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Die vierte Kerze brennt …

Die vierte Kerze brennt …

Heute ist der vierte (und letzte) Sonntag im Advent. Wir leben (wie es die Menschen immer getan haben) in einer Welt großer Ungewissheit. Wir wissen so wenig, und wir haben (glauben wir) keine Macht, die Dinge zu beeinflussen. Und doch haben wir die Macht der Liebe und der Zuversicht, dass mit Geduld und einem guten Herzen vieles zu bewirken ist. Und so schreiten wir voll Zuversicht und Vertrauen dem Licht entgegen.
Ich wünsche Euch allen einen schönen, gesegneten Advent! (Und ein wunderbares Fest des Lichts, ob es Weihnachten, Hannukah, Kwanzaa, die Sonnenwende oder ein anderes Fest Eurer Wahl ist!)

„Ist es … seltsam?“, fragte Rachel schüchtern. „Ich meine, du bist doch Historiker, und jetzt befindest du dich selbst in der Geschichte?“
Roger öffnete den Mund, um zu antworten, schloss ihn dann aber. Nicht, dass er noch nicht darüber nachgedacht hatte, doch es würde vermutlich ein wenig dauern, sich eine vernünftige Antwort zurechtzulegen, und er wollte unterdessen keine Fliegen hineinlassen.
Es schien Rachel nicht zu stören, dass er nicht sofort etwas sagte, und er war ein weiteres Mal beeindruckt von ihrer Geduld. Sie fuhr damit fort, die Butter zu stampfen, und die sanften Konturen ihrer Armmuskeln bewegten sich im Rhythmus.
„Das Seltsame daran ist“, sagte er schließlich, „dass es eigentlich gar nicht merkwürdig ist, außer in einer Hinsicht, die man vielleicht prophetisch nennen könnte.“
„Prophetisch?“ Sie richtete den Blick mit dem Hauch eines Lächelns auf ihn, dann – mit einem mütterlichen Reflex, der ihm bestens vertraut war – auf Oggy, der nach wie vor in seinem sonnigen Körbchen im Koma lag. „Willst du damit sagen, dass du Dinge über die Gegenwart schreiben wirst, die von späteren Generationen gelesen werden? Natürlich tut jeder Autor das – aber deine Sichtweise muss ja durch das Wissen beeinflusst sein, wie diese zukünftigen Generationen leben werden. Ist es das, was du meinst?“
„Dieser Gedanke ist mir noch gar nicht gekommen“, sagte er interessiert. „Ich schreibe tatsächlich über die Gegenwart – Dinge wie die Lieder, die Gedichte, den Alltag der Menschen – aber ich glaube nicht, dass ich je daran gedacht habe, mich zu fragen, was die Zukunft damit anfangen wird. Ich hatte nur das Gefühl – also, ich habe das Gefühl –, dass ich sie bewahren muss, sie weitergeben muss.“
„Das ist gewiss ein ehrbares Ziel“, versicherte sie ihm ernst. „Aber was ist daran prophetisch?“ Sie hielt inne, und der Inhalt des Fasses schwappte umher, als es zur Ruhe kam. „Ich kann spüren, wie die Butter kommt … lass mich nachsehen …“ Aus Neugier stand er auf und trat an ihre Seite, um in die kleine Öffnung an der Seite des Fasses zu blicken, die sie aufgeklappt hatte. Der sahnige Duft ganz frischer Milch umhüllte ihn, und er atmete so tief ein, dass er ihn kühl und cremig im Gaumen spüren konnte. Im Schatten des Fasses konnte er Flocken und Klümpchen auf der Oberfläche beben sehen, die einen Hauch dunkler gefärbt waren als die Milch.
„Ja“, sagte sie und lächelte ihn an. „Nur noch ein paar Augenblicke.“ Sie schloss das Fass und begann erneut, kräftig zu kurbeln. „Prophezeiung, hast du gesagt.“
„Oh. Ähm, ja. Was ich meinte … es hat mit den Menschen zu tun. Individuen, denen ich begegne oder von denen ich höre, meine ich. Meistens ist es nur … das, was nun einmal geschieht, wenn man einem anderen Menschen begegnet oder von ihm hört. Vielleicht findet man ihn anziehend, oder er ist interessante Gesellschaft – vielleicht auch nicht“, fügte er hinzu und lächelte über den Blick, den sie plötzlich bergauf zu ihrer Hütte warf, wo es sich Ians Mohawkfreunde zweifellos nach wie vor gut gehen ließen.
„Oh, interessante Gesellschaft sind sie“, sagte sie und presste die Lippen zusammen. „Aber?“
„Oh, aye, entschuldige, dass ich abgeschweift hin.“ Er blickte den Hügel in ihrem Rücken hinauf und lächelte sie an. „Aber hin und wieder trifft man auf jemanden, von dem man weiß – als historische Persönlichkeit, meine ich. Und man weiß, was er tun wird oder was aus ihm werden wird. Oder man kommt in die Situation, dass man sich mit jemandem unterhält, der erzählt, dass er vorhat, einen bestimmten Ort aufzusuchen, oder etwas Bestimmtes zu tun … und man weiß, dass dort etwas geschehen wird. Und man möchte dieser Person furchtbar gern erzählen, was man weiß, entweder zur Ermutigung – Jamie sagt, er hat seinen Männern hin und wieder gesagt, dass sie einen Kampf gewinnen werden, weil seine Frau das sagt, und der Himmel weiß, warum sie ihm glauben, aber anscheinend tun sie das – oder als Warnung.“

(c) Diana Gabaldon & Barbara Schnell. Bitte verlinkt auf diesen Beitrag, aber kopiert ihn nicht.