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Das Einmaleins des Schreibens

Das Einmaleins des Schreibens

Wie ich zum Schreiben gekommen bin, werde ich immer wieder gefragt, was mir dabei geholfen hat und ob ich mein erstes Buch mit Hilfe eines CompuServe-Forums geschrieben habe. Ich fasse mich kurz, weil ich im Moment KEINE Zeit habe (bis MOBY fertig ist):
1. Nein ich habe nie Unterricht im Schreiben genommen oder Workshops besucht, außer einem oder zwei College-Kursen in “Kreativem Schreiben” (English war mein Nebenfach, dazu Chemie und Musik). Daraus habe ich aber schnell geschlossen, dass einem niemand beibringen kann, wie man Romane schreibt. Das einzig Gute an diesen Kursen ist, dass sie einen zwingen zu schreiben — aber wenn man etwas lernen will, muss man es sich selbst beibringen.
2. Was gutes Schreiben ist, habe ich durch Lesen gelernt. Ich lese, seit ich drei war; ich kann mich nicht daran erinnern, nicht lesen zu können. Und weil ich ein aufmerksamer und neugieriger Mensch war, fing ich an zu erkennen, was ein gutes Buch gut machte und warum schlechte Bücher schlecht waren. Wie ich schon oft gesagt habe: Autoren haben keine Geheimnisse; alles, was wir wissen und können, steht auf dem Papier – besonders, was das Handwerkliche angeht. Man kann sehen, wie ein Autor wie James Lee Burke arbeitet und inwiefern es anders ist als die Art, wie Elmore Leonard arbeitet, warum aber beide ihre Wirkung nicht verfehlen.
3. Es gibt zwischen fiktionalen und technischen Texten keinen Unterschied in der Zeichensetzung, glauben Sie mir. Das Grundsätzliche – Grammatik, Rechtschreibung, Zeichensetzung – ist EXAKT GLEICH, egal, was Sie schreiben. Und wenn mir jemand sagt: “Darum kann sich doch der Lektor kümmern”, sehe ich rot, denn dieses Missverständnis kommt mir mit erschütternder Regelmäßigkeit unter. Ein professioneller Autor WEISS, WIE MAN SCHREIBT! Er weiß, wie man buchstabiert, interpunktiert, Grammatik benutzt usw.. Das ist NICHT der Job des Lektors, das ist unser Job; es ist das Einmaleins unseres Jobs!
Als ich damit anfing, OUTLANDER zu schreiben, war ich schon professionelle Autorin (das heißt, dass ich ganz buchstäblich fürs Schreiben bezahlt wurde.) Ich hatte schon jahrelang Sachtexte geschrieben – und verkauft –, von Dissertationen über Artikel in Forschungsmagazinen bis hin zu Fachbüchern, Dokumentationen, Wissenschaftsartikeln … alles, was der Job von mir verlangte; alles, wofür mich jemand bezahlte. Ich wusste verdammt nochmal, wie man schreibt. Ich wusste nur nicht, ob ich auch Romane schreiben konnte.
4. Oh, Compuserve und Jennys Schwangerschaft. Ich bin durch Zufall ins Compuserve Literary Forum gestolpert, als ich eine Softwarebesprechung für BYTE schrieb, fand es einen einladenden Treffpunkt (für Leser genau so wie Autoren), und treibe mich seit fast dreißig Jahren dort herum. (Wir haben uns von einer “geschlossenen Gesellschaft” zu einem offenen Forum entwickelt und den Namen zu “Books and Writers Community” geändert, aber es ist eigentlich immer noch dasselbe.)
Nein, Jennys Szene dort war keine Online-Schreibübung, sondern fertiger Teil des Buchs. (Ich will damit nicht sagen dass solche Workshops zwecklos sind — für manche Leute sind sie super, besonders wenn man nicht an sich glaubt – und manchen Leuten machen sie natürlich einfach Spaß. Aber mir persönlich war nie klar, wozu so etwas gut sein soll. Wenn ich ein Buch schreiben will, warum sollte ich dann Zeit damit verschwenden, etwas anderes zu schreiben? Ich bin doch kein Leichtathlet, der Dehnübungen machen muss, damit er keinen Krampf bekommt. Aber jeder ist anders, und man sollte unbedingt tun, was einem hilfreich erscheint.) Nun war es so, dass ich mich eines Abends mit einem Mann im Forum darüber gestritten habe, wie es sich anfühlt, schwanger zu sein, und ich diese Szene zur Hand hatte, die ich ein paar Monate vorher geschrieben hatte.
5. Ich habe auch noch nie einen Leitfaden über das Schreiben gelesen. In den Büchern, die ich lese, habe ich genügend erfolgreiche Demonstrationen unterschiedlicher Techniken gesehen, um eine Vorstellung davon zu haben, wie das Grundkonzept guten Schreibens aussieht. Außerdem sagt mir mein Bauchgefühl, dass es so viele unterschiedliche Herangehensweisen gibt, dass es sinnlos wäre, ein Buch zu lesen, in dem mir jemand seine Auffassung der “Regeln” erklärt.
Was mir natürlich sehr geholfen hat, war, die Lebensgeschichten anderer Autoren zu lesen. Wie sie es angestellt haben, wie sie es geschafft haben wie es dann weiterging. Über einige Autoren gibt es natürlich Biografien, und es gibt viele Artikel und Interviews mit erfolgreichen Autoren – Google, sag‘ ich nur –, aber ich hatte außerdem das große Glück, bei Compuserve und in anderen Foren viele gute Autoren zu treffen, die so großzügig waren, mir von sich zu erzählen und mir Ratschläge zu geben. Wenn ich davon etwas zurückgeben kann, tue ich das gern.

–Diana