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Alles Gute zum Geburtstag, Claire!

Alles Gute zum Geburtstag, Claire!

„Weißt du, wann ich geboren bin?“, fragte ich und blickte auf. Ich wusste, dass mein Haar in alle Richtungen stand und mein Blick wild war, und es kümmerte mich nicht. „Am zwanzigsten Oktober im Jahr des Herrn neunzehnhundertachtzehn. Hörst du mich?“, wollte ich wissen, denn er blinzelte mich reglos an, als beachtete er keines meiner Worte. „Ich sagte neunzehnhundertachtzehn! In fast zweihundert Jahren! Hörst du?“
Ich schrie jetzt, und er nickte langsam.
„Ich höre dich“, sagte er leise.
„Ja, du hörst mich!“, kreischte ich. „Und du glaubst, dass ich völlig von Sinnen bin. Oder etwa nicht? Gib’s doch zu! Das ist es, was du denkst. Du musst es doch denken, anders kannst du dir doch gar nicht erklären, was hier geschieht. Du kannst mir nicht glauben, das kannst du gar nicht wagen. Oh, Jamie …“ Ich spürte, wir ich die Kontrolle über mein Gesicht verlor. So lange hatte ich die Wahrheit verschwiegen, weil mir klar war, dass ich es niemandem sagen konnte, und jetzt begriff ich, dass ich es Jamie sagen konnte, meinem geliebten Mann, dem ich mehr vertraute als jedem anderen, und dass auch er mir nicht glaubte – mir nicht glauben konnte.
„Es waren die Steine – der Feenhügel. Der Steinkreis. Merlins Steine. Dort bin ich angekommen.“ Ich keuchte jetzt, halb schluchzend, und wurde mit jeder Sekunde hysterischer. „Es war einmal vor zweihundert Jahren. Es sind immer zweihundert Jahre in den Geschichten … aber in den Geschichten kehren die Leute auch immer zurück. Ich konnte nicht zurück.“ Ich wandte mich ab, stolperte, versuchte, mich abzustützen. Ich ließ mich vornüber auf einen Felsen sinken und legte den Kopf in meine Hände. Im Wald breitete sich Stille aus, bis die kleinen Nachtvögel ihren Mut wiederfanden und einander wieder mit ihrem schrillen Ziek! zu rufen begannen, während sie Jagd auf die letzten Insekten des Sommers machten.
Schließlich blickte ich auf, weil ich dachte, er wäre vielleicht einfach aufgestanden und hätte mich verlassen, überwältigt von dem, was ich ihm offenbart hatte. Doch er war noch da, saß da, die Hände auf die Knie gestützt, den Kopf gesenkt, als überlegte er.
Doch die Härchen auf seinen Armen glänzten im Schein des Feuers wie Kupferdrähte, und ich begriff, dass sie sich sträubten wie das Fell im Nacken eines Hundes. Er hatte Angst vor mir.
„Jamie“, sagte ich und spürte, wie mir die völlige Einsamkeit das Herz brach. „Oh, Jamie.“
Ich setzte mich auf den Boden und kauerte mich zusammen, versuchte, mich um den Kern aus Schmerz zu krümmen. Jetzt war alles gleichgültig, und ich schluchzte mir das Herz aus dem Leib.
Seine Hände auf meinen Schultern richteten mich so weit auf, dass ich sein Gesicht sehen konnte. Durch den Tränenschleier sah ich die Miene, die er im Kampf trug. Sein Ringen war vorüber, und er war von Ruhe und Gewissheit erfüllt.
„Ich glaube dir“, sagte er entschlossen. „Ich verstehe es zwar nicht – noch nicht –, aber ich glaube dir, Claire! Hör mir zu! Zwischen dir und mir gibt es nur die Wahrheit, und was auch immer du mir erzählst, ich werde es glauben.“ Er schüttelte mich sacht.
„Es spielt keine Rolle, was es ist. Du hast es mir erzählt. Das ist erst einmal genug. Sei still, a nighean donn. Leg den Kopf an mich und ruh dich aus. Den Rest kannst du mir später erzählen. Und ich werde dir glauben.“
Ich schluchzte immer noch, konnte nicht fassen, was er mir sagte. Ich versuchte, mich ihm zu entwinden, doch er zog mich an sich und hielt mich an sich gedrückt, schob meinen Kopf unter sein Plaid und sagte immer wieder: „Ich glaube dir.“
Schließlich wurde ich vor lauter Erschöpfung ruhig. Ich blickte auf und sagte: „Aber du kannst mir doch gar nicht glauben.“
Er lächelte auf mich hinunter. Sein Mund zitterte sacht, doch er lächelte.
„Du sagst mir nicht, was ich nicht kann, Sassenach.“ Er hielt einen Moment inne. „Wie alt bist du eigentlich?“, fragte er neugierig. „Ich bin noch gar nicht darauf gekommen, dich das zu fragen.“
Die Frage erschien mir so grotesk, dass ich eine Minute überlegen musste.
„Ich bin siebenundzwanzig … oder vielleicht ja auch achtundzwanzig“, fügte ich hinzu. Das verblüffte ihn im ersten Moment. Mit achtundzwanzig war eine Frau in dieser Zeit schon in den mittleren Jahren.
„Oh“, sagte er. Er holte tief Luft. „Ich dachte, du wärst ungefähr so alt wie ich – oder jünger.“
Eine Sekunde bewegte er sich nicht. Doch dann blickte er auf mich hinunter und lächelte mich schwach an. „Alles Gute zum Geburtstag, Sassenach“, sagte er.

(c) Diana Gabaldon & Barbara Schnell