommen, was los war. Claire hat zu mir gesagt – als ich ihr klargemacht habe, dass ich Bescheid wusste –, dass alles gut war; dass sie versuchte, dem Mistkerl zu vergeben. Und dass sie glaubte, damit gute Fortschritte zu machen. Im Großen und Ganzen.“ Jamies Ton war zwar sachlich, doch Roger glaubte, einen Hauch von Bedauern zu hören.
„Hast du … das Gefühl, du hättest sie selbst damit fertig werden lassen sollen? Es ist ein … ein Prozess, jemandem zu vergeben. Nichts, was man einmal tut, meine ich.“ Er fühlte sich bemerkenswert unbehaglich und hustete, weil seine Stimme belegt war.
„Das weiß ich“, sagte Jamie in einem Ton, der so trocken war wie Sand. „Es gibt kaum jemanden, der es besser weiß.“
Verlegene Röte brannte sich über Rogers Brust in seinen Halsausschnitt hinauf. Er konnte spüren, wie sie ihn bei der Kehle packte, und im ersten Moment versagte ihm die Stimme ganz.
„Aye“, sagte Jamie. „Aye, du hast Recht. Aber ich glaube, es ist vielleicht einfacher, einem Toten zu vergeben als jemandem, der einem vor der Nase umher spaziert. Außerdem dachte ich, es könnte ihr leichter fallen, mir zu vergeben als ihm.“ Er zog eine Schulter hoch und ließ sie wieder fallen. „Und … ob sie nun den Gedanken ertragen konnte, dass der Mann in unserer Nähe lebte, oder nicht – ich konnte es nicht.“
Roger signalisierte ihm mit einem kleinen Laut, dass er verstand; es schien darauf keine sinnvolle Erwiderung zu geben.
Jamie regte sich nicht und sagte nichts. Mit leicht abgewandtem Kopf saß er da und blickte über das Wasser hinaus, wo ein flüchtiges Licht auf der vom Wind gekräuselten Oberfläche schimmerte.
„Es war vielleicht das Schlimmste, was ich je getan habe“, sagte er schließlich ganz leise.
„Meinst du moralisch?“, fragte Roger um einen neutralen Ton bemüht. Jamie wandte ihm den Kopf zu, und Roger sah das blaue Aufblitzen der Überraschung, als die letzten Sonnenstrahlen auf sein Gesicht fielen.
„Och, nein“, sagte sein Schwiegervater sofort. „Es war nur schwer, es zu tun. “
„Aye.“ Roger ließ es wieder still werden und wartete. Er konnte fühlen, wie Jamie überlegte, obwohl sich der Mann nicht bewegte. Hatte er das Bedürfnis, es jemandem zu erzählen, es noch einmal zu durchleben und seiner Seele Erleichterung zu verschaffen, indem er alles beichtete? In seinem Inneren herrschten zugleich furchtbare Neugier und der verzweifelte Wunsch, es nicht zu hören. Er holte Luft und sprach abrupt.
„Ich habe es Brianna erzählt. Dass ich Boble umgebracht hatte – und wie. Vielleicht hätte ich das nicht tun sollen.“
Jamie saß jetzt vollständig im Schatten, doch Roger konnte spüren, wie die blauen Augen auf seinem Gesicht ruhten, das von der sinkenden Sonne voll beleuchtet wurde. Es kostete ihn Mühe, nicht den Blick zu senken.
„Aye?“, sagte Jamie ruhig, aber definitiv neugierig. „Was hat sie zu dir gesagt? Wenn es dir nichts ausmacht, es mir zu erzählen, meine ich.“
„Ich – nun ja. Um die Wahrheit zu sagen, dass einzige, was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass sie ‚ich liebe dich‘ gesagt hat.“ Das war das einzige, was er gehört hatte, im Echo der Trommeln, und im Trommeln des Pulsschlags in seinen Ohren. Er hatte es ihr kniend erzählt, seinen Kopf in ihrem Schoß. Sie hatte es immer wieder gesagt: „Ich liebe dich“, ihm die Arme um die Schultern geschlungen, ihn in ihrem fallenden Haar geborgen, ihm mit ihren Tränen Absolution geschenkt.
Einen Moment war er ganz in diese Erinnerung zurückversetzt, dann kam er abrupt zu sich, weil er begriff, dass Jamie etwas gesagt hatte.
„Was hast du gesagt?“
„Ich habe gesagt – und wie kommt es, dass die Presbyterianer nicht glauben, dass die Ehe ein Sakrament ist?“

– Ende des Auszugs –