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Der zweite Advent …

Der zweite Advent …

Heute ist der zweite Sonntag im Advent. Das Leben besteht aus lauter kleinen Momenten. Nutzen wir hin und wieder einen davon für ein kurzes Gebet, einen Moment der Meditation — oder einfach, um Frieden zu atmen. Unsere vielen kleinen Momente aus Licht führen uns auf der größere Licht der Weihnacht zu.
–Diana

Am Anfang machte ich mir keine Sorgen, als Jamie nicht zurückkam. Das heißt, ich machte mir zwar Sorgen — ich machte mir immer Sorgen, wenn er länger weg war –, doch auf eine leise und geheime Weise, die ich meistens erfolgreich vor mir selbst verbergen konnte. Als die Schatten im Schnee sich mit der sinkenden Sonne violett färbten, begann ich allerdings, mit zunehmender Intensität nach ihm zu lauschen.
Ich machte meine Arbeit und erwartete dabei ständig, das Knirschen seiner Schritte zu hören, lauschte auf einen Ausruf, jederzeit bereit, hinauszulaufen und ihm zu helfen, falls er einen Truthahn mitgebracht hatte, der gerupft werden musste, oder etwas anderes, mehr oder weniger Essbares, das gesäubert werden musste. Ich fütterte und tränkte die Maultiere und Pferde und blickte ständig zum Berg hinauf. Als das Nachmittagslicht um mich herum erstarb, ging die Erwartung in Hoffnung über.
Es wurde kühl in der Blockhütte, und ich ging hinaus, um neues Holz zu holen. Ich glaubte nicht, dass es viel später als vier Uhr sein konnte, doch die Schatten unter den Heidelbeeren waren bereits kalt und blau. Noch eine Stunde, und die Abenddämmerung würde hereinbrechen; in zweien würde es völlig dunkel sein.
Der Holzstapel war mit Schnee bestäubt, die äußeren Scheite feucht. Doch ich konnte ein Stück Hickoryholz zur Seite ziehen und dann in den Stapel greifen und trockene Scheite herausziehen — immer auf der Hut vor Schlangen, Stinktieren und allem, was sonst noch Zuflucht in diesen Höhlungen gesucht haben könnte.
Ich schnüffelte, bückte mich dann und blickte vorsichtig in den Stapel, und als letzte Vorsichtsmaßnahme stieß ich einen langen Stock zwischen die Holzscheite und stocherte kurz dort herum. Da ich nichts rascheln oder gleiten und auch sonst keine Alarmgeräusche hörte, griff ich zuversichtlich hinein und tastete mich vor, bis meine Finger auf die tief gerillte Maserung eines dicken Kiefernscheites trafen. Heute abend wollte ich ein heißes, schnell brennendes Feuer; nach einem ganzen Tag auf der Jagd im Schnee würde Jamie durchgefroren sein.
Kiefer also für das Herz des Feuers und drei Hickoryscheite aus der feuchten Außenschicht des Holzstapels, die langsamer brennen würden. Diese konnte ich zum Trocknen im Herd aufstapeln, während ich das Abendessen kochte; wenn wir dann ins Bett gingen, würde ich das Feuer mit dem feuchten Hickoryholz dämpfen, das langsamer brennen und bis zum Morgen schwelen würde.
Die Schatten färbten sich indigoblau und verschmolzen mit der grauen Winterdämmerung. Der Himmel war lavendelfarben und hing voller dichter Wolken; Schneewolken. Ich konnte beim Atmen die kalte Feuchtigkeit in der Luft spüren; nach Anbruch der Dunkelheit würde mit der Temperatur auch der Schnee fallen.
„Verflixter Kerl“, sagte ich laut. „Was hast du angestellt, einen Elch geschossen?“ Meine Stimme klang leise in der nebligen Luft, doch der Gedanke erleichterte mich. Wenn er tatsächlich gegen Ende des Tages etwas Großes eingesackt hatte, konnte es gut sein, dass er beschlossen hatte, neben dem erlegten Tier zu campieren; Großwild zu zerlegen war eine ermüdende, langwierige Arbeit und Fleisch war zu rar, um es den Raubtieren zu überlassen.
Mein Gemüseeintopf brodelte vor sich hin, und die Hütte war von einem herzhaften Duft nach Zwiebeln und wildem Knoblauch erfüllt, doch ich hatte keinen Appetit. Ich schob den Kessel an seinem Haken zur Rückwand der Feuerstelle — er würde sich leicht aufwärmen lassen, wenn Jamie kam. Ein kleiner, grüner Blitz erregte meine Aufmerksamkeit, und ich bückte mich, um ihn in Augenschein zu nehmen. Ein winziger Salamander, der aus seinem Winterquartier in einer Holzspalte aufgescheucht worden war.
Er war grün und schwarz und leuchtete wie ein winziges Juwel; ich hob ihn auf, bevor er in Panik geraten und ins Feuer laufen konnte, und trug das feuchte Tierchen, das sich wie verrückt in meiner Hand wand, nach draußen. Ich setzte ihn in den Holzstapel zurück, an eine sichere Stelle in Bodennähe.
„Pass auf“, sagte ich zu ihm. „Nächstes Mal hast du vielleicht nicht so viel Glück.“

(c) 1997 Diana Gabaldon & Barbara Schnell, „Der Ruf der Trommel“. Bitte verlinkt auf diesen Beitrag, aber kopiert ihn nicht.