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Der dritte Advent: Gaudete

Der dritte Advent: Gaudete

 

Dies ist der dritte Sonntag im Advent, an dem wir in der Nachdenklichkeit innehalten und für das Glück in unserem Leben und in unseren Seelen danken und für die nahende Hoffnung und die Weihnachtsfreude. Dieser Sonntag heißt auch „Gaudete-Sonntag“ – Freuet-Euch-Sonntag.

 

WIR HATTEN GLÜCK. Es blieb trocken, und die Wolkenfetzen gaben einen Silbermond frei, der nicht ganz rund, aber strahlend hell über den Hängen des Black Mountain aufging; genau die richtige Beleuchtung für eine intime Familienhochzeit.

Ich war David Caldwell schon einmal begegnet, wenn es mir auch erst wieder einfiel, als ich ihn jetzt sah. Er war ein kleiner, aber ungemein sympathischer Mann, der makellos gekleidet war, obwohl er seit einer Woche im Freien campierte. Jamie kannte ihn ebenfalls und respektierte ihn. Das verhinderte aber nicht, dass sein Gesicht eine gewisse Anspannung widerspiegelte, als der Priester jetzt in den Schein des Feuers trat, sein abgenutztes Gebetbuch in den Händen. Doch ich stieß Jamie warnend an, und seine Miene nahm augenblicklich einen unergründlichen Ausdruck an.

Ich sah, wie Roger einen Blick in unsere Richtung warf und sich dann wieder Brianna zuwandte. Möglich, dass der Hauch eines Lächelns in seinem Mundwinkel hing, doch es hätte auch ein Spiel der Schatten sein können. Jamie atmete hörbar durch die Nase, und ich stupste ihn noch einmal an.

„Du hast bei der Taufe deinen Willen bekommen“, flüsterte ich. Er hob ein wenig das Kinn. Brianna blickte in unsere Richtung. Sie wirkte ein wenig nervös.

„Ich habe doch gar nichts gesagt, oder?“

„Es ist eine absolut respektable, christliche Hochzeit.“

„Habe ich das angezweifelt?“

„Dann mach ein frohes Gesicht, verdammt noch mal!“, zischte ich. Er atmete noch einmal aus und nahm dann einen derart wohlwollenden Gesichtsausdruck an, dass es schon fast vertrottelt aussah.

„Besser?“, fragte er, die Zähne zu einem jovialen Lächeln zusammen gebissen. Ich sah, wie Duncan Innes sich beiläufig zu uns umdrehte, zusammenfuhr und sich hastig abwandte, um Jocasta etwas zuzumurmeln, die am Feuer stand. Ihr weißes Haar leuchtete, und sie hatte eine Binde über ihre kranken Augen gezogen, um sie vor dem Licht zu schützen. Ulysses, der hinter ihr stand, hatte doch tatsächlich zur Feier des Tages seine Perücke angezogen; sie war das einzige, was ich in der Dunkelheit von ihm sehen konnte, und sie schwebte scheinbar körperlos über Jocastas Schulter in der Luft. Während ich hinsah, wandte sich das Haarteil seitwärts in unsere Richtung, und ich erhaschte den schwachen Glanz eines Augenpaars darunter.

„Wer ist das, Grand-mère?“

Germain, wie immer der elterlichen Aufsicht entwischt, tauchte zu meinen Füßen auf und deutete neugierig auf Reverend Caldwell.

„Das ist ein Pastor, Schatz. Tante Brianna und Onkel Roger heiraten.“

C’est quoi Pastor?“

Ich holte tief Luft, aber Jamie war schneller als ich.

„Es ist eine Art Priester, aber kein richtiger.“

„Böser Priester?“ Germain betrachtete Reverend Caldwell mit drastisch gesteigertem Interesse.

„Nein, nein“, sagte ich. „Er ist kein böser Priester. Es ist nur so … nun, siehst du, wir sind Katholiken, und Katholiken haben Priester, aber Onkel Roger ist Presbyterianer …“

„Das sind Ketzer“, warf Jamie hilfreicher Weise ein.

„Er ist kein Ketzer, Schatz. Grand-père macht nur Spaß, oder zumindest glaubt er das. Presbyterianer sind …“

Germain schenkte meiner Erklärung nicht die geringste Aufmerksamkeit, sondern hatte vielmehr den Kopf zurück gelegt und betrachtete Jamie fasziniert.

„Warum zieht Grand-père so ein Gesicht?“

„Wir freuen uns so“, erklärte Jamie, die Miene immer noch zu einer Maske der Liebenswürdigkeit erstarrt.

„Oh.“ Germain verzog sein extrem bewegliches Gesicht augenblicklich zu einer groben Kopie desselben Ausdrucks — einem Clownsgrinsen mit zusammen gebissenen Zähnen und vorquellenden Augen. „So?“

„Ja, Schatz“, sagte ich mit Nachdruck. „Genau so.“

Marsali sah uns an, kniff die Augen zu und zupfte Fergus am Ärmel. Er wandte sich um und blickte uns blinzelnd an.

„Froh gucken, Papa!“ Germain wies auf sein überbreites Lächeln. „Siehst du?“

Fergus‘ Mund zuckte, als er von Jamie zu seinem Sprössling blickte. Seine Miene wurde für einen Augenblick ausdruckslos und verschob sich dann zu einem enormen Lächeln, aus dem die Unaufrichtigkeit mit weißen Zähnen hervor blitzte. Marsali trat ihm vor den Knöchel. Er zuckte zusammen, lächelte aber unverwandt weiter.

Brianna und Roger trafen gerade jenseits des Feuers noch ein paar letzte Absprachen mit Reverend Caldwell. Brianna wandte sich ab, strich sich das offene Haar zurück, sah die Phalanx grinsender Gesichter und starrte sie mit leicht geöffnetem Mund an. Ihre Augen wanderten zu mir. Ich zuckte hilflos mit den Achseln.

Ihre Lippen pressten sich fest zusammen, kräuselten sich aber dennoch unwillkürlich nach oben. Unterdrücktes Gelächter ließ ihre Schultern erbeben. Ich spürte, wie Jamie neben mir erzitterte.

Reverend Caldwell trat vor, einen Finger als Lesezeichen in sein Buch gesteckt. Er setzte seine Brille auf, lächelte den Anwesenden jovial zu und blinzelte dann schwach, als er die Reihe höhnischer Fratzen erblickte.

Er hustete und schlug sein Messbuch auf.

„Liebe Anwesende, wir haben uns vor Gott versammelt …“

 

(c) Diana Gabaldon & Barbara Schnell. Aus „Das flammende Kreuz“. Bitte respektiert das Urheberrecht und verlinkt auf diesen Beitrag, aber kopiert ihn nicht.